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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Pudor, Heinrich: Das Kunstgewerbe auf der Leipziger Michaelismesse 1908
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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0065

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

und das iindcrc wird gebrannt! Audi Korbflechtereien werden

aus Porzellan oder Steingut angeboten. Die Wiener Werkstätte
macht dieselben Körbe aus geschnittenem Eisenblech, und diis
ist wesentlich einfacher und billiger. Aber sind wir denn nichl
endlich gebildet genüg, um durch solche Material Imitationen, die

im günstigsten pulle Spielereien sind, nicht mehr gereizt zu
werden? Dies alles in der Zeit des »Werkbundes«, der München er

Materialstilausstellung, sechs lahre nach der Turiner Ausstellung,

Jahrzehnte nach dein Wirken eines Morris und Ruskin! Wenn
die Sache auf einer gesunden Basis weifer wachsen soll, muH der
Ernst des C icschäl'tcs etwas mehr betont werden, nur dann wird
mit der modernen deutschen Kunstindustrie auf der Leipziger
Messe mehr als bisher gerechnet werden können.

Nur die allerersten und am meisten fortgeschrittenen Werk-
stätten sind es, welche uns Arbeiten in glattem Materialstil geben,
und aiicii diese nicht im Gros ihrer Erzeugnisse, sondern nur in
wenigen für die Elite des Käulerpiiblikiuns bestimmten Arbeiten.
Im übrigen sind es die historischen Stile, vielleicht mit besonderer
Berücksichtigung des Empirestiles und der französischen Königs-
stile, welche uns am meisten begegnen, dabei eine selbständige

moderne Auffassung meistens vermissen lassend. Wenn uns nun
die Fabrikanten sagen, sie müßten sich nach der allgemeinen ge-
schältlichcn Konjunktur richten, sie hätten z. B. zur diesjährigen

Michaelismesse angesichts des Hauen Geschäftsganges das feine

Gehre gar nicht mitgebracht, sondern höchstens das mittlere,
und sie könnten doch, wenn die Taschen der Käufer leer wären,
nicht Kunstgegenstände verkaufen, so beruht dies wieder auf
einem völligen Verkennen der Kunst, als ob Kunst durchaus von
Luxus, Prunk, Kostbarkeit abhängig sei. Nein, die Überladung
mit Zierat macht ja gerade so viele Erzeugnisse unkünstlerisch!

Es ist mit weit größerer Wahrscheinlichkeit darauf zu wetten,
daß ein schlichter Gegenstand künstlerisch ist, als einer, der
mit Zierat aufgedonnert ist Auf den Schein kommt es heute
nicht mehr an. Die Vortäuschung künstlerischer Werte mittels
glänzenden Prunkes zieht nicht mehr. Das Publikum wird lang-
sam gebildet und sieht ein, daß ein Gegenstand, um künstlerisch
zu sein, nicht notwendig teuer zu sein braucht. Abel1 eine wichtige

und notwendige Voraussetzung alles Künstlerischen ist dieWerk-

stattarbeits- und Materialsolidität, -Wahrhaftigkeit und -ehrlich-
keit. Die Imitationen sind es, die die ganze Industrie am Auf-
steigen zur künstlerischen Höhe hindern. Jedes Material sucht
das nächsthöhere zu imitieren, das Papier das Leder, das Stein-
gut das Porzellan, die Terrakotta die Bronze, die Bronze das
Gold. Ebenso werden die Arbeitsmethoden und ebenso werden
die Entwürfe und Dekore imitiert. Es fehlt au Wahrhaftigkeit,
an Ehrlichkeit, an Stolz. Eisenblech von Berger, das kein Hehl
aus sich macht, hat weit mehr Künstlerisches als französische
polierte Bronze, die Gold vortäuschen will. Wo findet mau
heute noch wirklich stilvoll behandelte Bronze? Unsere an den
Schein, nicht an das Wesen sich haltende Zeit hat kein Ver-
ständnis mehr dafür. Glänzende, polierte Bronze — ein Wider-
spruch in sich selbst — aber andere svird heute nicht gemacht.
Es inülite denn solche mit aufgemalter Patina sein. Man sieht,
will man die Menschen zur Kunst erziehen und aus der Industrie
Kunstindustrie machen, so muß man beim Charakter anfangen,
111,111 muß die Menschen erst unter das Druckkreuz bringen und
sie rechtwinkelig und gradlinig machen, damit sie wieder die
Wahrheit, ohne die es keine Schönheit gibt, lieben lernen.

Dr. Heinrich Pudor.

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU.

