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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 4.1888

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Graul, Richard: Kunstgewerbliche Streifzüge, [4,5]: Bemerkungen über Möbel des 17. und 18. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4161#0056

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Kunstgewerbliche ^treifzüge.

!)on Richard Graul.

IV. Bcmerkungcn über Möbel des I?. und 18. Zahrhunderts.
3. Frühc Louis XVI.-INöbel (Riesener).

Was Andre-Charles Boulle in der Ge-
schichte des Louis XIV.-Mobiliar war, das be-
deutet annähernd Jean-Henri Riesener für
dic Zeit dcs Stiles Lonis XVI. Nur war der
hervorragendste Ebenist des Lonis XVI. eine
weit gesügigere Natnr als Boulle: mit jcder
Stilwandlung hielt er Schritt. So lange er
bei Oeben arbeitete und in den ersten Jahren
nach dessen Tode (1765) glaubte er sich dem
absterbenden Rokoko gegenüber noch verpflichtet;
erst in den siebziger und achtziger Jahren be-
kannte er sich offen znm neuen Stile.

Um 1760 war in Frankreich die Reaktion
gegen das Rokoko schon mächtig, wenn auch
noch nicht überall herrschend. Jn der Richtung
der künstlerischen Phantasie war eine Änderung
vor sich gegangen. Wie merkwürdig schnell,
mag ein Vorgang in der Architektnr der Zeit,
die Baugeschichte des kleinen Trianon lehren.
Was hier Gabricl in der Zeit von 1749 bis 1752
aufgeführt, besonders was er dekorirt hatte,
weiß noch nichts von der klassizirenden Formen-
strenge und Linienreinheit, wie Fran^ois Blon-
del nnd die Seinen sie den Architekten auf die
Seele banden. Und doch war es derselbe
Gabriel, der zehn Jahre später dem Jdeale
Oppenords abtrünnig geworden ist. Ein ganz
anderer Geist spricht aus dem Trianon dieser
Zeit: seine Dekorationsweise gehört dem frühen
Lonis XVI. an, der Stilphase, welcher Marie
Antoinette den Namen gab. Gewiß erinnern
immer noch beiläufige Einzelheiten (die Tro-
Phäen, das leichte Mnschelwerk) an die Zeit der
Pompadour, aber im allgemeinen gewahren wir
deutlich im dekorativen und mobilen Zimmer-
schmuck die klassische Absicht der für die An-
üke begeisterten Zeit. Der Gabriel, welcher mit
seinem Caräe-ineuble und mit der Militärschnle

am Champ-de-Mars typische Bauten eines im
Ausdruck der dekorativen Fvrmensprache ebenso
sorgsam gewählten wie sparsam „klassischen"
Stiles schuf, ist unverkennbar. Die Sockel-
dekoration im 8alon äs oonversaiion zumal —
Guesnon und Clicot danken wir diese Holz-
täfelung — mit ihren lorbeerumschlossenen Me-
daillons und den regelmäßig verlaufenden tor-
saäes — ein Motiv übrigens, das Riesener
mit Vorliebe anwandte — dann noch Gniberts
sormenstrenge Kamine in demselben Ranme
und im Speisezimmer bilden den stilgerechten
Hintergrund für das Mobiliar der Marie An-
toinette. Es hat denn auch seine Fähigkeit, an
die Umgebung sich anzupassen, überaus schnell
bewährt.

Schon der soorötaire äu lloz- hatte uns
die reaktionäre Gesinnung von Oebens Nach-
folger verraten. Wo wir auch hinblicken auf
die französischen Möbel der sechziger nnd ersten
siebziger Jahre, überall sagen sie uns, daß sie
der nnruhigen Rokvkvlaune müde sind. Noch
cinige Zeit rnnden sich die Kanten, schwingen
und wiegen sich die Linien, aber ihre Bewegt-
heit läßt nicht mehr verhaltene Kraft durch-
blicken, wie bei den ersten Rögencemöbeln, sie
ist zierlich und schwächlich. Ungewöhnlich recken
sich die Beine lang auf, schmächtig und zart,
ihre Biegnng ist matt, ohne Nerv. Für dicsc
Dehnung nach oben bei Möbeln des späten
Rokoko nnd für die bedenkliche Schmächtigkeit
ihrer Stützen sei hingewiesen wenigstens aus ein
paar Beispiele: im Potsdamer Stadtschloß und
im Neuen Palais (in Lichtdruck abgebildet bei
Dohme, Möbel aus den königlichen Schlössern
zu Berlin und Potsdam. Berlin, Wasmuth
1886). Dann anf eine mit Lackarbeit reich ver-
zierte Etagöre ans dem Mobilier National, welche
 
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