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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 9.1898

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Seliger, Max: Für oder wider Künstlerkonkurrenzen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4886#0145
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Glasfenster, entworfen und ausgeführt von Glasmaler Ule, München.

FÜR ODER WIDER KUNSTLERKONKURRENZEN

VON MAX SELIGER

Initial, gezeichnet von Maler
Hans Schulze, Berlin.

[ folgenden Gedanken
sollen die Frage klä-
ren helfen, ob die
Konkurrenzen für
die Kunst heilsam
sind, ob sie den
Künstlern geschärt-
lichvorteilhaftersind
als direkte Aufträge
oder dem Publi-
kum, und drittens ob
sie eine zeitgemässe,
nicht entbehrliche
Gattung von Kunst-
arbeit darstellen.
Bei der Untersuchung des ersten Punktes
ist nötig, sich eine genaue Vorstellung zu
machen, wie die Kunst mittels des Wett-
bewerbes entsteht. Der Vorgang ist der
folgende: Durch schriftliche Wunschzettel,
die Wettbewerbsbestimmungen, wendet sich
das Publikum an unbekannte Künstler. Weil
das Ausschreiben auf Viele und Unbekannte Rücksicht
nehmen muss, kann es nur allgemeiner Natur sein,
im Gegensatz zu dem direkten Auftrag, der auf den
Kunstcharakter eines Künstlers zugeschnitten werden

Kunstgewerbeblatt. N. F. IX. H. 8.

kann. Die Aufgaben müssen daher von einer vor-
handenen Umgebung mehr oder weniger losgelöst
werden und entbehren der natürlichen Schranken, die
beim direkten Auftrag mitsprechen. Darum ist die
beim Wettbewerb geforderte und erzeugte Kunst mehr
von der Mode abhängig. Im Vergleich zum direkten
Auftrag, der persönlichen Verkehr mit Frage und Ant-
wort gestattet, ist der Weg des Wettbewerbes unklar
und lässt viele Fragen unbeantwortet. Da die meiste
Kunst abhängig ist von einer Umgebung, so ist die-
jenige Kunst passender und für den definitiven Ort
geeigneter, welche auf einem Wege gemacht wird, der
möglichst genau und klar diesen bekannt macht, und
dieses ist der Fall nur beim direkten Auftrag, während
der schriftliche ungenaue Verkehr mittels Konkurrenz-
bestimmungen auch das Resultat unsicher und zweifel-
haft macht. Dasselbe ist ausnahmsweise gut, wenn den
Siegern die Aufgabe gerade gut gelegen hat. Hierfür
ist eine Wahrscheinlichkeit nicht da, weil die zur
Aufgabe geeignetsten Specialisten nicht immer sich be-
teiligen.

Ich bin sogar geneigt, anzunehmen, dass den Be-
stellern von jenen Siegern wären noch bessere Lösungen
gemacht worden, wenn sie im direkten Auftrag per-
sönlich mit den Künstlern verkehrt hätten und die de-
taillirtesten Wünsche geäussert hätten. Die Unsicherheit

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