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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 17.1905-1906

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Pazaurek, Gustav E.: Die Dresdener Ausstellung: durch die rosige und durch die schwarze Brille gesehen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4870#0275

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242 BEMERKUNGEN ZUR 3. DEUTSCHEN KUNSTGEWERBEAUSSTELLUNG DRESDEN 1906

Eine derartige Vernachlässigung aller Schmuckelemente,
eine derartige Selbstbeschränkung auf die primitivsten,
geradlinigen, geometrischen Musterungen wird sich
der Mensch, dem der Schmucktrieb ja doch angeboren
ist, auf die Dauer nicht gefallen lassen. Man soll ja
nicht glauben, daß man das ganze Terrain bereits
erobert hat; noch gibt es leider viel zu viele und
nicht ganz machtlose Faktoren, die der modernen
Kunstentwickelung nicht gerade wohlwollend gegen-
überstehen, und für alle diese ist es Wasser auf ihre
Mühle, wenn sie darauf hinweisen können, wie simpel
und rudimentär die Kunstäußerungen zum großen
Teile geworden sind, worüber auch das herrlichste
Material auf die Dauer nicht hinwegtäuschen kann.
Jetzt, nachdem wir die rationelle Basis gewonnen
haben, soll es unser Bestreben sein, nicht nur in be-
zug auf Material, Technik und Gebrauchszweck folge-
richtig vorzugehen, sondern auch, natürlich in gewissen,
durch die Natur der gegebenen Aufgabe vorgezeich-
neten Grenzen, dem freieren Linienornament, wie dem,
aus neuen Naturstudien
gewonnenen Motiv einen
entsprechenden Spiel-
raum zu gönnen. — Die
»industriellen Vorbilder«
in der zweiten Industrie-
halle der Ausstellung,
die auf die Bedeutung
des soliden Materials, der
gediegenen Arbeit und
der reinen Zweckform
hinweisen, sind als An-
schauungs- und Anre-
gungsbehelfe nur jenen
zu empfehlen, die noch
im alten Irrwahn befangen
sind, mit »Verzierungen«
alles machen zu können.
Aber gerade einigen
unserer führenden Gei-
ster wird man, wenn sie
sich inzwischen nicht
eines Besseren besinnen,
auf der nächsten, allge-
meinen Ausstellung pre-
digen müssen, daß die
unbedingte Rücksicht-
nahme auf Material, tech-
nische Bearbeitung und
Gebrauchszweck zwar
viel, aber doch noch nicht
alles bedeute. — Der
Deutsche ist seit jeher in

Kunstangelegenheiten
konsequenter gewesen,
als andere Nationen und
neigt von Natur aus dazu,
sich ein »System zu be-
reiten«; gewiß wird er
sich mit den Grund-
prinzipien des in Bildung

Ofen in Steingut. Entworfen von Professor Fritz Schumacher
Ausgeführt von Ernst Teichert in Meißen

begriffenen oppositionellen Zukunftstiles früher ab-
gefunden haben, als andere Kulturvölker. Jetzt ist
die kritischste Zeit, das Material zur Bereitung des
Systems vorzubereiten; ein klein wenig Grazie unserer
westlichen Nachbarn, die sonst noch lange nicht so
weit vorgeschritten sind und die eherne deutsche
Konsequenz nicht kennen, könnte als Ferment nicht
schaden.

Jetzt haben wir durch die fruchtbaren Bemühungen
der führenden kunstgewerblichen Kräfte den Punkt
gewonnen, von dem aus die ästhetische Welt bewegt
werden kann. Die Rückkehr zur Priorität des kon-
struktiven Elementes ist vollzogen; was Männer wie
Behrens oder Theodor Fischer in Wort und Tat ver-
fochten haben, ist erreicht. Nun gilt es auf diesem neuen
Fundament weiter zu arbeiten. Ebensowenig, wie
die »Verzierungen« allein die Schönheit eines Objekts
ausmachen können, ebensowenig kann dies die noch
so vollkommene Konstruktion allein besorgen. Die
zweckgemäße Konstruktion, die in Übergangszeiten

immer den richtigen Aus-
gangspunkt füreine Wen-
dung zur neuen Gesun-
dung der ästhetischen
Verhältnisse bilden wird,
bedingt ihrem Wesen
nach noch nichts Mo-
dernes; nur in jenen
Fällen, in denen unsere
Kultur neue Bedürfnisse
geschaffen hat, werden
auch neue Formen für
dieselben mit Naturnot-
wendigkeit gefunden
werden; dort, wo sich
unser äußeres Leben nicht
geändert hat, kann es
sich lediglich um eine
Auswahl aus dem über-
reichen, bereits bestehen-
den Formenvorrat han-
deln. Eine schmucklose,
gediegene Form in edlem
Material und tüchtigei
Technik wird gewiß nie
veralten; aber so ein
Objekt war auch niemals
modern; es steht jenseits
von Gut und Böse.

Aber selbst die Ver-
mählung des Konstruk-
tiven mit dem Dekora-
tiven schafft noch kein
Kunstwerk; beides ist er-
lernbar und definierbar.
Als drittes, mindestens
gleichberechtigtes Ele-
ment müssen noch jene
künstlerischen Imponde-
rabilien hinzutreten, die
sich keinem Lehrplan,
 
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