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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 6.1895

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V. M.: Die Festgabe badischer Städte und Gemeinden zum Regierungs-Jubiläum S. K. H. des Großherzogs Friedrich von Baden
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https://doi.org/10.11588/diglit.4566#0051

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FESTGABE ZUM REGIERUNGSJUB1LAUM S. K. H. DES GROSSHEliZOGS VON BADEN. 39

Ein schlichter, ornamental durchgebildeter Pilaster
teilt die Langseiten und scheidet zugleich die beiden
Thüren, deren Mittelfelder von eingelegten Silber-
reliefs eingenommen werden. Öffnet man die Thüren
der Vorderseite, so zeigt das Innere des Schreins
das Reliefbild des Großherzogs (s. Tafel), umgeben
von reicher allegorischer Umrahmung, während beim
Offnen der Rückseite die Adressentruhe mit den
Rücken der goldgepressten Lederbände sichtbar wird.
Der Gediegenheit des Aufbaues entspricht die
liebevolle Durchbildung aller Einzelheiten und die
technische vollendete Ausführung derselben. Als
Material sind für das Äußere Ebenholz und Silber,
für das Innere farbige Relief- und Flachintarsien
nebst Bronzen angewendet. Der Sockel ist aus
schwarzem Marmor; er bildet eine feste, kräftige
Grundlinie für den Aufbau, die in ihrer ruhigen
Einfachheit in wirkungsvollen Gegensatz zu der
lebendigen und vielgestaltigen Deckelgruppe tritt.
So gesellt sich eine gediegene Farbenwirkung, zu
der auch der reich drapirte Untersatz nicht wenig
beiträgt, zu der Fülle von plastischem und flachem
Schmuck, um den Reiz des Kunstwerkes zu erhöhen.
Hervorzuheben sind in gleicher Weise die figuralen wie
die ornamentalen Darstellungen, die Vollfiguren wie
die eingelegten Silber- und Bronzereliefs. Unter den
letztern nimmt die Komposition auf derinnern Vorder-
seite des Schreins unstreitig die erste Stelle ein (s.Taf.).
Über das lorbeerumkränzte Rundmedaillon mit dem
wohlgetroffenen Bildnis des Großherzogs halten zwei
reizende Flügelknaben einen Rosenzweig; der zur
Linken weist zugleich in sinniger Weise auf den
Jubilar hin, während der mächtige Palmzweig in
der Hand des andern ihn in seiner Bedeutung als
Friedensfürst kennzeichnet. Die Gesamtwirkung ist
eine ungemein reiche, das Relief tritt, entsprechend
der bedeutungsvollen Stelle, kräftig hervor. Im
Gegensatze dazu erscheinen die Silberreliefs auf den
Thüren und den Seitenwänden ungemein zart, fast
wie hingehaucht. Kommen diese deswegen auf den
photographischen Abbildungen auch nicht recht zur
Geltung, so ist ihre Erscheinung am Schranke selbst
um so anmutiger. Ja diese zarten und doch ent-
schiedenen, die untergeordneten Teile nur andeu-
tungsweise zeichnenden formvollendeten Darstel-
lungen tragen nicht wenig zu dem harmonischen und
ruhigen Anblick bei, den das Kunstwerk gewährt.
** ir müssen es uns versagen, die trefflichen Gruppen
von welchen hier drei nach den Originalskizzen des
entwerfenden Künstlers wiedergegeben sind, im ein-
zelnen zu würdigen. Sie beziehen sich auf wichtige

Momente aus dem Leben und Wirken des hohen Ju-
bilars, und zwar: auf den Regierungsantritt, die Ver-
mählung, die Kaiserproklamation, die Pflege von
Kunst und Wissenschaft, die Silberhochzeit (S. 35).
Der Reliefstil tritt uns hier in seiner trefflichsten,
fast an klassische Strenge gemahnenden Form
entgegen.

Die Deckelgruppe zeigt uns eine thronende
Badenia, umgeben von den Genien des Wehr-, Lehr-
und Nährstandes. Jene blickt voll Zuversicht vor-
wärts und hält in der emporgehobenen Linken einen
Lorbeerzweig, während sie die Rechte um den Hals
des Wehrstandes legt: eine sichere Schutzwehr, hinter
welcher Lehr- und Nährstand ihr Tagewerk unge-
stört verrichten können. Die mehrfach genannten
Eckfiguren versinnbildlichen die Regententugenden
des Großherzogs. An der Vorderseite links sehen
wir die sinnende Weisheit mit Fackel und Buch
(S. 36), rechts die ernste Gestalt der Gerechtigkeit
mit Wage und Schwert (S. 37); auf der Rückseite
die Milde mit den Symbolen der Mäßigung und
des Friedens und die Stärke mit dem Löwenfell
bedeckt, die Linke auf einen mächtigen Eich-
stamm gestützt. Stellung, Ausdruck und Falten-
wurf sind bei diesen Gestalten gleich vorzüglich, und
sie werden durch die Lichtdrucktafeln trefflich wie-
dergegeben. Weitere Belebung erhält der Schrein
durch zahlreichen ornamentalen Schmuck. Wir
nennen nur die mit Palmen und Eichzweigen ge-
schmückten Schilder des Sockelfrieses mit den Na-
menszügen Ihrer Königlichen Hoheiten des Groß-
herzogs und der Großherzogin, die als Konsolen für
die Deckplatte dienenden geflügelten Greifenköpfe
und die duftigen Verzierungen auf den ansteigenden
Flächen des Deckels mit den Kartuschen der Regie-
rungsdaten in der Mitte der Vorder- und Rückseite
und den als Spangen nach den Ecken auslaufenden
Füllhörnern, welche symbolisch die Segnungen einer
vierzigjährigen Regierung andeuten. Die Kanten
der Füße sind mit Masken besetzt, welche unten in
Konsolen auslaufen; auf dazwischen liegenden Schil-
den tragen sie die Widmungsschrift: „Seiner König-
lichen Hoheit dem Großherzog Friedrich von Baden
zum vierzigjährigen Regierungsjubiläum ehrfurchts-
voll von den badischen Gemeinden gewidmet". Sehr
beachtenswert sind auch die in verschiedenfarbigem
Holze hergestellten Intarsiaeinlagen auf den Innen-
seiten der Thüren (S. 38).

Während der Entwurf sowie sämtliche Detail-
und Werkzeichnungen von Direktor Götz gefertigt
worden und demselben zugleich auch die Leitung
 
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