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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 5.1894

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Quaglio, Eugen: Aus der Werkstatt des Theatermalers
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https://doi.org/10.11588/diglit.4565#0132
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AUS PER WERKSTATT DES THEATERMALERS.

Wänden angebrachte Thüren zu bewerkstelligen
sind. Versetzstücke im allgemeinen heißen alle die
größeren und kleineren, ebenfalls auf Rahmen ge-
spannten Dekorationsstücke, welche je nach Bedarf
als einzelne Häuser, Felsen, Gebüsche etc. auf der
Bühne aufgestellt werden und teils zur Verschöne-
rung, teils zur Verkleidung von Treppen und Po-
desten dienen oder durch die Handlung bedingt sind.
Bis in das zweite Drittel unseres Jahrhunderte
waren die Dekorationen fast nur aus dem Hinter-
grund, Coulisseu und Soffitten zusammengesetzt;
auch die heutige Dekoration beruht noch auf diesem

mittelbar darauf folgenden Dekoration zu decken.
Weit mehr als früher bilden aber jetzt Bögen und
Versetzstücke, sowie bei Zimmern und Sälen die
Wände die Hauptbestandteile der Dekoration. Über-
haupt ist die Tendenz, auf der Dekoration nicht
mein- wie früher alles nur zu malen, sondern es
wird zum großen Teile auch plastisch „gebaut", wie
der technische Ausdruck lautet. Eine Straße, die
früher nur aus dem Hintergrund uud den Oonlissen
bestand, hat jetzt ein ganz anderes Aussehen. Die
Häuser, sonst nur auf die gerade Fläche der Cou-
lisseu gemalt, bestehen aus mehreren Teilen, die in

Theatermaler bei der Arbeit.

Prinzip, allerdings mit einigen Abänderungen. Die
noch erhaltenen Entwürfe der großen Meister des
17. und 18. Jahrhunderts geben uns einen Begriff
von der damaligen Zusammensetzung einer Dekora-
tion. Als Beispiel ist nebenstehend ein Entwurf von
Daniel Marot, ausgeführt in Holland um 17U0, re-
produzirt und durch die Grundrissskizze erläutert.
Heutzutage ist die Sache nicht mehr ganz so
einfach. Durch das Bestreben, mehr Naturwahrheit
in die Dekoration zu bringen, ist deren ganze Zu-
sammenstellung weit komplizirter geworden. Die
ältere, einfache Zusammenstellung ist höchstens noch
für kleinere, minder wichtige Scenen gebräuchlich
und dient hauptsächlich dazu, den Aufbau der un-

verschiedenen Winkeln aneinanderstoßen; sie haben
„praktikable", d. h. vom Darsteller benutzbare Thüren
und Fenster, Balkone und Erker. Soll die Straße
nach dem Hintergrunde zu ansteigen, so ist das
nicht mehr wie früher auf den Hintergrund gemalt,
sondern es werden wirkliche gangbare Erhöhungen,
Treppen, schräge Aufgänge, Plateaus etc. angebracht.
Ebenso ist bei der Landschaft die sog. „Bauerei"
oft die Hauptsache; sie ermöglicht es dem Regisseur,
bei Volks- und Massenscenen durch wirkungsvolle
Gruppirimgen seiner Scharen ungleich höhere Effekte
zu erzielen, als dies früher möglich war, wo sich
alles nur auf dem ebenen Bühnenboden abspielte.
Selbst der Fußboden der Bühne wird jetzt oft durch
 
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