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Der Parifer Herbltfafon — Literatur
grundfätze find: Entlaftung des Zentrums, Erhöhung der Bevölkerungsdichtig-
keit, Vermehrung der Grünflächen fowie der Verkehrsmittel. Die Stadt wird
in vier Teile geteilt durch zwei Hauptftraßen, die fich rechtwinklig fchneiden,
und deren mittlere Bahn für die Autos referviert ifl. An der Schnittftelle der
beiden Straßen ilt der Zentralbahnhof mit einer Plattform für die Flugzeuge,
der Automobilbahn im Mittelgefchoß, den Warteräumen und Schaltern für
Untergrund- und Eifenbahn zu ebener Erde, einer Untergrundbahn im erften
Untergefdioß, den Nahzügen im zweiten und den Fernzügen im dritten Unter-
gefchoß. Rings um diefen Zentralbahnhof flehen fechs Wolkenkratzer von
fechzig Stockwerken, in denen Gefchäftsräume, Mufeen, Cafes, Luxusetablifle-
ments, Verwaltungsbehörden, kurz alles, was das Gemeinfchaftsleben angeht,
untergebracht ifl. Rings um diefe Riefenbauten flehen die Wohnhäufer, fechs
Stockwerke hoch, ohne Innenhöfe, die weiten Zwifchenräume mit Bäumen
behänden. Dann folgen die landhausartigen Anlagen, jede aus 16 Wohn-
häufern für 8 bis lZPerfonen beflehend. Jedes Einzelhaus enthält einen Wohn-
raum, ein Speifezimmer, fünf große Zimmer mit Zubehör und eine Terrafle
auf dem Dach. Bedienung und Verpflegung find gemeinfam, und jeder Block
hat außer den Eigengärten einen Feftfaal, eine Sporthalle und eine Bahn
von 300 Meter Länge.
Viele Leute lachen über das Projekt, aber es verdient wohl Beachtung.
In einer Zeit wie der heutigen, wo das Rad der Entwicklung fleh zehnmal
fo fchnell dreht wie noch vor einem Vierteljahrhundert, foll man nicht nur
die Probleme des Tages zu löfen fuchen, fondern auch die von morgen. Das
war die Abficht Le Corbusiers. Man braucht ihn nicht zu tadeln, weil er viel
Mühe und Geduld auf diefe Arbeit verwendete. Aber welche Nation in dem
zerflörten Europa wird imflande fein, die neue Stadt des Glücks zu erbauen ?
LITERATUR
HansMackowsky, Häufer und Men -
feben im alten Berlin. Bei Bruno Caffirer.
Unter den Gaben des Jahres iß diefes
Buch eine der Idiönlten. Es wurde lange
fchon erwartet, von vielen erbeten, denn
in ihm follte einer der befien Kenner des
vormärzlichen Berlins feine verftreuten Stu-
dien zu lammen fallen. Alle Erwartungen
wurden überuoffen. WasMackowsky bietet
ifl nicht einzig ein Abdruck der alten Auf-
fätze, fondern deren Neufchöpfung aus
dem Gefichtswinkel zufammenfaffender Le-
bensbefinnung. 1921 ifl das Datum des
Vorwortes, das Jahr des 50. Geburtstages
des Verfaffers. Dies ifl mehr als ein Zufall.
