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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 1.1885

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Falke, Jakob von: Der Wiener Kunstgewerbe-Verein und seine Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.3679#0082

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Der lviener Kunstgewerbe-Verein und seine Ausstellung.
von Iacob v. Falke?

Wirft man einen Rückblick auf die refvrma-
torische Bewegnng, welche wir diese letzten
zwanzig bis fnnfundzwanzig Jahre hindurch in
der gesamten Kunstindustrie Europas erlebt
haben, so zeigt sich ein sv folgcrichtiger Stufen-
gang, als hätte es mit Notwendigkeit so kom-
men müssen.
Das Jahr 1851, die erste Lvndoner Welt-
ausstellung, brachte die Einsicht, daß im Gebict
des Geschmacks Verständnis und Kvnnen gleicher-
weise fehlten, selbst Frankreich, das ja vhne
Frage am höchsten stand, nicht ausgenvmnien.
Frankreichs Richtung im Geschmack war ver-
kehrt, seine Technik beschränkt. Dieser negativen
Einsicht folgte die positive, daß man durch Lchre
und Übung den vorhandenen Zustand bessern
könne.
Die positive Einsicht rief das Kunstindu-
strie-Museum hervor (zuerst bekanntermaßen in
England das South-Kensington-Museum), eine
Sanimlung guter Borbilder zur Übung des Auges
und Bildung des Verständnisses, und sodann die
mit dem Muscum verbundene Kunstschule zur
Übung der Hand, znr Ansbildung geschultcr Künst-
ler für das Gewerbe, wclches deren nicht besaß.
Dem englischen Beispiel folgte in längeren oder
kürzeren Zwischenräumen der Kontinent niit der
Grllndung von Muscen und Schulcn zu dem
gleichen Zwecke. Es machte keincn Unterschied,
daß hier mehr der Nachdruck auf die Samm-
lung, dort anf die Schule gelegt wurde: das
Ziel war das gleiche.
Die weitere Stufe zeigt den Einfluß der
Museen auf das Gewerbe, auf die Arbeit. Die
Arbeit hebt sich in ihrem Werte, sie zeigt das
Verständnis für Form und Farbe; neue Stil-
arten werden angeschlagen, neue Tcchniken, oder
vielmehr, die alten, vergessenen, eine nach der
anderen wiedergewonnen; es tritt künstlerisch ein
völliger Umschwung ein, der sich hier und da

heute schon von den Vorbildern losmacht und
znr Freiheit erhebt.
Mit dieser Besserung und Freiheit aber,
die anfangs nur künstlerisch ist, tritt auch der
Fall ein, daß das Gewerbe sich von seinen Lehr-
meistern, von Museum und Schule, emanzipirt.
3e mehr diese letzteren wirksam sind, je mehr
sie das Kunstgewerbe bessern, umsomehr eman-
zipiren sie es von sich selber und heben die
eigenc Wirksamkeit auf. Das gilt aber nur
relativ. Das Gewerbe braucht fort und fort
der Kllnstler, und die Schule muß sie ihm er-
ziehen; es braucht fort und sort des Anblicks
und des Studiums der Vorbilder, soll es nicht,
bem Wechsel der Mode folgend, von dcr idealen
Höhe wieder in das Triviale herabsinken. So
ist eine gewisse Verbindung beider Teile, eine
fortwährende Wechselbeziehung wohl begriindet
und vorteilhaft.
Jndesien hatte das Kunstgewerbe vielcr
Orte die gewonnene Selbständigkeit benützt, sich
zu Vereinen zusammenzuschlicßen und seinc
Angelegenheiten in die eigene Hand zu nehmen.
Ilnd das ist wieder eine neue Stufe, die den
Übergang aus der Ästhetik und der Lehre in die
Praxis bildet. Daß Gewerbe sühlt das Bediirs-
nis, die Notwendigkeit, den neuen Geschmack, seine
neuen Kunstleistungen auch dem Publikum vor
Augen zu stellen, sie ihm genchm, verkäuflich zu
machen. Es verlangt — und es hat ja volles
Recht dazu — mit dem, was es nunmehr ar-
bcitet und leistet, ein Geschäft zu machen. Dieser
Gesichtspunkt hat zur Gründung der Kunstge-
werbe-Vereine und ihren Verkaufshallcn oder
permanenten Ausstellungen geführt.
Jn Wien hat man lange von der Grlln-
dung eines solchen Vereines abgesehen. Eine
Zeit lang schien das österreichische Museum für
Kunst und Jndustrie mit seiner pcrmanenten
Ausstellung moderner Gegenstände und seinen
 
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