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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 6.1895

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Erhard, Paul: Gmünder Filigran
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https://doi.org/10.11588/diglit.4566#0153

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GMÜNDER FILIGRAN.

teils in Museen, teils im Privatbesitz gefunden habe.
Diese Kunstwerke sind alle hoch geschätzt und wurden
ihres Gehaltes wegen nie bemängelt noch beanstandet.

Es muss nun aber doch eine kleine Ursache zu
diesem schlechten Leumundszeugnisse
des „Gmünder Goldes" vorhanden ge-
wesen sein. Ich glaube, dass der
schlechte Leumund nicht dem geringen
Gehalte des Goldes, sondern dem des
Silbers zuzuschreiben ist.

In früheren Zeiten verstand man
unter Goldschmied nicht nur einen
Goldarbeiter im Sinne der Neuzeit,
welcher Arbeiten nur aus diesem
Edelmetalle hervorbrachte, sondern der

schmiede sich bei der Paternoster-Macherei gern der
Augsteine, Krystalle, Alabaster und sonstigen geschmälz-
ten Stoffe annahmen und sie schön gefasst in den Han-
del brachten. Da das Material der zu fassenden Stücke
nicht sehr wertvoll war, konnte auch
nicht das wertvollste Metall zur Fas-
sung genommen werden. Das gab die
Veranlassung zur Silberfassung. Vene-
tianische Muster zeigten wohl den
Weg zur Filigran-Arbeit. Mit kauf-
männischem Sinne trugen die Gmün-
der Handelsherren die Filigran-Arbeit
auf allgemeine Gebrauchsgegenstände
über, wie Hemdknöpfe, Schuhschnallen,
Halsbandschlösser und Kleiderknöpfe,

Goldschmied war auch Silberschmied,
Emaille - Künstler, Stempelschneider,
Kunstgießer, Edelsteinsclmeider, Kup-
ferstecher und Holzschneider, ja häufig
auch Kunstmaler. In Adam Schin-
leber's Gmünder Chronik aus dem
Jahre 1595 lesen wir:

..Ermahnung, da so viele wohl-
habende Geschlechter weggezogen und
ausgestorben seyen, nunmehr die Ge-
werbe zu pflegen, z. B. die Segessen-
schmiederei (Sensen), die besonders
nach Frankreich viel verkauft werden.
dann die Paternoster - Macherei aus
Augstein, Krystall, von Beinwerk,
auch Holzwerk, Alabaster und sonsti-
gem geschmälztem Stoff (Emaille),
welche Ware nach Lissabon, Venedig,
Mailand, Paris, Lyon und von dort
weiter in die Türkei versenden, da-
gegen von dorten andere Waren, als
Seidenzeug, Gewürze, Edelsteine, wäl-
sche Weine und anderes erhalten, besonders auch Baum-
wolle, wodurch viele Weibsbilder der Stadt Gmünd durch
Spinnen und Wirken der baumwollenen Schleier sich er-
nähren können."

Leicht erklärlich finden wir es, dass die Gold-

Kreuz in Silber in Pietra Santa
Von Francesco Marti 1505.

und verkauften sie nicht nur an Für-
sten und Patrizier, sondern auch dem
Bürger und Bauersmann. Die silber-
nen Miederbehänge der Volkstrachten
Bayerns und der Schweiz sind aus-
schließlich Gmünder Fabrikat und wer-
den heute noch gefertigt. Aus der
Hausarbeit entstand eine beachtens-
werte Filigranindustrie, die Zahl der
Filigranarbeiter vermehrte sich von
Jahr zu Jahr. Bei den schweren
Kriegsjahren des 17. Jahrhunderts
waren wohl die Gmünder Filigran-
arbeiter gezwungen, durch billige
Preise sich einigermaßen Absatz zu
verschaffen, und dies war nur möglich
durch Verminderung des Silbergehalts.
In den süddeutschen Städten Mainz,
Nürnberg, Augsburg, München, wo die
Goldschmiederei in hoher künstle-
rischer Blüte stand, wurde die Gmün-
der Konkurrenz bald mit scheelen
Augen betrachtet, und so berichtet uns Dr. M. Roscn-
berg aus den Akten der Goldschiiiiedezunft der Stadt
Mainz aus dem Jahre 1C96, dass die Mainzer Gold-
schiniedezunft durch die Einfuhr geringhaltiger Gmünder
Ware in ihrem eigenen Absatzgebiete bedroht sei. Die

t
 
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