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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 6.1895

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Ruepprecht, Christian: Das Kunsthandwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.4566#0236

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210

DAS KÜNSTHANDWERK.

konnte, und die Art sehr einfach, wie er dieselben
schmückte, in einer Zeit, wo jeder einzelne noch
alles in allem war, wo er zugleich für die not-
wendige Nahrung, Kleidung und Wohnung zu sorgen
hatte. Aber bald stellte sich die Arbeitsteilung und
zwar in immer größerem Maße ein. ■ Allmählich hat
sich auch das Verschönerungsbestreben, der Kunst-
trieb bei dem einen Volke früher, bei dem anderen
später, in höherem oder geringerem Grade, in jeder
Hinsicht charakteristisch weiter entwickelt. — Schon
die ältesten Kulturvölker, die Assyrer und die Baby-
lonier, wie die Egypter und die Phönizier, haben auf
dem kunstgewerblichen Gebiete Großes geleistet; die
Verdienste der Phönizier beruhen sowohl in dem,
was sie selbst produzirt, als darin, dass sie durch
ihren ausgebreiteten Handel die Errungenschaften
ihrer Zeit fast- der ganzen damals bekannten Welt
mitteilten.

Allein so schön die Dinge gewesen, welche im
alten Orient gefertigt wurden, besonders in gewissen
Zweigen, wo sie in Bezug auf Vollendung der Technik
noch heute unsere Bewunderung erregen, das Phan-
tastische aber, das Starre, Schablonenhafte, jeder
Individualität und Selbständigkeit Entbehrende,
tritt uns hier so ausgeprägt entgegen, wie in allen
anderen Beziehungen. So vermochte es sich auch
so lange auf der gleichen Stufe zu erhalten. Das
war kein freies künstlerisches Schaffen, kein volks-
tümliches Kunsthandwerki das aus dem Volke her-
vorgeht, um wieder auf dasselbe zurückzuwirken.
— Die Griechen, Etrusker und Römer haben auch
in dieser Hinsicht viel von den vorhin genannten
Völkern übernommen, doch haben sie das gar bald
nach ihrer so schön durchgebildeten Eigenart um-
gewandelt. Das Material, die Technik, der Schmuck,
sowie die Gegenstände selbst sind zwar nach Zeit
und Ort verschieden, doch das feine Verständnis,
welches sie bei all dem Schaffen bekundeten, wie
zwischen Material und Technik; Inhalt und Form
eines Gegenstandes volle Harmonie walten müsse, dass
die Bestimmung des Gerätes, Gefäßes oder was es
sonst sein mag, und seiner einzelnen. Teile überall
berücksichtigt zu Tage trete, dass endlich auch das
Ornament oder die Dekoration nicht so gleichgültig
sei, sondern dem Ganzen angepasst und entsprechend,
diese Lehren, welche sie uns in den erhaltenen Sachen
praktisch vorgeführt, können von uns und zu allen
Zeiten nicht genug beachtet werden. Und darin
liegt ihre bleibende Bedeutung.

Wir haben die drei Völker des sogenannten
klassischen Altertums zusammengefasst. Wenn wir

dabei wieder unterscheiden wollten, so müssten wir
hervorheben, dass es zunächst die griechischen Meister
gewesen, denen wir diese Muster verdanken. Die
Römer, deren Größe nach der praktischen, technischen
Richtunghin zu suchen ist, haben, um sieim allgemeinen
zu charakterisiren, weniger Neues, Selbständiges ge-
leistet, als dass sie die einfach schönen und maßvoll
gehaltenen Formen und Vorbilder reicher ausbildeten.
Übrigens haben sie ihren bezüglichen Bedarf großen-
teils aus Griechenland und Etrimen bezogen oder
solche Werke von dort herangebildeten Meistern
ausführen lassen. Bei dem großen Reichtum, der
Neigung zum Luxus und der ausgedehnten Welt-
herrschafthaben die Römer auch so das Kunstgewerbe
nicht wenig gefördert.

Sehr viel von dieser hohen Kultur des Alter-
tums ging in den Stürmen der Völkerwanderung
zu Grunde. Die darauf folgenden Jahrhunderte hatten
aber in erster Linie zu vieles Andere und Wichtigere
zu erledigen, als dass für die Pflege des Kunstge-
werbes wirklich Veranlassung und Gelegenheit hätte
sein können. Es galt damals fast nur, die kirchlichen
und die ziemlich bescheidenen Bedürfnisse der Burgen
und Paläste der Großen zu befriedigen. So be-
gegnen wir, wenn wir die Schöpfungen dieser Zeit
damit übergehen, erst am Ende des Mittelalters und
in der Renaissance wieder einem regen kunstgewerb-
lichen Leben, wo die Städte und die Bürgerschaft
zur Geltung gelangten und Reichtum, Freiheit und
Macht gewannen. Da gab es bei den vielen kirch-
lichen und weltlichen, öffentlichen wie privaten
Bauten, besonders in der schönen, lebenslustigen
Zeit der Renaissance, reichliche und vielseitige Be-
schäftigung. Und wenn die Zünfte einerseits darüber
wachten, dass die Geheimnisse ihrer Knust und ihre
Rechte überhaupt möglichst gewahrt wurden, so
haben sie andererseits Verarbeitung unzulässigen
Materials, betrügerischen Verkauf u. s. w. auch ge-
straft. Da hatte man ferner, was gar nicht gering
angeschlagen werden darf, noch die nötige Zeit
mehr äußere und innere Ruhe, um sich ganz und
mit voller Liebe einem Werke hinzugeben. Der leb-
hafteste Wetteifer herrschte überall. Viele der
ersten Künstler waren zugleich Kunsthandwerker
oder lieferten doch Entwürfe für solche Arbeiten.
Ja, damals waren Kunst und Handwerk überhaupt
keine getrennten Begriffe, so wenig als bei den
Griechen und Römern. Man wusste es gar nicht
anders, als dass man jeden einzelnen Gegenstand,
auch wenn er nur dem praktischen Zwecke zu dienen
hatte,' doch irgendwie künstlerisch schmückte.
 
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