Auf jener Lebenshöhe flehend, die zum
Vollgenuß der Kraft die Klarheit der Reife
fügt, überblickt Mackowsky ein Gebiet,
bei dellen Entdeckung und Erfchließung
er felbft in hervorragender Weife mitge-
wirkt hat. Sich erhebend über den Staub
der Akten und über die verwirrende MalTen-
haftigkeit der Einzelforfchung, deren fou-
veräne Beherrlchung die Frucht mühevoller
Jahre ift, gelingt es ihm, die Steine reden
zu machen und längft entlchlafene Menfchen
noch einmal in das Helle des Tages her-
aufzubelchwören. Hier tritt zum reinen
Wilfen in weiteftem Sinne die fchöpferifche
Intuition. Aus der Verbindung beider wird
der Stil geboren. Man hat Mackowskys
Der Parifer Herbltfafon — Literatur
grundfätze find: Entlaftung des Zentrums, Erhöhung der Bevölkerungsdichtig-
keit, Vermehrung der Grünflächen fowie der Verkehrsmittel. Die Stadt wird
in vier Teile geteilt durch zwei Hauptftraßen, die fich rechtwinklig fchneiden,
und deren mittlere Bahn für die Autos referviert ifl. An der Schnittftelle der
beiden Straßen ilt der Zentralbahnhof mit einer Plattform für die Flugzeuge,
der Automobilbahn im Mittelgefchoß, den Warteräumen und Schaltern für
Untergrund- und Eifenbahn zu ebener Erde, einer Untergrundbahn im erften
Untergefdioß, den Nahzügen im zweiten und den Fernzügen im dritten Unter-
gefchoß. Rings um diefen Zentralbahnhof flehen fechs Wolkenkratzer von
fechzig Stockwerken, in denen Gefchäftsräume, Mufeen, Cafes, Luxusetablifle-
ments, Verwaltungsbehörden, kurz alles, was das Gemeinfchaftsleben angeht,
untergebracht ifl. Rings um diefe Riefenbauten flehen die Wohnhäufer, fechs
Stockwerke hoch, ohne Innenhöfe, die weiten Zwifchenräume mit Bäumen
behänden. Dann folgen die landhausartigen Anlagen, jede aus 16 Wohn-
häufern für 8 bis lZPerfonen beflehend. Jedes Einzelhaus enthält einen Wohn-
raum, ein Speifezimmer, fünf große Zimmer mit Zubehör und eine Terrafle
auf dem Dach. Bedienung und Verpflegung find gemeinfam, und jeder Block
hat außer den Eigengärten einen Feftfaal, eine Sporthalle und eine Bahn
von 300 Meter Länge.
Viele Leute lachen über das Projekt, aber es verdient wohl Beachtung.
In einer Zeit wie der heutigen, wo das Rad der Entwicklung fleh zehnmal
fo fchnell dreht wie noch vor einem Vierteljahrhundert, foll man nicht nur
die Probleme des Tages zu löfen fuchen, fondern auch die von morgen. Das
war die Abficht Le Corbusiers. Man braucht ihn nicht zu tadeln, weil er viel
Mühe und Geduld auf diefe Arbeit verwendete. Aber welche Nation in dem
zerflörten Europa wird imflande fein, die neue Stadt des Glücks zu erbauen ?
LITERATUR
HansMackowsky, Häufer und Men -
feben im alten Berlin. Bei Bruno Caffirer.
Unter den Gaben des Jahres iß diefes
Buch eine der Idiönlten. Es wurde lange
fchon erwartet, von vielen erbeten, denn
in ihm follte einer der befien Kenner des
vormärzlichen Berlins feine verftreuten Stu-
dien zu lammen fallen. Alle Erwartungen
wurden überuoffen. WasMackowsky bietet
ifl nicht einzig ein Abdruck der alten Auf-
fätze, fondern deren Neufchöpfung aus
dem Gefichtswinkel zufammenfaffender Le-
bensbefinnung. 1921 ifl das Datum des
Vorwortes, das Jahr des 50. Geburtstages
des Verfaffers. Dies ifl mehr als ein Zufall.
Auf jener Lebenshöhe flehend, die zum
Vollgenuß der Kraft die Klarheit der Reife
fügt, überblickt Mackowsky ein Gebiet,
bei dellen Entdeckung und Erfchließung
er felbft in hervorragender Weife mitge-
wirkt hat. Sich erhebend über den Staub
der Akten und über die verwirrende MalTen-
haftigkeit der Einzelforfchung, deren fou-
veräne Beherrlchung die Frucht mühevoller
Jahre ift, gelingt es ihm, die Steine reden
zu machen und längft entlchlafene Menfchen
noch einmal in das Helle des Tages her-
aufzubelchwören. Hier tritt zum reinen
Wilfen in weiteftem Sinne die fchöpferifche
Intuition. Aus der Verbindung beider wird
der Stil geboren. Man hat Mackowskys