Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 4.1893

DOI Artikel:
Krell, Paul F.: Die Pflanze in der dekorativen Kunst, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3942#0169

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE PFLANZE IN DER DEKORATIVEN KUNST.

VON PROF. DR. P. F. KRELL IN MÜNCHEN.

AS wäre die dekorative Kunst
ohne die ungeheure Schatz-
kammer der Pflanzenwelt,
aus welcher sie weitaus die
meisten ihrer Motive holt?
Nicht nur, dass sie nach
einer, viele Jahrtausende
währenden Orientirung darin
immer noch unbekannte neue Formen entdeckt, auch
die alten wertgewordenen und erprobten Typen er-
scheinen in jedem frischen Exemplar in einer eigen-
artigen Individualität. Diese unerschöpfliche Man-
nigfaltigkeit, dieser verwirrende Reichtum, sollte
man meinen, müsste die dekorativen Künstler
dazu verleitet haben, von dem einen Pflanzen-
bild immer wieder zu einem andern überzu-
gehen, angezogen von den besonderen Reizen,
die jeder dieser Gestaltungen eigen sind. Man
möchte also erwarten, dass der historische
Zug der dekorativen Kunst, in riesiger Reich-
haltigkeit, uns ein großes Stück der auf der
Erde existirenden Flora vorführen würde.
Dem ist aber nicht so.
Gegenüber der Unsumme der in der
Natur vorhandenen Typen (nach Humboldt
giebt es 160 000 Arten) ist die Zahl jener,
welche die dekorative Kunst häufiger benützt
hat, eine erstaunlich kleine. Wenn wir aber
gar die Verwendung der Pflanzenformen zu
spezifisch tektonischen Zwecken ins Auge
fassen, so schmilzt die Zahl der Auserkorenen
zu einem äußerst geringen Häuflein zusammen.

Kunstgewerbeblatt. N. F. IV.

Ägypten:

Parfümerielöffel

(Raoinet).

Der Rat, welcher kürzlich den dekorativen Künst-
lern von einem Kunsttheoretiker gegeben wurde, die
Summe ihrer Pflanzenmotive mit Hilfe des Mikroskops
zu vermehren, ist daher ebenso seltsam, als über-
flüssig. Wenn dieses Bedürfnis sich einstellt, so
brauchen die betreffenden Künstler nur in die sie
umgebende Natur oder in eine wohlversehene Gärt-
nerei zu gehen, da finden sie, ohne lange zu suchen,
Pflanzen genug, welche bis heutigen Tages auf eine
gelungene dekorative Verwertung in stilisirter Form
warten.

Welches sind nun die Ursachen, die die dekora-
tive Kunst veranlassten, sich mit einer so sehr be-
schränkten Auswahl zu begnügen? Wie
kommt es andrerseits, dass die eine Kunst-
epoche sich vorzugsweise diesen, die andere
jenen Pflanzen zuwandte, dass die eine Stil-
weise mit ganz wenig Pflanzenformen ausge-
kommen ist, die andere aber wahre Ent-
deckungsreisen in der Pflanzenwelt angestellt
hat?

Als allererste Ursache für die dekorative
Verwendung einer Pflanze werden wir wohl
deren Augenfälligkeit zu betrachten haben.
Zu letzterer gehört nun eine gewisse Größe
und eine charakteristische Form oder aber
ein lebhaftes Kolorit, wenn nicht etwa ein
Zusammenwirken dieser verschiedenen Eigen-
schaften stattfindet.

So konnte es z. B. nicht ausbleiben, dass
in jenen Ländern, welche den Schauplatz der
ältesten Kunst bildeten, diejenige Pflanze, die

21
 
Annotationen