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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Graul, Richard: Einige Bemerkungen über die neueste figürliche Porzellanplastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0138

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EINIGE BEMERKUNGEN ÜBER DIE NEUESTE FIGÜRLICHE PORZELLANPLASTIK

Psyche von Bernewitz (1904). Berliner Kgl. Manufaktur

mit Unterglasurfarben noch mehr einziehen wird, als
bisher geschehen konnte. Mit besonderem Eifer ist
die Biskuitplastik fortgebildet worden, und neben den
offiziellen Aufträgen sind aus der Manufaktur eine
Anzahl sehr ansprechende neue Werke derart hervor-
gegangen, von denen wir noch mehr hier reproduzieren
zu können wünschten.

Die Biskuitplastik bleibt auch heute wie in der
älteren Zeit eine wichtige Betätigung der Staats-
manufaktur in Sevres. Zu den erfolgreichen und
mit Recht von den Franzosen gerühmten figürlichen
Arbeiten, die iqoo in Paris in erstaunlicher Menge
zu sehen waren, sind seitdem noch viele andere zier-
liche Werke gekommen. Das Beharren am einmal
erprobten nationalen Geschmack mit seiner Vorliebe
für freie Eleganz der Bewegung und eine weitgehende
Delikatesse der Durchführung ist für Sevres charak-
teristisch. Es hat sich nicht versuchen lassen, Plastik
nach dänischer Art zu bilden, und es steht zu fest
auf dem Boden der Tradition, als daß es das Biskuit
den Versuchen impressionistischer oder hieratisch stili-
sierender Bildner auslieferte. So erfolgreich Sevres auf
anderen Gebieten seiner durchaus im industriell vor-
bildlichen Sinne angelegten Produktion die Pfade der
Tradition verlassen hat, in der Porzellanplastik bleibt
es der alten Praxis treu und bestellt Modelle oder
bringt Reduktionen hervorragender Werke der zeit-
genössischen Großplastik. Es hat keinen rechten
Sinn, der Manufaktur daraus, daß sie sich auch der
Reduktionen nach Werken in anderem Material be-
dient, einen Vorwurf zu machen, aber es ist zu be-
grüßen, daß sie mehr als früher bestrebt ist, durch

Diana von Wiese (1906). Berliner Kgl. Manufaktur

große Staatsaufträge ganzer Tafeldekorationen wie
der von Leonard oder Lärche die Porzellanplastik
anzuregen.

Gerade nach dieser Richtung könnten auch wir
in Deutschland weitergehen, denn mit dem Ver-
geben einzelner Püppchen an Künstler verschiedener
Richtung ist noch wenig erreicht. Vielmehr wäre
zu wünschen, daß es wieder Mode würde, größere
Tafelarrangements, Kamingarnituren usw. zu bestellen,
wie das in der alten Blütezeit des Porzellans Mode
gewesen ist. Die Höfe könnten da mit gutem Bei-
spiel vorangehen. Vor allem könnten aber auch
städtische Verwaltungen, Sport- und andere Klubs,
Kasinos sich die Sorge um den künstlerischen Tafel-
schmuck etwas zu Herzen nehmen, und nicht zuletzt
kämen wohl auch unsere transatlantischen Schiffs-
gesellschaften als Besteller in Frage. Gerade sie
könnten der deutschen Porzellanindustrie eine sehr
wirkungsvolle Reklame bereiten!

So zeigt sich in allen führenden Manufakturen
gegenwärtig deutlicher als früher das Bestreben, auch
die Porzellanplastik aus dem Banne einer veralteten
Überlieferung zu befreien. Diese Versuche, die im
modernen Sinne allenthalben unternommen werden,
sind ungleich und soweit es die deutschen Staats-
manufakturen betrifft, noch nicht viel mehr als erste
Ansätze. Sie sind nötig als Gradmesser neuer künst-
lerischer Kräfte im Vergleich zu den fremden und
vor allem im Vergleich zu den Bemühungen der
privaten Industrie, die in einzelnen Fällen, wie das
glückliche Vorgehen ganz besonders der Nymphen-
burger Manufaktur und die Tätigkeit von Hugo Kirsch
 
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