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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 58.1922/​1923 (Oktober-März)

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Nr. 6
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Belling, Rudolf: Skulptur und Raum
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Literatur / Personalien / Sammlungen / Institute / Ausstellungen / Funde / Denkmalpflege / Sitzungsberichte / Verschiedenes
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https://doi.org/10.11588/diglit.41225#0113

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Skulptur und Raum — Literatur

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mir alles, was mir nötig erfcheint, um organifch gefetzmäßig zu bilden. Ich
habe auch nicht den Ehrgeiz, Novateur zu fpielen, denn ich geltehe ein, daß
das Raumproblem durch die Jahrtaufende geht, nur feit dem Barock nicht mehr
folgerichtig weitergeführt wurde.
Es wirkt komifch, wenn heute irgend ein Kub , . oder anderer ift,
der plötzlich realiftifche Formen wiedergibt, und fo fich fcheinbar widerfpricht,
von fog. Kennern und Fachleuten heftig angegriffen oder von den Gegnern
jedes Fortfehritts als Beifpiel für die kurze Lebensdauer moderner Kunft«
äußerungen herangezogen wird. Die Form ilt ftets veränderlich und wird,
wie fchon gefagt, vom Wefentlichen beftimmt. Je größer und umfaffender
diefes, defto variabler feine Ausdrudesmöglichkeiten. Es ilt alfo ganz gut
möglich, daß ein Künftler heute geometrifch formal, morgen rein gegenftändlich
arbeitet, daß aber beide Darftellungen ein und derfelbe Geilt fchuf. Nur ilt
die Zahl diefer Könner fehr, fehr klein, fpeziell in der Skulptur, und diefe
Zahl wird auch nicht größer durch Herltellung von Ausftellungsarbeiten, die
doch immer zufammenhanglos daftehen und um Almofen betteln. Daher ilt
es begrüßenswert, wenn in allerjüngften Kreifen wieder das Beftreben deutlich
wird, mit dem wirklichen Leben in Fühlung zu treten. Ich meine damit nicht
die Produkte der Leute, die in der Mafchine und der »Konftruktionszeichnung.
im Bilderrahmen« das allein feligmachende Heil erblicken. Das ift Neuromantik.
Ich meine diejenigen, die die Kunft als Selbftzweck nicht mehr überfchätzen
und eingefehen haben, daß wir in einer Zeit leben, die andere wichtige
Dinge kennt.
Allumfaffend foll der fchöpferifche Geift fich betätigen, und wo diefer
Geilt vorhanden ift, wird er auch immer Gelegenheit finden, fich zu manifeftieren 1
Eine neue Form wird man nicht durch Experimente erreichen,- das find modifche
Dinge. Sie wird durch eine neue Geiftigkeit felbft gefchaffen und dann keiner
wiffenfchaftlichen Erklärung oder fonftigen Propaganda bedürfen, Ausgangs-
und Anknüpfungspunkte find gegeben,- man muß nur die Fähigkeiten befitzen,
fie zu erkennen! —

LITERATUR
Handzeichnungen alter Meifter aus
der Albertina. Neue Folge. Heraus«
gegeben von Jofeph Meder, Wien, Anton
Schroll, 1922.
Albertina = Fakfimile, Handzeich«
nungen franzöfifcher Meifter des
16. —18. Jahr hund erts. Herausgegeben
von J. Meder. Wien, Ant. Schroll, 1922.
Jofeph Meders ftille Arbeit treibt fpäte
und fchöne Blüten. Wenn der kunfthifio«

rifchen Literatur im allgemeinen etwas von
grüner Voreiligkeit anhaftet, wenn viele
Autoren die Reue und den Katzenjammer
als die Nachwirkungen ihrer jugendlichen
Äußerungen nicht überwinden, und von der
Fragwürdigkeit kunftkritifcher Studien«
ergebniffe betroffen, nach allzu lauter Rede
in refigniertes Schweigen verfallen, fo gibt
es eine kleine Zahl befonnener Köpfe, die
in der Jugend zurückhaltend, fpät zu fdirei-
ben beginnen, nämlich erft, wann fie die
 
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