BEKi.lll. hu Januar 1909 wird im Hohenzollern-Kunst-
gewerbehaus Friedmann & Weber, Berlin, Leipziger Str. 13, eine

Ausstellung: »Die Dame in Kunst und Mode« veranstalte!
werden. Es sollen solche modernen Erzeugnisse der Kunst, des
Kunstgewerbes und der kunstgewerblichen und modischen In-
dustrie des In- und Auslandes gezeigt werden, die aus den Be-
dürfnissen und für den Luxus des geschmacklichen Lebens einer
eleganten Iran geschaffen sind und zugleich auch Proben des
besten Könnens und des erlesensten Geschmackes auf den liier—
hergehörigen Gebieten künstlerischer und industrieller Betäti-
gung darstellen.

BERLIN. Deutsche Aussteller werden im eigenen Interesse

von der »Ständigen Ausstellungskommission für die Deutsche

Industrie« darauf aufmerksam gemacht, daß eine Beschickung
g u ter Auslands-Ausstellung en dann erhöhten praktischen
Wert und ein auf die Dauer lohnenderes Ergebnis haben dürfte,
wenn die betreffenden Aussteller im Lande oder am Platze drv
Veranstaltung Ständige zuverlässige Vertreter oder Agenten
mit erhalten, um durch diese die etwa angeknüpften Verbindungen
dauernd nutzbar zu machen.

BERLIN. Eine Gruppe englischer Künstler, die sich
um I. I. Cobden - Sanderson scharen, hatte im Oktober im

Berliner Kuristgewerbe-Museum eine Ausstellung von

Werken der Kalligraphie, Druckkunst, voiiEinbändeu, Scluuuck-
Iflchet.....d Silberarbeiter veranstaltet, die berechtigtes Auf-
sehen erregte. Besonders einige Bucheinbände (nicht alle) und
manche Sc hm uek s t ücke waren von entzückender edler Ein-
fachheil und sprachen sehr beredt von einer ins höchste ge

Steigerten persönlichen Kultur. Man empfand vor m.....'heu

Stücken die reinste I lingobe einer wirklich künstlerisch und geistig

hochstehenden bescheidenen Persönlichkeit an ihr Werk und

unterlag mit größtem ( iciiuß dry mystischen Wirkung des so be-
seelten < legenstandes. Wir erwähnen besonders die Schmuck-
stücke von Mrs. Hadaway in Bushey

BERLIN. Unter der Bezeichnung »Kunst im Handwerk«
haben die Vereinigten Werkstätten für Kunst im Hand werk A.-G.
in München, Berlin, Bremen, Hamburg und die Deutschen Werk-
stätten für Handwerkskunst in Dresden, München, Berlin und
I lambiirg eine gemeinsame Verkaufsausstellung in der
Bellevuestraße 10 eröffnet, die ganz hervorragende Zimmer-
einrichtungen, Einzelmöbel und Kleingerät der bekanntesten
deutschen Raumkünstler enthält.

BERLIN. Albert Reimann veranstaltete vom 4.bis 10.No-
vember 1908 in den Atelierräuinen der »Schule Reimann« eine
sehr interessante »Batikaiisstellung«.

BRAUNSCHWEIG. Rudolf Wilke, der Karikaturen-
zeichner und einer der bedeutendsten deutschen Humoristen, ist

im Alter von 55 lahren gestorben.

DARMSTADT. Beim Schluß der hessischen Landesausstel-
lung erhielt Prof. Alb in Müller vom Großlierzog d.is Ritter-
kreuz I. Klasse vom Verdienstorden Philipps des Großmütigen.
— Einige der von diesem Künstler für die llsenbiirgerl lütte ent-

worfenen Eisen-Kunstgegenstände sind vom Preußischen Kultus-
ministerium als vorbildliche Leistungen in den amtlichen Lehr-

luittelkatalog aufgenommen worden.

DRESDEN. Der Dresdner Kunstgewerbeverein stellt wie

im vorigen Jahr Preisauf gaben für diepacha 11 sstell u ugen.
Das rege Interesse und die zahlreiche Beteiligung i\n den vor-
jährigen Preisaufgaben ermutigen Ihn, wiederum Fachaus-
stellungen, verbunden mit Preisaufgaben, abzuhalten." Diese
sollen in den Monaten Februar bis April 1909 im Kunst-
gewerbemuseum, Eliasstraße 54, stattfinden, Verlang! werden

nur ausgeführte Gegenstände, Entwürfe sind ausgeschlossen.
Die Gegenstände sollen in gutem Sinne modern sein, d. h. sie
sollen dem Publikum zeigen, daß das Dresdner Kinisl-
handweik auch noch über ein Können verfügt, das über das

Schema billiger Herstellung und landläufiger Formengebung

hinausgeht und im Hinblick auf gutes Material und solide Aus-
 
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