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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 8.1897

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Thieme, U.: Ausstellung von Werken alten Kunstgewerbes aus sächsich-thüringischem Privatbesitz im Kunstgewerbe-Museum zu Leipzig, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4884#0214
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188

AUSSTELLUNG VON WERKEN ALTEN KUNSTGEWERBES.

(Kat. Abt. VII), das auch un-
mittelbar neben dem roten
Steinzeug im Porzellanzimmer
Aufstellung gefunden hat. Es
ist wohl die zur Zeit reichhal-
tigste Sammlung dieser Ware,
bis auf drei Stück — aus dem
Besitze des Herrn C. H. Fischer
und C. v. Schweingel — Herrn
Eobert Brück in Dresden ange-
hörend. Ehrenfried Walter von
Tschirnhausen (1651—1708),
einer der vielgereisten und viel-
seitig gebildeten Männer des
18. Jahrhunderts — deren Viel-
seitigkeit aber leider oft zu
Charlatanismus ausartete —
hat sich in Sachsen durch An-
legen von Glashütten und
Schleifmühlen für Brenngläser
in hohem Grade verdient ge-
macht und soll sich auch mit
Erfindung des Porzellans selbst.
beschäftigt oder wenigstens
Böttger dazu angeregt haben.
Ihm wird nun die Herstellung
des sogenannten „Tschirn-
hausenglases" zugeschrieben,
schön gefärbte, geschliffene
und zum Teil mit Gold dekorirte Gefäße der verschie-
densten Art aus einer harten, glasartigen Masse. Ob
Tschirnhausen wirklich der Verfertiger dieser Ware war
und ob diese nicht auch an anderen Orten hergestellt wurde,
vormag ich hier nicht zu entscheiden, das muss den Special-
forschern auf diesem Gebiete überlassen werden.') Jedenfalls
befinden sich unter den ausgestellten „Gläsern" der Form
und Farbe nach ausgezeichnete Stücke, von denen einzelne
beim Durchscheinen des Lichtes im schönsten Purpurrot
spielen.

Aus der kostbaren, reichhaltigen Bestecksammlung
des Herrn Stadtrat Zschille, welche ihr Besitzer für
einige Zeit in den Parterreräumen des Kunstgewerbe-
museums ausgestellt hat, ist eine Auswahl der inter-
essantesten Exemplare in zwei Pultschränken des
Porzellanzimmers untergebracht worden. Es sind ohne
Ausnahme entzückende Werke der Kleinkunst, welche
uns veranlassen, einen wehmütigen Blick auf unser
modernes Tischgerät zu werfen. Zur Entschuldigung
können wir allerdings das Sprüchwort „andere Zeiten,
andere Sitten" anführen, denn die Kostbarkeit der Messer,
Gabeln und Löffel früherer Jahrhunderte erklärt sich

Französisches Messer des 15.

Jahrh.,HermSta<ltrat Zschille

gehörig.

1) Im Spreohsaal, Aprilnummer 1897, ist ein Artikel über
diese Frage von der Hand des Besitzers der ausgestell ton Samm-
lung Herrn Robert Brück erschienen.

daraus, dass noch bis ins 18. Jahrhundert hinein jeder
Gast zu Festmahlen sein eigenes, je nach Stand und Ver-
mögen mehr oder minder kostbares Besteck mit sich
führte, während heutzutage der Gastgeber für das nötige
Essgerät sorgen muss. Hervorragende Stücke sind vor
allem die beiden frühen in Eisen geschnittenen Messer
(Nr. 1005 und 1008, s. Abb. S. 188), der herrliche
Krystalllöffel mit Silbergriff (Nr. 1026), sowie die Messer
Nr. 1040—1043, welche auf den silbernen Griffen mit
höchster Feinheit ausgeführte Gravirungen nach Dar-
stellungen des Theodore de Bry enthalten.

Unter den Möbeln des 15. — 17. Jahrhunderts gehören
die besten Herrn Hans Felix. Ein kleines gotisches
Wandschränkchen(Nr.l 081) mit durchbrochen geschnitzten
Thüren, ein schöner italienischer Tisch mit Seepferden
(Nr. 1079), und vor allem das berühmte geschnitzte
Schränkchen (Nr. 1080), laut Inschrift eine Arbeit des
Eegensburger Peter Opel. Von diesem ganz hervor-
ragenden Beispiel deutscher Kunstfertigkeit geben wir
eine Abbildung in Lichtdruck. Das Schränkchen, in
der That ein Kabinettstück ersten Eanges, ist innen
und außen mit Schnitzereien feinster Art bedeckt, welche
in 48 vorzüglich komponirten Darstellungen die Ge-
schichte Sauls und Davids behandeln. Die Möbel des
18. Jahrhunderts stammen zum größten Teil aus dem
Besitze Sr. Majestät des Königs und bilden den Inhalt
des großen gelben Mittelzimmers. Es sind meist franzö-
sische Arbeiten. Vor allem gilt dies wohl von den drei
großen Uhren, zwei in Boullearbeit (Nr. 1090, 1091), die
dritte, die berühmte herrliche „Palmenuhr" (Nr. 1087), in
vergoldeter Bronze ausgeführt. Auch der kleine Tisch mit
Koffer (Boullearbeit, Nr. 1086), sowie das entzückende
Eckschränkchen (Nr. 1092, s. Abb.
S. 189) mit eingelegter Holzarbeit,
vergoldeten Bronzebeschlägen und
Girandole dürfte in Frankreich ent-
standen sein. Augsburger Arbeiten
der Biller und des G. Mentzel sind
der prächtige silberne Tisch SUv'': -=k-,

(Nr. 1093) mit getriebener Platte,
zu dem sich noch ein Gegenstück
im Dresdener Schloss befindet, so-
wie die dazu gehörigen Gueridons
mit Leuchtern. Ein imposantes
und kostbares Kunstwerk ist die
aus Silber und Schildpatt gefertigte
große sogenannte „Landschafts-
uhr" Sr. Hoheit des Herzogs von ii,%,'^'
Sachsen-Altenburg (Nr. 1095). Sie
wurde laut Inschrift 1712 Friedrich
von Altenburg von den Land-
ständen, deren Wappen in Email
das in Silber getriebene Ziffer-
blatt umgeben, geschenkt. Das Burgunclisches Messer

-iir i 3 tu • i ■ a i -i des 1G- Jalirh-, Herrn

Werk der Uhr ist eine Arbeit staatratzschuie gehörig.

ü.
 
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