Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 14.1903

DOI Artikel:
Brinckmann, Justus: Allerlei von Fälschungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4359#0240

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ALLERLEI VON FÄLSCHUNGEN

NACHDEM die goldene Tiara des Saitaphernes
während sieben Jahren ein vielbewundertes,
aber nicht minder vielbespottetes Schaustück
der Schatzkammer der Antikenabteilung des Louvre ge-
wesen, hat sie ihren endgültigen Platz dort gefunden,
wohin sie gehört, bei den neuzeitigen Arbeiten im Mu-
seum der dekorativen Künste. Diese Angelegenheit kann
füglich beiseite gelegt werden. Wenn ich trotzdem
hier ihrer gedenke, geschieht es, weil fast alle Mittei-
lungen, vom Telegramm und der Tagesnotiz bis zum
Feuilleton, die an die Tiara des Louvre anknüpften, nur
darauf hinausliefen, die Leser das Gruseln zu lehren.
Zu diesem Zwecke wurde die nicht eben reichhaltige
Litteratur über das Fälscherwesen, vor allem Eudel's,
von Bruno Bucher deutsch herausgegebenes Buch,
gründlich ausgezogen. Die ältesten Anekdoten über
den Betrug mit gefälschten Kunstsachen wurden auf-
gewärmt, zumeist von Leuten, die von den Sachen
selbst nichts anderes wussten, als sich eben aus jenem
Buche lernen lässt, und das ist bitter wenig. An-
weisungen, wie man sich vor Fälschungen hüten
kann, hat dabei niemand gegeben, und das aus trif-
tigen Gründen. Die einen, die Mehrzahl, weil sie
nichts von der Sache verstanden, die anderen, die
etwas verstanden, weil sie sich vernünftigerweise sagten,
Anweisungen, wie gefälschte Altsachen zu erkennen,
Hessen sich ganz allgemein nicht in Regeln bringen
und würden auch dem, der nicht schon ein tüchtiger
Kenner, nicht helfen. So will ich denn auch hier
nicht versuchen, solche Regeln aufzustellen, aber
nützlich erscheint mir, einmal weiteren Kreisen anstatt
alter Anekdoten neue Thatsachen vorzuführen, die
zeigen, welche Wege gewisse Fälscher heute ein-
schlagen, harmlose Laien, und wenn sich's machen
lässt, mit Vergnügen auch gut unterrichtete Kenner
zu betrügen. Ich gebe die Thatsachen, wie ich sie
selbst erlebt habe, gestützt auf urschriftliche Briefe
und die gefälschten Sachen.

Der Held meiner Erzählung arbeitet unter dem
Namen Josef Petrj, der wohl auch sein wirklicher
Name ist. An diesen Namen knüpfen sich für viele
deutsche Museen und die meisten deutschen Sammler
ärgerliche Erinnerungen, und offenbar stehen uns
noch weitere Erfahrungen bevor, wenn Staatsanwalt
und Gerichte nicht endlich ein Einsehen haben.

Es mag etwa ein Jahrzehnt her sein, dass mich
ein Reisehändler Petrj aus München aufsuchte, der
schon wiederholt in Hamburg gewesen war, bis da-
hin aber nichts von Bedeutung angeboten hatte.
Diesmal brachte er einen jener Sieneser Aktendeckel
aus zwei durch einen Lederrücken verbundenen
dünnen Holztafeln, deren Aussenseiten mit Heiligen-

figuren einerseits, mit Wappen und Inschriften
andererseits im Stile des Quattrocento bemalt und,
wie wir heute wissen, aus einer Fälscherwerkstatt
Sienas hervorgegangen sind. Da mir nicht lange
vorher ein ähnlicher Aktendeckel aus italienischer
Quelle vorgelegen hatte, aber nach gründlicher Prü-
fung als gefälscht erkannt worden war, konnte ich
Herrn Petrj abweisen, nicht ohne ihm zu sagen, der
Deckel sei falsch. Dies verhinderte nicht, dass in
Folge jenes Besuches Petrj's in Hamburg zwei unserer
bedeutendsten Sammler von Altsachen dergleichen
Buchdeckel als alt und echt erwarben. Beide haben
diese Fälschungen abgestossen, sobald sie als solche
von ihnen erkannt waren. Bald danach aber ergoss
sich eine Flut derartiger Fälschungen, die sich nur
durch die verschiedenen Heiligen und Wappen unter-
schieden, über die deutschen Sammlungen. Dabei
waren Museen ersten Ranges ebenso leidend beteiligt
wie Provinzialsammlungen. Binnen wenigen Jahren
konnten wir, als wir auf die Fälschungen Jagd zu
machen begannen, mehr als ein Dutzend davon nach-
weisen. Seither ist darüber geschrieben worden, aber
noch vor kaum drei Jahren wurde trotzdem in einer
Kölner Versteigerung ein Sieneser Deckel, den der
Besitzer mit 6000 Mark bezahlt hatte, bis auf mehrere
tausend Mark getrieben, von einem Händler freilich,
der denn auch daran hängen blieb. Das war wohl
der letzte Triumph dieser Sieneser Deckel, die zumeist
von Petrj vertrieben worden waren. Vor wenigen
Monaten brachten sie es in einer Berliner Auktion
nur auf etwa 200 Mark, die ein Amsterdamer Händler
anlegte. Noch eine Weile und der Preis wird so
tief gesunken sein, dass die Museen, die nicht schon
des Besitzes solchen Deckels sich erfreuen, ihn um
ein Geringes kaufen können als lehrreiches Dokument
für die Abteilung der Fälschungen, zu der über kurz
oder lang jedes Museum sich wird entschliessen
müssen. Für die ganz Harmlosen, die nicht alle
werden, hat übrigens Herr Petrj immer noch falsche
Sieneser auf Lager. Noch im Juli vorigen Jahres hat
er einen solchen Deckel und zugleich falsche Mille-
fiorischalen einem böhmischen Museum angeboten,
mit jenem Biedermannesauftreten, das ihn befähigt, den
Glauben zu erwecken, er glaube selber felsenfest an
die Echtheit seiner Waren, auch wenn schon oft genug
Betrogene den Versuch gemacht haben, von ihm
Ersatz für die ihnen aufgehängten gleichen Falsch-
sachen zu erhalten. Ungefähr um dieselbe Zeit, wo
der Handel mit den Sieneser Buchdeckeln blühte,
tauchten Aquamanilen aus Gelbguss auf von einer
ungewöhnlichen Form, in Gestalt eines Centauren,
für die wohl ein im Budapester Museum befindliches


 
Annotationen