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dem oder jenem 5tile der Vergangenheit mit Recht
Linwendungen machen, mag darin Altertumsspislerei
sehen, antiquarische Schrullen, mag in dem einen oder
anderen dieser Stile oft ein für die ganz auders ge-
wordenen Verhältnisse der Gegenwart ganz unxassendes
Gefäß mit Aecht erblicken, immerhin muß doch zuge-
standeu werden, daß ein iu Gotik oder italienischer
oder deutscher Renaissance oder im Barock, Rokoko
oder Louis XVI. oder Lmpire gut imitirtes Gemach
etwas künstlerisch Wertvolles und Schönes sei, — da-
bei ist aber der überallhiu verbreitete, grassirende
Aunstsinn der Gegenwart längst nicht mehr stehen
geblieben. Denn der kunstliebenden Leute, die sich so
ein Zimmer in einem Btil richtig, konsequent und
wahr von A. bis Z. herstellen lassen könuen, sind,
der großen Rosten halber, die das erheischt, nur
wenige. Der Aunstteufel ist aber in die Aiassen ge-
Nl'b. sz. ölockcnbnnscbcn. von Dcbinicd Ikübn jn Hbnlscb, Kndcn.
fahren. Weitaus die Mehrzahl der «Gebildeten» vsr-
mag zwar nicht auf einmal 10, 20, 50 bis 100,000
auszugsben, welche solch ein prächtiger Naum kostet,
aber ihre verhältnisse gestatten es, daß sie heute einen
Texpich kaufen, morgen sich ein Buffet bestellen
können, alle Augenblicke beim Antikenhändler, beim
Trädler, auf einer Auktion bald ein altes Rrügel,
bald einen Barockspiegel, bald einen rostigen Säbel,
bald ein zinnernes Waschbecken akquiriren. All der
bunte fAunder kommt dann in das Ifeim, dessen Ge-
samtbild schließlich die reine Lsarlequin-Zacke wird.
Die wände sind xompejanisch-rot mit antiken Grua-
menten, den Fußboden bedecken orientalische Tepxiche,
die plafonddecke ist Balkenwerk der deutschen Nenaissance,
echt oder nachgeahint. Risten und Rasten, Bilder,
Bkulxturen und Glasgemälde rexräsentiren den ge-
samten Atlas der Runstgeschichte von Raiser Maxi-
milian I. bis Franz II., aber erst die Rleingegen-
stände, die Nixpessachen, Alles, was da an den lVän-
den, auf Ltageren, Ronsolen und Bordbrettern herum-
steht, ist ein wahrer Lsöllen-Brueghel des alten und
neuen Runstgewerbes. Tin bronzenes egxxtisches
Zdol steht neben einem Nömer aus der Zeit des so-
jährigen Rrieges; eine' bunte Bauernstickerei aus
Rroatien oder Ungarn hängt über einer chinesischen
porzellan-pagode; in der italienischen Schüssel von
Majolika steht eine kleine, holzgeschnitzte Madonna des
15. Zahrhunderts, und eine Boule-IIHr macht init einem
eisernen Morion aus den bseeren Rarls V., sowie
mit zwoi gekreuzten Stichwaffen Grnxpe, von denen
die eine ein zierlicher bsirschfänger in Rokoko, die
andere aber ein Dragoner-Pallasch aus den Tagen
des prinzen Gugen ist. Uud so weiter.
Solches nennen die guten Leute dann eine mit
künstlerischem Geschmack eingerichtete lVohnung! Atan
könnte es mit demselben Rechte eine delikate Dxeise
heißen, wenn in einer Schüssel 2lnanas und Taxenne-
Marktwaare und lqandwerksarbeit, aber ein xaar
Nbl'. ö-t. Glockcnbäuscbcn. vc>n Lcbnncd Hiübn jn Nb.-ilscb, Kndcn.
pfeffer, IVildpret-Sauce und Mandelmilch, Gefrorenes
und puusch zugleich servirt würde! Zch habe auch
schon sagen gehört, daß dieses stillose Gemisch eben
der charakteristische Stil unserer Tage wäre, was bei-
läufig ebenso gescheit ist, als wenn man behauxten
wollte, daß der ärgste Gallimathias, das wahre
ksexen-Linmaleins, die chprache der modernen lVeisen
vorstelle. Ls ist nichts als das widerliche Resultat
einer krankhaft gesteigerten, ungesund überreizten,
modemüssigen Nichtung, der jedes wahre verständnis,
jede ehrliche, wirkliche Liebe zur Bache trotz allen Ge-
flunkers abgeht. Zch erinnere mich sehr wohl der
einfachen IVohnung der Lltern. IVandmalerei, Möbel,
Tepxiche und Spiegel waren zwar nur wertlose
gute porträte der Familienglieder, einige chtiche nach
berühmten Gemälden au den wänden und im Glas-
kasten mehrere wirkliche Reliquien der vergangenheit
und des ksauses, ererbt und bewahrt, nicht beim
Trödler gedankenlos zusammengekauft, um morgen
wieder vertauscht oder verschachert zu werden, machten
mir die schlichte Behausung zu einem wertvolleren
s)
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