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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

DOI Artikel:
Minkus, Fritz: Die menschliche Figur als dekoratives Element, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0207
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Kopfleiste, gezeichnet vom Maler J. Diez, München.

DIE MENSCHLICHE FIGUR ALS DEKORATIVES ELEMENT.

ii.

In der Ornamentik der historischen Kunst.

(Schluss.)

JINE durchaus ähnliche Verwertung der
menschlichen Figur als rein ornamentales
Element weist die etruskische Ornamentik
auf: so zeigt, um nur ein Beispiel an-
zuführen, die gravirte Dekoration der be-

____________ rühmten „ficoronischen" Cista des Collegio

Romano unterhalb der eine Darstellung aus der Argo-
nautensage enthaltenden Hauptzone des Gefäßkörpers,
ein aus Sphingen und Palmettenmotiven gebildetes Orna-
ment, oberhalb der Hauptzone ein anderes Ornament,
in welchem kleine Köpfe und Palmetten völlig gleich-
wertig verwendet sind.

In dieser apulisch-etruskischen Ornamentik, mit
der sich in naheliegender Weise die halb tier-, halb
menschlichen Phantasiegebilde der altorientalischen
Mythologie baldigst verbunden hatten, waren alle Motive
der figürlich-vegetabilischen Ornamentik der späteren
römischen Kunst gegeben, die sich dieselben freudigst
zu eigen machte, namentlich seitdem durch Vermittlung
der Kunstmetropole Alexandria die Überreste der alten
Kunst des Nillandes in Rom eine allerdings ziem-
lich erkünstelte Renaissance der altägytischen Kunst
hervorgerufen hatten, da die figürlichen Darstellungen
der altägyptischen Wandmalerei, die in ihrer starren
Schablonenhaftigkeit der damals ausgeprägt natura-
listischen Kunst Roms völlig nichtssagend, inhaltslos und
demgemäß rein ornamental erscheinen mussten, ihre
Vorliebe für figurales Ornament noch wesentlich steigerte.

Kunstgewerbeblatt. N. F. VIII. H. 12.

Diese enge Verbindung figürlicher und vegetabi-
lischer Motive in der römischen Ornamentik erreicht
ihren Höhepunkt in der Zeit des sogenannten zweiten,
namentlich aber des dritten und vierten Stils der pom-
pejanischen Wandmalerei, in der ja sogar das Tafel-
gemälde, ohne wesentliche Beachtung seines Inhalts,
der völlig als Nebensache betrachtet wird (es kommen
sogar Rahmen ohne das Bild selbst vor), zu einer Art
Element der Ornamentik herabsank, um der ganzen
Gliederung der Wandornamentirung mit ihren archi-
tektonischen, vegetabilischen und figürlichen Motiven
als Mittelstück zu dienen.

Beispiele für die figürlich-pflanzliche Ornamentik
der römischen Kunst anzuführen, wäre wohl ein müßiges
Beginnen: die italienische Renaissance, die sie aus dem
Boden des alten Rom und seinen „grotte", den ver-
schütteten Überresten der antiken Paläste und Thermen,
heraufholte, hat die „Groteske", in denen die mensch-
liche Figur ihre individuelle Bedeutung völlig verloren
hat, um in Verbindung mit vegetabilischen Formen rein
ornamental zu wirken, bis auf unsere Zeiten weiter vererbt.

Aber die römische Kunst in ihren starknatura-
listischen Neigungen knüpfte auch speciell an diejenige
Art der apulischen Ornamentik an, die der menschlichen
Figur bei ihrer ornamentalen Verwendung in gewissem
Grade ihren persönlichen Wert als handelnden Wesens
belässt, und in dieser Mischung naturalistischer und
rein ornamentaler Tendenzen hat die römische Ornamentik

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