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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 2.1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.4121#0249

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230

Notizen.

Reise einsr buntsn Gssellschaft ats Heim zu dienen
bestimmt sind. Jn der That eine neue, eigenartige
Aufgabe. Galt es doch in Räume von ganz unregel-
mäßiger Gestaltung und ungünstigen Verhältnissen,
rvie solche der Bau der Schiffs bedingt, sich zu schicksn
und ihnen Formen anzupassen, welche unter ganz
anderen Voraussetzungen sich entwickelt haben. Allein
auch dafür bot das unerschöpfliche Füllhorn der Kunst
die entsprechenden Lösungen, die in den Skizzen des
feinsinnigen Architekten Poppe in Bremen ihrsn
ersten Ausdruck fanden. Jn den ausgedehnten Werk-
stättsn von A. Bembs zu Mainz fügt sich danach
eben die glanzvolle vielgestaltige Ausstattung zusam-
men, welche für den neuesten Lloyddampfsr, der vor-
läufig die Nummer 31l> trägt, bestimmt ist; die Ar-
beiten für zwei weitere Schiffe sind bereits in Angriff
genommsn.

Die Ausstattung umfaßt die drei großen, dem
gesellschaftlichen Bedürfnis und Verkehr gewidmeten
Räume des Schiffes. Dieselben sind derart angeordnet,
daß der Speisesaal zuunterst in dem Schiffskörper
liegt, während die beiden anderen Räume, dsr Damen-
und der Herrensaal, in dem Aufbau über Deck sich
befindsn. Über bequeme Treppen gelangt man in
jedem Stockwerks zu abgeschlossenen Vorplätzen,
welche den Zugang zu den einzelnen Sälen ver-
mitteln.

Betreten wir zusrst den Speisssaal, dsr zugleich
der größte Raum ist. Seine Maße betragen 1S,Z0 m
Länge auf 14 in Breite, so daß bequem sür 100 Per-
sonen Sitzplätzs bei Tisch darin verteilt sind.

Knüpft sich an Schiffsräume auch Unmittelbar
die Vorstellung von drückender Enge, so ist in der
Anordnung des großen Speisesaales jener Mißständ-
lichkeit in glücklichster Weise begegnet, foweit es über-
haupt unter den gegebsnen Verhältnissen möglich.
Aus den Längsseiten treten nämlich Scheidewände
vor, die als Stützen der Decke von baulicher Be-
deutung sind, anderenteils aber in wohlthuender
Weise die seitlichen Teile des Raumes gliedern, so
daß daraus nur nach der Mitte offene Kojen ent-
stehen, in welchen gruppenweiss sechzehn Tische für
kleinere Gesellschastskreise angeordnet sind. Zwei
durchlaufende Tafeln nehmen den mittleren Raum
ein. Der Saal bewahrt damit im Übsrblick seine
volle Ausdehnung; der Disnst vollzieht sich ohne
Störung, und dennoch ist eine Gliederung im räum-
lichen Sinn wie nach dem gesellschaftlichen Erforder-
nis erzielt.

Gleich wirksam greifen in die Erscheinung des
Saales die bsiden Luftschachts ein, welche die Decke
in der Milte durchbrschend durch die beidsn darüber
liegenden Stockwerke aufwärts steigen. Der größere
dieser Lichtschachte gewährt durch seine eiförmige Öff-
nung zunächst Einblick in den Saal des Mittsldecks.
Reiche schmiedeeiserne Geländer durch schwere Stoffe
verdichtet umgeben die Öffnung. Aufwärts ist der
Schacht gegen den Herrensaal geschlossen und zieht
sich auf vierseitige Grundform zusammen. Als wah-
res Schmuckstück ist gerads dieser Teil ausgebildet.
Schönheit und Nützlichkeit reichen sich in der That
hier die Hand. Luft und Licht werdsn durch beweg-

