Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 12.1901

DOI article:
Die Darmstädter Künstler-Kolonie
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4878#0033

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
DIE DARMSTÄDTER KÜNSTLER-KOLONIE

25

Schwerpunkt besitzen, nicht etwa bloss in der ver-
schiedenen Technik, sondern auch in der allgemeinen
Richtung ihres künstlerischen Wesens.
Hans Christiansen's vortreffliche
Linienführung, die mit wenigen Kon-
turen so viel zu sagen weiss und sich
in der monumentalen Komposition
des Fensters für das Pariser Zimmer
nicht weniger bewährt als in den
zahlreichen kleineren Entwürfen, die
er für die verschiedensten Gebiete
der Flächenkunst geschaffen hat —
sie bildet gewiss keinen nebensäch-
lichen Faktor in seiner Kunst, zumal
angesichts der Schwierigkeiten, welche
bei Kunstverglasungen die beständige
Rücksichtnahme auf Mittel und Gren-
zen der Technik mit sich bringt.
Und doch ist sein eigentliches Ele-
ment die
Farbe; die
bestrickende

Wirkung
seiner besten
Schöpfungen
beruht vor-
nehmlich in
dem sicheren
Gefühl, mit
dem er die

Farben nach ihren dekorativen und
den Empfindungswerten wählt und
zusammenstellt. So haben bekanntlich
gerade seine Werke dazu beigetragen,
die Freude an der Farbe und an
einem breiten dekorativen Stil in wei-
teren Kreisen neu zu beleben.

Ein anderes Verhältnis nimmt man
bei Peter Behrens wahr. Wie er in
seinen reifsten Gemälden und Farben-
holzschnitten die Farbe ausserordent-
lich feinfühlig, aber mit bewusster
Zurückhaltung behandelt und die Linie
zum eigentlichen Träger des Aus-
drucks macht, als eine Melodie, zu
der die Farbe die Begleitung abgiebt,
so strebt er auch in der angewandten
Kunst überall^ nach der ausdrucks-
vollen, bedeutenden Linie, sei dieselbe
nun von Naturformen abgeleitet oder
frei geschaffen, mag sie lediglich die
Idee des Zweckes zur Anschauung
bringen, wie in seinen einfachen, schö-
nen Gläsern, oder "reiner Empfindungs-
träger sein, wie im Flächenornament.
Jene begrifflich nicht fixierbaren,rjein
psychischen Werte, mit denen wir bei
Rhythmus und Ton schon längst zu rechnen gewohnt
sind, für die uns bei der Farbe Böcklin wieder die
Augen geöffnet hat, sie waren in der Linienkunst
während der Imitationsperiode verloren gegangen.

Monogramme und Vignetten von
PAUL BÜRCK.

Gerade sie sind es, die das besondere Interesse von
Behrens in Anspruch nehmen, indem er im freien
Spiel der Linien das spezifisch moderne Empfinden
zum Ausdruck zu bringen strebt.

In Ludwig Habich, dem geborenen
Darmstädter, hat die Kolonie einen
um so geeigneteren Vertreter der mo-
numentalen Plastik gewonnen, als er
mit der Herrschaft über die Form eine
im besten Sinne dekorative Begabung
verbindet. Während so viele öffent-
liche Denkmäler der Gegenwart ohne
genügende Rücksicht auf ihre Umge-
bung entstehen, wie Spielschachtel-
figuren, die man ebensogut hierhin
wie dorthin setzen kann, ist Habich's
jüngst vollendetes Kriegerdenkmal für
Giessen geradezu vorbildlich für eine
der Umgebung angepasste Anlage,
ohne dass die
freie Grösse
und der
Schwung
der künstle-
rischen Idee
beeinträch-
tigt wären.
Und nicht
minder
glücklich
weiss er bei den kleinen Bronzen und
keramischen Gegenständen, die irgend
einem praktischen Gebrauch dienen,
die durch diesen Zweck gegebene
Beschränkung in anmutige Freiheit
aufzulösen.

Wenn Habich solche Aufgaben
mit Vorliebe so behandelt, dass die
Figur ohne weiteres zum Träger des
Zweckes wird, so lässt Rudolf Bosselt,
der eigentliche Klein plastiker der Kolo-
nie, eine Menschengestalt gern schmük-
kend und in loserem Zusammenhang
hinzutreten. Man vergleiche das Tin-
tenfass Bosselt's mit dem Lesepult
von Habich. Aber das Lieblingsge-
biet Bosselt's ist bekanntlich die Pla-
kette und die Medaille, wofür seine
ursprüngliche Ausbildung als Ciseleur
nicht ohne Wichtigkeit war. Stilistisch
ausgegangen von den grossen Pariser
Meistern hat er sich doch bald diesem
Einfluss entzogen und eine persön-
liche Eigenart entwickelt. Es ver-
dient bei seinen Arbeiten nicht zuletzt
das Feingefühl Beachtung, mit wel-
chem er dem individuellen Charakter
einer jeden Aufgabe Rechnung trägt, auch in den
anscheinend äusserlichen Dingen wie in der Höhe des
Reliefs, in der Form und der Abmessung des Feldes.
Von den beiden jüngsten, noch mitten im glück-
 
Annotationen