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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

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Die bayerische Landes-Industrie-Gewerbe- und Kunst-Ausstellung in Nürnberg 1896
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https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0056
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DIE BAYERISCHE LANDESAUSSTELLUNG. IN NÜRNBERG 1896.

der Berliner Gewerbeausstellung die in das Gebiet der
Maschinenarbeit fallenden Lederarbeiten fast durchweg
gesunde, dem Leder und seiner Verwendung angepasste
Bahnen eingeschlagen hatten. Die Tapetenindustrie war
gar nicht vertreten, um so bedeutender und wohl in ihren
Leistungen einzig dastehend hatte die bekannte Aschaffen-
burger Buntpapierfabrik ausgestellt. An Stickereien
hatten eigentlich nur die Schulen und Private gute
Arbeiten gebracht; bei den rein gewerblichen Leistungen
waren nur einige Weißstickereien und Spitzen hervor-
zuheben.

Während auf keramischem Gebiete die Ofenindustrie
ihre besten Leistungen überall da zu verzeichnen hat,
wo sie an alte Vorbilder anknüpft, zeigte namentlich
die zu neuem Leben erwachte Nymphenburger Porzellan-
fabrik gute Ansätze namentlich in der Farbengebung sich
von den alten Vorbildern loszulösen, welche _
Beobachtung man auch bei den anderen Fa-
briken machen konnte. Die Glasindustrie, deren
geschicktes dekoratives Arrangement schon an
anderer Stelle erwähnt wurde, hatte durch die
von Steigerwald, Poschinger und der Theresien-
thaler Hütte ausgestellten Gläser und Glas-
lüster bewiesen, dass sie sich mit Erfolg be-
müht, durch neue Formen, neue Techniken
oder doch geschickte Zusammenstellung der
verschiedensten Techniken dem Glas immer
neue Reize abzugewinnen. Auch auf dem
Gebiete der Glasmalerei, auf dem natürlich die
Münchener Firmen wie Bouche, F. X. Zettler,
Mayer'sche Hofkunstanstalt, C. Ule und andere
voranstehen, wären neue Versuche von Bouche
und insbesondere C. Ule zu nennen, ähn-
lich den englisch-amerikanischen Glasfenstern
durch einfache Bleifassungen verschieden-
farbiger Gläser Bilder von brillanter
Leuchtkraft und interessanter Wirkung
zu erzielen.

Das wohl wichtigste Kapitel der
Zimmereinrichtungen wäre zum Schlüsse
einer eingehenderen Be-
trachtung auch der Einzel-
leistungen wert, wenn nicht
der zur Besprechung ver-
fügbare Raum Beschrän-
kung auferlegte. Obwohl
in fast allen Stilarten für
die Nürnberger Ausstellung
gearbeitet wurde, konnte
man doch trotz der sich
jetzt oft sehr breit machen-
den Sucht nach Absonder-
lichem, nach „ganz Neuem",
allzu starke Auswüchse

kaum verzeichnen. Das gotische Jagdzimmer von C.
Wild in Regensburg, gotische Möbel" von anderen
wie L. Vogt in Memmingen, der in Eichenholz ausge-
führte Erker von Frick in Pappenheim, eine Bibliothek-
einrichtung von A. Schoyerer in Cham, ein Louis XVI.-
Salon von J. A. Eyßer in Bayreuth und andere dürfen
als bedeutende Leistungen hervorgehoben werden. Die
meisten Arbeiten waren frei von der neuerdings leider
oft so übertriebenen Anlehnung an die englisch-ameri-
kanische Modethorheit.

Offenbar hat auch das kaufende Publikum bei uns
noch nicht ganz verlernt, seinen Geschmack mit seinen
wirklichen Bedürfnissen in Einklang zu bringen und ihn
nicht nach dem zu richten, was ihm gerade als das Neueste
und dasjenige gepriesen wird, wodurch man seinen Ge-
schmack als auf der Höhe der neuesten Ausgrabungen
stehend dokumentiren zu können glaubt. —
Allerdings muss man auch feststellen, dass man
mehr als auf der Berliner Ausstellung das
Festkleben an allzu schweren, mehr architek-
tonischen Renaissanceformen bemerken musste,
aber hier wie dort sind die Bestrebungen deut-
lich zu sehen, sich größerer Einfachheit zu be-
fleißigen, in gesunder Weise konstruktiv vor-
zugehen und die Konstruktion nicht durch
allzuviel Schnitzerei und Architekturformen
überwuchern zu lassen. Wenn der englisch-
amerikanische Einfluss lediglich hierin gute
Früchte zeitigt, so kann man nur mit ihm
zufrieden sein. Wenn ferner unsere überliefer-
ten Formen in diesem Sinne geläutert zur Ver-
wendung kommen, und wenn die Möbelindustrie
unseren heutigen Bedürfnissen, die ja durch
unser Wohnen in MietsWohnungen wesentlich
beeinfiusst werden, gerecht zu werden sucht,
und wenn vor allem auch auf allen anderen
Gebieten man durch zielbewusstes Ar-
beiten den allen Charakter verwischenden
internationalen Bestrebungen kräftig ent-
gegen zu wirken in der Lage sein wird, dann
wird auch unser heimisches
Kunstgewerbe seine frühere
Stellung wieder erobern
können. Dass überall im
Reiche gute Ansätze dazu
vorhanden sind, die aller-
dings kräftiger Unter-
stützung bedürfen, das hat
trotz aller Lückenhaftigkeit
und trotz aller Fehler nicht
nur die Berliner, sondern
auch die Bayerische Landes-
ausstellung in Nürnberg
gezeigt. H.—

Kronleuchter.für elektr. Licht, entworfen von Alfred Schubert,
Architekt u. Lehrer a. d. Kgl. Baugewerbeschule in Höxter a. W.
 
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