Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 1.1885

DOI Artikel:
Falke, Jakob von: Zur Erfindungsgeschichte des europäischen Porzellans
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3679#0046
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Voir Jacob v. Fnlke.

89

kcnneir auch scin Rezept, in deni sich in der
That alle Bestandteile des echten Porzellans be-
findcn und darunter auch Kaolin, welches in der
weißen Erde von Bieenza enthalten war. Allein
in dieser Erde ist es in zu geringem Maße
vorhanden, daher dcnn die nach dem Nezept des
Grvßherzvgs gebildete Masse nnr als ein ge-
inischtes Porzellan bezeichnet werden kann, als
cine Art Halbpvrzcllan. Das Lestätigen die er-
haltencn oder vielmehr wiedcr aufgcfundenen
Gegenstände.
Denn obwohl nichrsach von dem Porzcllan
des Großherzogs zn seiner Zeit die Rcdc war,
so ereilte es doch rasch dasselbe Schicksal wie
alle vorausgegangenen Versnche: cs war alsbald
vcrschvllen nnd vergesscn. Der Großherzog Franz
starb iin Jahre 1587, und damit verlor die
Fabrik seine schützcnde und helfende Hand, die
sie nvch iinmer notig gehabt zu haben scheint.
Sein Nachfolgcr Ferdinand I. bcrief cincn ge-
wisscn Niccolo Sisti zur Fabrikation von Fai-
ence und Porzellan, und dicser Niccvlv übte
dieselbe noch 1620, aber in Pisa aus, wohin
sie verlegt war. Das ist die lctztc aller Nach-
richtcn. Ohne Frage war diese mediceische
Porzellanfabrikation nicht weit genug vvrgeschrit-
ten, uin selbständig bcstehen und lebcn zu kbnnen.
Da sie keine Unterstützung mehr fand, starb sie
ab aus Mangel an Lebcnsfähigkeit. Man
wußte bald nicht inehr, daß sie überhaupt
existirt hatte.
Erst in unseren jüngsten Tagen hat man
sie aus der Bergessenheit wiedcr heransgegraben.
Antiguare und Kunstsreunde haben in Florenz
einige porzellanartige Gegenstände entdeckt, deren
Herkunft ihnen unbekannt war. Sie waren mit
einem F und eincr Kuppelkirche als Marke be-
zeichnet. Nachforschnngcn und Kombinationen
habcn dann enthüllt, daß diese wenigen Stücke,
die sich im Bcsitz vvn Mnscen oder Kunst-
freunden befinden, in der That aus der Fabri-
kation des Grbßherzogs Franz I. herstammen,
woran also nicht zu zweiseln ist. Aber diese
Stücke, meist blau anf weiß mitOrnamcnten und

Gegenständen im Stil der zweiten Hälste des
16.Jahrhunderts verziert, zeigen auch, daß immcr
noch ein Nest zum echtcn und harten Porzellan
übrig bleibt: das vollkommene Porzellan ist
es nicht. Alle Arbciten, die aus dem Laborato-
rium des Großherzogs hervorgegangen sind,
sagt eine erste Autorität auf diesem Gebiete, der
Kcramiker Jacgucmart, lassen mehr oder weniger
zn wünschen, die Masse ist zuweilen grau vdcr
vergilbt vom Feuer; das Email ist nicht immer
gleich glasirt; das Kamaieu ziemlich selten tief
im Tvnc und gleich in allen Partien; das Über-
maß des Brandes hat es häusig verdunsten oder
nnter seiner flüssigcn Dccke zerfließen lassen.
Mit einem Worte: „Das großherzvgliche Por-
zellan hat alle Charakterzüge glücklicher Versuche,
aber es ist uicht eine Fabrikation, wclche befolgt
vder fortgesetzt wvrdcn."
Was sind also die Ansprüche Jtaliens aus
Erfindung des curopäischen Pvrzellans? Ver-
snche in Venedig, von dcnen man nicht einnial
weiß, ob sie überhaupt das echte Porzellan zum
Ziele gehabt, viel weniger, ob sie es erreicht
haben; verschollene Versuche in Ferrara, von
denen man nicht weiß, ob sie gelungen sind;
unvollkommene Versuche in Florenz, die wieder
aufgegeben wurden und länger denn zwei Jahr-
hundcrte in absolute Vcrgessenheit gerieten.
Fast ein Jahrhundert aber nach der letzten Nach-
richt vom mediceischen Porzellan wird in Sachsen
das wirkliche, echte und harte Porzellan, voll-
kommen wie das der Chinesen, unabhängig,
neu und selbständig entdeckt, und von der neu-
gegründetcn Fabrik zu Meißen geht die wcitere
Fabrikation aus und pflanzt sich ununterbrochen
durch Europa fort bis auf den heutigen Tag.
An dieser Thatsache ist nichts zn ändern, und
man wird daher Deutschland nnd Sachsen den
Ruhm der Erfindung und Meißen den Ruhm
der Verbreitung nicht nehmen könncn- So viel
auch noch von einzelncn Stücken flvrentinischen
Porzellans entdeckt werden mag, ihr Jnteresse
geht über das antiguarischer Raritäten nicht
hinaus.


6*
 
Annotationen