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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0125

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

DEUTSCHE BILDENDE KUNST UND DEUTSCHES
KUNSTGEWERBE IM AUSLANDE UND IM WELT-
VERKEHR

Es ist ein sehr erfreuliches Zeichen unserer heimischen
Produktionskraft, daß die deutschen Künstler und Kunst-
gewerbe sich endlich stark genug fühlen, geschlossen im
Ausland aufzutreten und den Fortschritt ihrer Kunst zu
dokumentieren. Als geladene Gaste waren sie schon oft
auf internationalen und Weltausstellungen mit Erfolg ver-
treten. So hat eine am 30. Januar im Reichsamt des Innern
unter dem Vorsitz des Geheimen Oberregierungsrats
Dr. Lewald und unter Teilnahme von Vertretern des Aus-
wärtigen Amts, des Preußischen Handelsministeriums und
des Kultusministeriums stattgehabte, von der »Ständigen
Ausstellungskommission für die Deutsche Industrie« ein-
berufene Besprechung zunächst Berliner kunstgewerblicher
Firmen über die Frage einer Beteiligung ander Internationalen
Kunstgewerblichen Ausstellung St. Petersburg (September-
Oktober 1908) ergeben, daß eine Reihe hervorragender
Firmen die Ausstellung im Rahmen einer Deutschen Ab-
teilung zu beschicken wünscht. Die künstlerische Durch-
führung der Deutschen Abteilung wird in den Händen
des Herrn Professors Bruno Möhring liegen.

Eine derartige Beteiligung deutscher Firmen hat, wie
gesagt, schon öfters stattgefunden und auch hier in Hin-
sicht auf das Made in Germany uns Deutschen das Ver-
trauen der Ausländer erworben. Neu ist es aber, daß nun
auch_die Künstler sich hervorwagen und dem Auslande
geschlossen entgegen gehen wollen. Der große moralische
Erfolg der deutschen Kunstausstellung in London im
Jahre igoö, die noch auf Einladung englischer Künstler
veranstaltet worden war, hatte den deutschen Künstlern
Mut gemacht. Sie wollen jetzt zunächst sich den großen
amerikanischen Markt erobern. Nach Rücksprache mit
Prüden Clarke, dem Leiter des New Yorker Museums, plant
Professor Eberlein eine Ausstellung deutscher Malkunst in
New York, eine Ausstellung, die neben den Meisterwerken
neuer deutscher Maler sich auch auf Meisterwerke der
Bronzekunst erstrecken soll, und der der neuerbaute und
demnächst zu eröffnende Flügel des New Yorker Museums
eingeräumt wird.

Eine deutschnationale Skulpturausstellung ebenfalls in
New York, welche für Ende dieses Jahres vorbereitet wird,
hat jetzt feste Gestalt gewonnen. Ein großes künstlerisches
Komitee, dessen Vorsitzender Professor Adolf von Hilde-
brand ist, beabsichtigt zum ersten Male den Vereinigten
Staaten ein vollständiges Bild der neueren deutschen Plastik
zu bieten. Als Ausstellungslokal ist das Metropolitan-
museum in New York vorgesehen. Unter den Ausstellern
sind Reinhold Begas, Hildebrand, Schaper, Brütt, Stuck,
Gaul, Lederer, Klinisch, Diez und Wrba, Hermann Hahn
und Netzer, Otto Lessing, Taschner und verschiedene an-
dere. Die Ausstellung wird nur Werke in echtem Material,
in Marmor und Bronze, enthalten, aber auch Kleinplastik
und Plaketten umfassen. Die Meldungen stellen einen
Wert von mehreren Millionen Mark dar.

Bezwecken diese Ausstellungen nur eine einmalige
Vorführung deutscher Kunst, so hat sich die kürzlich ge-
gründete »Vereinigung zur Förderung deutscher Kunst im

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Auslände", deren Vorsitz mit Genehmigung des Herrn
Reichskanzlers der Kaiserliche Geheime Regierungsrat
R. Platz übernahm, sein Ziel schon viel weiter gesteckt:
sie will in den hier in Betracht kommenden Ländern stän-
dige Verkaufsstellen errichten. Die erste dieser Verkaufs-
stellen für deutsche Kunst und Kunstgewerbe soll in New
York ins Leben gerufen werden. Die Vereinigung zählt
bereits über 200 Mitglieder, darunter die bedeutendsten
deutschen Künstler und Kunstgewerbe und viele Persön-
lichkeiten der Wissenschaft, der Industrie, der Hochfinanz
und des Adels. Fürst Bülow bringt dem Plan volle Sym-
pathie und Unterstützungsbereitschaft entgegen und hat
angeordnet, daß die in Frage kommenden Staats- und
Bundesbehörden gemeinsame Beratungen mit dem Vorstand
der Vereinigung pflegen.

In erster Linie wird es gelten, der bisher einseitig
ausgeprägten Neigung der Amerikaner für romanische, be-
sonders für französische Kunst entgegenzuwirken. Über
dieses Thema hat kürzlich Prof. Dr. H. Kraeger im Ka-
pellenverein in interessanter Weise geplaudert. In den
amerikanischen Kunststätten prädominieren die Erzeugnisse
französischer Kunst, von denen alle Richtungen und Genres
vertreten sind. »Die jungen amerikanischen Künstler
müssen heute nach Paris gehen, um daheim zu Ansehen
und Geld zu kommen. Das übrige Europa können sie
sich schenken; und so sind Ausstellungen amerikanischer
Maler im Grunde nur Ausstellungen französischer Meister,
die hinter jedem Bilde schattenhaft und auch ganz deut-
lich hervortreten. Die amerikanischen Künstler sehen nicht
nur mit den Augen der Franzosen, sie sehen Frankreich
statt Amerika und verlieren völlig den Boden unter den
Füßen. Das spezifisch Amerikanische fehlt fast ganz in
der amerikanischen Kunst.* Es ist nicht zu verwundern,
daß Frankreich aus diesen Umständen großen Nutzen ge-
zogen hat. Nach den Veröffentlichungen des Treasury
Departements in Washington betrug in den Fiskaljahren
1899 — 1906 die Einfuhr nach Amerika zu Ausstellungs-
zwecken aus Frankreich das 2—2ofache der deutschen
Einfuhr. Die übrige Einfuhr von Kunstgegenständen be-
trug das 6—I4fache der deutschen Einfuhr. — Dieser für
die deutsche Kunst wenig befriedigende Zustand ist darauf
zurückzuführen, daß den Amerikanern bisher die Werke
der deutschen Kunst nicht in genügendem Maße vermittelt
worden sind. Eine solche Gelegenheit will die neuge-
gründete »Vereinigung zur Förderung deutscher Kunst im
Auslande« jetzt bieten. Sie hat unseres Erachtens richtig
erkannt, daß vereinzelte Vorführungen deutscher Kunst-
werke nicht viel nützen können, sondern daß die Ver-
drängung der französischen Kunst vom amerikanischen
Markte sorgfältiger Vorbereitungen und langer Entwickelung
bedarf. Deshalb gründet sie eine ständige Verkaufsstelle
in New York, in der nur das Allerbeste von allen Kunst-
gebieten zu sehen sein wird. — Im Allgemeinen sollen
sich, wie die New Yorker Staatszeitung am 26. Januar be-
richtete, die Verhältnisse auf dem amerikanischen Kunst-
markt wieder eine Kleinigkeit gebessert haben, wenn gleich
die Lage für Künstler und Händler durchaus noch keine
erfreuliche sei. — Demnach ist es den Deutschen ganz
besonders zu raten, recht vorsichtig zu Werke zu gehen.

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