lichsn Verschluß von farbigsm Glas vsrmittslt. Der
Schacht selbst ist als Kuppslbau gestaltet. Über
stattlichem Socksl erheben ffich glatte Pilaster in
Doppelstellung. Bogennischsn spannen sich dazwischen
sin. Ein hohes Kehlgesims lsitet zum Abschluß über.
Die Nischen sind für reichsn Bildschmuck bestimmt.
Jn den Zwickeln über denselben lagern geflügelte
Genien, die in stotter Behandlung vollrund hervor-
treten. Weitere bildnerische Einlagen beleLen die ab-
schließende Kehle. Gold und Farbe erhöhen dis
fsins, festliche Wirkung dieses kleinen Kuppslbaues.
Die glänzende Begabung der Meister des 18. Jahr-
hunderts, wie Tiepolo, hat oft die Wirkung von
Kuppelbauten in geistvollen Skizzen auf die Leinwand
gezaubert; hier haben wir in der That einen ähn-
lichen Anblick, dsr nicht nur auf Farbe und Schein,
sondern auf greifbarer Wirklichkeit bsruht. Jn sich
ist dis Lösung und Durchbildung dieses Luftschachtes
eine allerliebste Leistung; im Zusammenhang mit den
Räumen, welche auf sis münden, erschsint deren Be-
handlung in ihrer vollwertigen Bedeutung. Die
Säle gewinnen damit eine Befreiung von der lasten-
Enge; ein anmutender Aufblick hebt die Empfindung
und gewährt den Reiz einer vielfach wechselnden
Durchsicht.

Wir haben damit in gewissem Sinne bereits vor-
gegriffen und andsutungsweise die Geschmacksrichtung
berührt, in welcher die Ausstattung überhaupt ge-
halten ist. Die gebogenen Formsn des Schiffskörpers
waren hier im wesentlichen ausschlaggebend. Formen
von strenger, geradliniger Art waren zum voraus aus-
geschlossen. Überdies legte die Rücksicht auf Gewöh-
nung und Bequemlichkeit der Reisegesellschaft es nahe,
jene Vorbilder hsranzuziehen, welche vorwiegend einer
verfeinerten Gesellschast eigen waren. Die Wahl
konnts nicht schwer sein. Der Zierstil des vorigen
Jahrhunderts, wie er gerade auf deutschem Boden
z. B. im Schlosse zu Bruchsal ausgebildet ist, bot die
günstigsten Lösungen. So find denn die Wände des
Speisesaales, sowie des darüberliegenden Damensaales
in jenem Geschmacke behandelt, der einerseits alle
tragendsn und teilenden Glieder in ihrer Bestimmung
entsprechend ausbildet, in der Schmückung mit bildne-
rischem und malerischem Zierat aber jene freien
und spielenden Formen verwendet, welche als Rococo
eine Summe von reizenden Lösungen zuläßt. Sämt-
liches Holzwerk ist weiß getönt; geschnittenes Ranken-
und Muschelwerk umgrenzt die Felder und zerlegt sie
in gefälliger Weise; fein gezeichnete und in zarten
Tönen ausgeführte Masken und Grotesken schmücken
Zwickel und Zwischenglieder. Die behaglichen Sitz-
möbel mit ihren jschwellenden Rücklehnen sind mit
schwsrem Seidendamast bezogen, dessen duftige Stim-
mung sachmännisch mit „zerdrückten Erdbeeren" be-
zsichnet wird- Dis lichte Haltung der Wänds wird
durch Spiegel und Bildeinlagen unterbrochen; ebenso
ist die Felderdecke mit Bildern geschmückt. Bemerken
wir gleich, daß die Aufgaben für die bildliche Aus-
schmückung in den Händen hervorragender Künstler,
wie A.Fitger in Bremen und Lesker in Münchsn,
ruht, welche in besonderer Weise zur Lösung solcher
Aufgaben berufen sind und in rühmlicher Bereit-
 
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