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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 11.1900

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Muthesius, Hermann: Die sechste kunstgewerbliche Ausstellung (Arts and Crafts exhibition) in New Gallery, Regent Street, London
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https://doi.org/10.11588/diglit.4360#0153

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Kopfleiste, gezeichnet von C. ADAMS.

DIE SECHSTE KUNSTGEWERBLICHE AUSSTELLUNG

(ARTS AND CRAFTS EXHIBITION)

IN NEW GALLERY, REGENT STREET, LONDON.

Seitdem im Jahre 1888 der »Verein für kunst-
gewerbliche Ausstellungen« (Arts and Crafts Ex-
hibition Society) in London zum erstenmale
seine Pforten öffnete und der Welt den neuen Geist,
der sich unter der Führerschaft William Morris' einer
ganzen Kunstgemeinde aufgeprägt hatte, offenbarte,
seitdem sind die Londoner Arts - and - Crafts - Aus-
stellungen in der gesamten Kunstwelt zu Ereignissen
ersten Ranges geworden. Auf diesen Ausstellungen
wurde es zuerst zur Gewissheit, dass sich auf eng-
lischem Boden in aller Stille eine neue Formenwelt
vorbereitet hatte, von der die Welt nichts geahnt
hatte, dass sich hier Knospen zum Aufbruch be-
reiteten, die möglicherweise einen neuen Kunstfrühling
in unsere alternde Kultur heraufzaubern konnten.
Vor allem wurde es den kontinentalen Ländern klar,
dass, während sie sich noch in dem Wiederholen der
alten Stile genügten, hier wirklich ein neuer Ausgang
genommen war, von dem sich manches und vielleicht
das Höchste erhoffen Hess. Wer die letzte dieser
Reihe von Ausstellungen im Herbst 1896 durch-
wanderte, konnte sich mit Erstaunen des weiten Ab-
standes bewusst werden, der die englische Kunst-
entwicklung von der festländischen in den Kleinkünsten
trennte.

Seitdem haben sich die Verhältnisse in einer merk-
würdigen Weise geändert. Eine neue Kunst ist auch
auf dem Kontinent in die Höhe geschossen, und es
wird in ihrer Bethätigung ein Eifer entfaltet, der alle
früheren Versäumnisse im Sturm wieder gut machen
zu wollen scheint. Kühn genommene Anfänge sind
in ganz kurzer Zeit zu einer Reife entwickelt worden,
die erstaunlich sein würde, wenn sie überall gesund
und natürlich wäre. Zum mindesten muss man in-

Kunstgewerbeblatt. N. F. XI. H. 8.

dessen zugestehen, dass die neue kontinentale Kunst,
obgleich im letzten Grunde auf den Schultern der
englischen Bewegung stehend, eine selbständige ist
und in anderer Richtung sich entwickelt, wie die
englische.

Bei dieser Sachlage musste man auf die im
Herbst 1899 stattfindende sechste Ausstellung des
englischen Vereins ganz besonders gespannt sein.
Hatte England Schritt gehalten mit dem Kontinent?
Waren seine vorhandenen neuen Anfängn in derselben
Breite erweitert worden, wie die kontinentale Kunst
neugestaltet worden war? Wie stellte sich ein Ver-
gleich zwischen der englischen und der neuen fest-
ländischen Kunst?

Die Ausstellung in Regentstreet giebt die Antwort auf
diese Fragen nur in unvollkommenem Masse. Sie wird
dem Beschauer, und zumal dem kontinentalen, Ver-
anlassung geben, ein weniger günstiges Urteil zu
fällen, als die früheren Ausstellungen ihm abnötigten.
Wir sind bei uns daran gewöhnt, auf ähnlichen Aus-
stellungen besondere, von langer Hand vorbereitete
Veranstaltungen zu sehen, Aufstellung ganzer Zimmer,
Unterordnung der ganzen Aufstellungsart unter einen
einheitlichen künstlerischen Gedanken. Nichts von alle-
dem ist hier geschehen. Niemand hat besondere Vor-
kehrungen für die Ausstellung getroffen, nirgends hat
sich eine Künstlergruppe zu einer abgeschlossenen
Leistung vereinigt. Das sich hierin aussprechende
starke Mass von Gleichgültigkeit ist für die Wirkung
der Ausstellung bedauerlich, aber dem Kenner
englischer Verhältnisse geläufig. Einmal ist der eng-
lische Gewerbetreibende bei der jetzt herrschenden Hoch-
flut des Geschäftsdranges gerade augenblicklich stark
beschäftigt, er hat nicht Zeit, besondere Ausstellungs-
 
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