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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Hellwag, Fritz: Neue Wohnräume von Bruno Paul
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0148

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NEUE WOHNRÄUME VON BRUNO PAUL

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*.. :-

V- .1

BRUNO |>AUI., Empfangszimmer Ausgeführt durch die Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk, A.-O.

Möbel in Padoukholz blank poliert, mit Intarsien von schwarzer Wasserelche, Beschläge aus Messing mattvergoldet; Sofa-und Stuhlbezug
aus grünem i lalbseldestoff, i ehnstuhl und Tischdecke aus silbergrauem Brokat mit grünem Rand; Wände mit graugrüner Stoffbespannung.

NEUE WOHNRÄUME VON BRUNO PAUL

WIR können die Wohnräume BRUNO PAULS
mit einem Blick umfassen, mit einem Blick
ihren Charakter erkennen und ihren Eindruck
empfangen. Ihre Stimmung wirkt wie ein Akkord, der
die traulichen oder festlichen Gefühle in uns auslöst.
Und da diese Stimmung bleibt, so empfinden unbe-
wußt wir die wohltuende Überzeugung, daß hier alles
wirklich zu einander paßt, daß alles »richtig« ist.

Also kein Effekt mit übler, zerstörender Nach-
wirkung, kein formaler, archaistischer Eklektizismus
wie bei Schultze-Naumburgs Biedermeierräumen, der
den ersten angenehmen Eindruck schnell hinüber-
scheucht in die stilkritischen Regionen des Intellekts.
Es bleibt alles Gefühl und ist Impressionismus im
besten Sinne, erzeugt durch feines Empfinden für
Licht, Farbe und Raumverhältnisse.

Bruno Paul ist Raumkünstler, mehr als subjektiver
Stilkünstler. Er gibt in der Konstruktion des Einzel-
stückes nicht eigentlich Neues, obwohl alles durch
eine starke Persönlichkeit gegangen ist. Sein Sinn
richtet sich vielmehr auf die Gesamtwirkung, auf die
Schöpfung des Raumes, den er mit genialer Sicher-
heit in seiner späteren Wirkung vorausempfindet. Die
Verhältnisse aller Gegenstände sind immer in Hinblick

Kunstgewerbeblatt. N. F. xx. H. 8

auf den ganzen Raum klug erwogen, doch ohne jede
Vergewaltigung zu dessen Gunsten, sondern dem be-
sonderen Zweck stets vollkommen gerecht werdend.
Die Wände sind durch Vertikale oder durch farbige,
ornamentale Muster gegliedert. Lineare Ornamente
werden auch an Möbeln und Möbelbezügen ihres auf-
teilenden oder zusammenfassenden Charakters wegen
gern angewendet, doch selten in Einzelwirkung, son-
dern in reichlicher Wiederholung, um den Sinn nicht
vom Gesamteindruck abzulenken. Das Auge findet
bei den Paul'schen Räumen auf den ersten Blick den
bestimmungsgemäßen Mittelpunkt, nicht etwa nur
durch die Aufstellung der Möbel, sondern durch die
raffinierteste Abstimmung aller Farben, durch An-
ordnung der Linien und Flächen.

So sind die Wohnräume Bruno Pauls durchaus
für moderne Menschen geschaffen, die nicht Lust und
Zeit haben, sich mit anspruchsvollen Einzelstücken,
welche meist nur der Intellekt ihnen »nahebringen«
könnte, in Beziehungen zu setzen; — für moderne
Menschen, die mit dem ersten Blick und mit ab-
soluter sinnlicher Sicherheit den bleibenden Eindruck
erhaschen wollen, ohne ermüdende und zeitraubende
Reflexionen. FRITZ HELLWAG.

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