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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 1.1885

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Kunstgewerbliches von der Ungarischen Landesausstellung in Budapest
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https://doi.org/10.11588/diglit.3679#0248

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Kunstgewerbliches von der Ungarischen Landesausstellung
in Budapest.

Dc>ß bei Jndustrle-Ausstellungen nicht immer
die Fvrderung der Jndustrie der vornehmste Zweck
ist, haben wir wiederholt erfahren. Nur pflegt
man in Westeuropa dieses Verhältnis nicht ein-
zugestehen, während die östlichen Bölker aus dem-
selben kein Hehl machcn. So vcrleugnet man in
Budapest keinen Augenblick das Bemühen, aus
der diesjährigen Ausstellung daselbst so viel als
möglich politisches Kapital zu schlagen. Nicht
nur die Völkerschaften, welche mit den Bewohnern
Ungarns unter einem Scepter vereinigt sind, nicht
nur die Nachbarn im Südosten des Landes, auch
ziemlich entfernte „Freunde" wurden zu korpora-
tiveni oder Massenbesuch der Ausstellung veran-
laßt; jeder Besuch solcher Art gab Gelegenheit
zu Verbrüderungssesten, Reden nnd Demonstra-
tionen; und daß all die Bankette und Ausflüge
den Fremden weder Zeit noch Stimmuug ließen,
das Ausgestellte anders als oberflächlich zu be-
trachten, das plaudern jetzt die französischen Gäste
unbefangen aus, während die anderen diesen Um-
stand achtungsvoll verschwiegen halten. Wenn
die meisten sich trotzdem cntzückt äußern, so hat
das seinen guten Grund, denn die Ausstellung
ist ganz gemacht für Leute, welche unterhalten sein
wollen, aber kein spezielles Jnteresse mitbringen.
Das einst so dürftige „Stadtwäldchen" hat sich
sehr hübsch herausgewachsen und ist durch die
mit Palästen und Villen besetzte Nadialstraße mit
der Stadt verbunden worden, welche seit zwei
Dezennien mit dem Aufgebote aller Kräfte eine
große Stadt zu werden strebt. Und doppelt an-
genehm spaziert es sich zwischen den Baumgrup-
Pen, wenn bald hier bald dort eiu phantastischeS
Bauwerk hervorlugt nnd zum Besuch einladet, sei
cs, um Natur- und Jndustrieerzeugnisse in
Augenschein zu nehmen, sei es, um Gulyas iiiit
Zigeunermusik zu genießen, oder sich von flotten
Bosniakinnen (aus Pest) türkischen Kaffee kre-
denzen zu lassen. ES ist im kleinen der Prater
von 1873. Das Schauspiel recht abwechslungs-
weise zu gestalten, ist nichts gespart worden.
Dank der Gefügigkeit des Holzes sind dnrch die
niehr als hundert „Hallen" und „Pavillons" alle

erdenklichen Stile vertreten, sogar der Holzstil;
auSgestellt ist alles irgendwie Ausstellbare aus
den Ländern der ungarischen Krone (wozu noch
die Neichsländer BoSnien und Herzegowina kom-
men); und nian hat auch mancherlei Argumeute
gefunden, um gelegentlich über das Magyar
Orszag hinaus zu greifen. So wurden beispiels-
Weise auch ausländische Maschinen, Werkzeuge, neue
Ersindungen rc. zugelassen zum Zwecke der Be-
lehrung der einheimischen Gewerbtreibenden und
Landwirte, und wiederum zum Besten der Jn-
dustriellen und der Kaufleute ein eigener orienta-
lischer Pavillon eingerichtet.
Der ofsizielle „Führer durch die Ausstellung"
— beiläusig bemerkt nnser einziges Hilfsmittel
da der Katalog nur in magyarischer Sprache ab-
gefaßt ist und ebenso fast ausnahmsloS die Auf-
schristen in den Lokalitäten und an den Gegen-
ständen selbst — giebt an, daß von den 8607 An-
meldungen auf die Thon- nnd Glasindustrie 115,
Lederindustrie 181, Papierindnstrie 74, Textilin-
dustrie 320, Holzindustrie 185, Möbelindustrie
und dekorative Einrichtung182, Gold-und Silber-
arbeiten, Manufaktur- und Kurzwaren 129,
vervielfältigende Künste 154 fallen. Was davon
wieder zum Kunstgewerbe gehört, haben wir tcils
in der Jndustriehalle, teils in der der Hausin-
dustrie, den Ländern Kroatien, Bosnien, dem
Szeklerlande und den orientalischen Völkern ein-
geräumten Gebäuden zu suchen. Jn einem Flügel
der Kunsthalle sind ältere künstgewerbliche Ar-
beiten ohne Rücksicht auf die Provcnienz ausge-
stellt, meistens aus geistlichem Besitz, worüber oben
S. 190 ff. ausführlich berichtet ist.
Die Jndustriehalle bietet wenig Hervor-
ragendes. Eine Reihe der bedeutendsten Geschäfte
mit Fabriken oder Niederlagen in Ilngarn vcrrät
durch die ausgestellteu Objekte, daß die geistige
Leitung derselben in Wien ist, und andere solgen
wenigstens den von Wien aus gegebenen Jm-
pulsen. Die beiden größten Etablissements für
Keramik: Zsolnay in Fünfkirchen und Fischer in
Pest (die letztere Fabrik ist die Nachsolgerin der
durch ihre Jmitationen berühmt gewordenen Por-
 
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