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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 59.1925 (April-September)

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Nr. 10
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Tietze, Hans: Unsittliche Kunst
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Literatur / [Notizen] / Antiquariat / Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41231#0195

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Literatur

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in große Ausstellungen eindringt, ist um so bedenklicher, als sie, jedermann zu-
gänglich, auf den breitesten Wegen die ganze Volksphantasie durchdringt; ihre
Bekämpfung müßte mit der Erkenntnis beginnen, daß es sich um Erzeugnisse
handelt, die sich den Schutz der künstlerischen Freiheit heuchlerisch er-
schlichen haben. Man trenne sie von der Kunst und überlasse es dieser, dort,
wo sie unsittlich ist, ihre Unsittlichkeit durch künstlerische Werte loszukaufen.

LITERATUR
Chinesische Keramik
Die Grundlagen unserer Kenntnis
chinesischer Frühkeramik, die seit etwas
mehr als einem Jahrzehnt zur großen
Mode der Sammler gehört, halten einer
wissenschaftlich ernsthaften Prüfung nur
an wenigen Stellen stand. Kümmel hat
mehrfach darauf hingewiesen, wie gering
die Zahl der festen Punkte ist, an denen
sichere Kriterien verankert werden kön-
nen, daß alles übrige im Grunde nicht
mehr ist als unbewiesene und vorläufig
unbeweisbare Hypothese, die bestenfalls
in der Tradition eine Stütze findet. Man
kann sich dessen bewußt sein, braucht
aber in dem Skeptizismus gegenüber aller
T’ang- und Sung-Keramik nicht ganz so
weit zu gehen, da man dem Nach-
ahmungstalent späterer Zeiten und dem
Fälschergenie heutiger Chinesen nicht
schlechthin die Schöpfung ganzer Gat-
tungen von Töpferwaren, unter denen
sich zahlreiche Meisterwerke hohen
Ranges befinden, wird Zutrauen wollen.
Man hat in Deutschland noch wenig
Gelegenheit gehabt, praktische Erfah-
rung auf diesem Gebiete zu sammeln,
das in Europa zuerst durch die Ausstel-
lung des Burlington Fine Arts Club im
Jahre 1910 und das Buch Ilobsons im
Jahre 1915 erschlossen wurde. Als
Sammler und Schriftsteller hat sich
allein Riicker-Embden bisher erfolgreich
bemüht, nach ihm als Händler und
Sammler, der den chinesischen Kunst-
markt mehrfach zu nutzen Gelegenheit
hatte, Otto Burchard, dessen Besitz jetzt
in einem Saale der Ostasiatischen Kunst-
abteilung der Berliner Museen zur Schau
steht. Man muß es Kümmel Dank wis-
sen, daß er trotz seiner persönlich zu-
rückhaltenden Stellung der Öffentlich-

keit auf solche Art Gelegenheit gegeben
hat, ein vielfach interessantes Material
kennenzulernen. Denn die Burchard-
sche Sammlung enthält von allen Arten,
vor allem dem weißen T’ing-yao, dem
seladongrünen Lung-ch’üan yao und
dem zartblauen Chün yao, ebenso wie
von der frühen T’ang-Ware gute und zu-
weilen vorzügliche Beispiele.
Es entspricht Kümmels persönlicher
Überzeugung, wenn alle diese Dinge hier
als namen- und zeitlose Erzeugnisse chi-
nesischer Töpferkunst gezeigt werden,
und es ist wichtig, daß in den meisten
Fällen der Versuch kritischer Beurtei-
lung einzelner Stücke an dem Fehlen
absolut sicherer, historisch beglaubigter
Vergleichsobjekte scheitert. Zu oft geht
die Kritik derjenigen, die Kennerschaft
zu besitzen glauben, von der unbeweis-
baren Annahme aus, daß die besten
Stücke einer Gattung aus den nach der
Überlieferung frühesten Epochen ihres
Auftretens stammen müssen, daß der
spätere Verlauf eine Dekadenz bedeutet.
Auch Altersspuren, die übrigens keines-
wegs immer sichtbar sind, können nur
als allgemeines Symptom gedeutet wer-
den, da auch ein Ming-Stück immerhin
schon ein recht ehrwürdiges Alter be-
sitzt, und die Unterscheidung, ob 500
oder 1000 Jahre eingewirkt haben,
schwerfallen dürfte.
Trotzdem wird man auch die Haltung
der Gegenpartei, die den heute geltenden
Bestimmungen zum mindesten als bra uch-
baren Arbeitshypothesen ihren Wert zu-
erkennt, würdigen und billigen können,
wenn sie ihren Behauptungen nicht eine
allzu apodiktische Form gibt. Denn jede
Ausstellung und Veröffentlichung, die
das Material in einer versuchsweise histo-
rischen Ordnung vorführt, vermag unsere
 
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