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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 3.1887

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Graul, Richard: Kunstgewerbliche Streifzüge, [4,4]: Bemerkungen über Möbel des 17. und 18. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4106#0227

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Kunstgewerbliche Streifzüge.

von Richard Granl.

Mit Jllustratioiien.

IV. Bemerkungen über Möbel des s7. und s8. ^ahrhunderts.
-t. Die Reaktion gegen das Rococo im Mobiliar.

Der eigentliche Rococvstil, das heißt die-
jenige Dekorntionsweise im Mobiliar, welche
namentlich Jules-Auröle Meissonnier (1695—
1750) zur Geltung gebracht hatte, war iu
Frankreich nnr von kurzer Dauer, erstreckte sich
keineswegs bis an das Ende der Regierung
Ludwigs des XV. Die Begriffe „Louis XV."
und „Rococo" decken sich nicht vollständig, der
letztere ist im ersteren euthalten. Festen Boden
hatte das Rococo im Mobiliar Ende der dreißi-
ger Jahre gefaßt, wirklich herrschend war es
während eines Jahrzehnts, bis zum Beginne
etwa der fünfziger Jahre. Als Meissonnier,
der in der Stellung eines äessinuteur clu eu-
lünst äu Ro^ vielfachMöbelzeichnungen entwarf,
1736 ein nach seinen Zeichnungen ausgeführtes
Kabinett zur Schau stellte und alle Welt sich
beeilte, das neue Wunderwerk zu bestaunen, war
seiner kapriziösen Neuerung der Sieg gewiß.
Die Ebenisten wie J.-F. Guenon, P. Denizot,
P- Garnier, J.-P. Lathuile u. a. m. folgten
seinem Jdeal und bemühten sich — so gut oder
schlecht ihr Material sich dem unruhigen, allem
Parallelismus spottendenLinienspiel und natura-
listisch-krausem Formenreichtum fügte — dieses
wit allem Reiz des Ungewöhnlichen ausgestattete
Jdeal zu verkörpern. Keiner that es mit größerem
Talent als Jean-Jacques Caffieri (1678
bis 1755). Er war eiu Sohn jenes Philipp
Eaffieri, welchen wir in der Gesellschaft des
Een Boulle sanden, und hatte in seinem Sohn,
dem jüngeren Philippe Caffieri einen eben-
bürtigen Mitarbeiter, dessen Eigenart wir selbst
nach Guiffrey's subtilen Untersuchungeu (llss
Oukllsi.;, Paris 1877) von der des Vaters nicht

recht zu scheiden vermögen. Beide hegten sür den
modischen Rococoluxns eine helle Begeisterung,
aber sie wußten ihren Geschmack zu zügeln:
ihre zahlreichen Erzeugnisse sind bei allem sor-
malen Übermut nnd struktiven Leichtsiuu von
eleganter Erscheinung. Dabei waren sie voll-
endete Meister ihrer Kunst, und in der Vor-
züglichkeit ihrer Bronzearbeiten liegt nicht nur
ihr Hauptruhm, sondern auch auf diesem Ge-
biete ihre Hauptthätigkeit. Aber dieser Ruhmes-
titel reichte nicht hin, das echte Rococomöbel über
die Lebenszeit seines hervorragendsteu Apostels,
über das Jahr 1750 hinaus, iu Frankreich am
Leben zu erhalten. Es mußte an seinen Kon-
seqnenzen sterben, nnd man bemühte sich bei-
zeiten diesem Ereignis vorzubeugen, indem man
die bedenkliche Bewegung in eine stilistisch ge-
sündere Richtung überleitete, welche in dem
reizvollen Stil des frühen Louis XVI. (Marie
Antoiuette) knrze Zeit herrschte.

Anders lief die Bewegung in den Frank-
reich benachbarten Ländern aus. Jn Deutsch-
land, besonders in Süddeutschland, auch in dem
manierirten Jtalien (Piffetti) beobachten wir im
Rococomobiliar eine arglos konsequente Ent-
wickelung. Die ehrsamen deutschenTischlermeister
in der zweiten Hälfte des vorigeu Jahrhunderts
hatten für den von Frankreich „weither" gekom-
menen Stil eine besonders gründliche Verehrung,
der wir — einzelue treffliche Arbeiten J.A. Nahls,
M. Kamblys, auch Spindlers in Potsdam aus-
genommen — jene Geschmacklosigkeiten einer im
Jrrtum hartnäckig folgerichtigen und merkwürdig
fruchtbaren Phantasie dauken, wie sie erst kürz-
lich und wenig gnt in deutschcn Fürstensitzen
 
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