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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 21.1910

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Deutsches Kunstgewerbe und der amerikanische Markt
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DEUTSCHES KUNSTGEWERBE UND DER AMERIKANISCHE MARKT

o Der Handelssachverständige Waetzoldt des Kaiserlich
Deutschen Generalkonsulates in New York erstattete fol-
genden Bericht, den uns der Badische Kunstgewerbe-
verein« in Karlsruhe freundlichst zum Abdruck übersandt hat.

n Gelegentlich der dienstlichen Informationsreise, die mich
im Herbst 1908 nach Süddeutschland führte, habe ich mit
großem Interesse die kunstgewerblichen Ausstellungen und
Kunstwerkstätten in München und Darmstadt besichtigt.
Die Besichtigungen verfolgten in erster Linie den Zweck,
mich davon zu unterrichten, welche deutschen kunstgewerb-
lichen Erzeugnisse für den Absatz auf dem amerikanischen
Markt in Betracht kommen. Ich war erfreut, zu finden,
daß das deutsche Kunstgewerbe sich nach Richtungen hin
entwickelt hat, die dem Absatz seiner Erzeugnisse hier die
Wege ebnen werden. Was in München in der Ausstellung
und in den Ausstellungs- und Verkaufsräumen der Aktien-
gesellschaft Vereinigte Werkstätten für Kunst im Handwerk
in der Gewerbehalle an Einzelgegenständen zu sehen war,
würde mit wenigen Ausnahmen hier in den Großstädten
Abnehmer finden. Ich habe besonderen Nachdruck auf
das Wort «Einzelgegenständen gelegt, um zwischen diesen
und den vollständigen Raumausstattungen zu unterscheiden,
ganz besonders denjenigen, bei welchen der Architekt,
der das Haus entwirft, mit dem Innenarchitekten oder
Dekorateur und Möbelzeichner gemeinsam geplant hat.
Nur in Fällen, in welchen die ersten deutschen Möbel-
fabriken, wie die Franzosen es getan, mit hiesigen Archi-
tekten und Innendekorateuren Fühlung nehmen, wird auf
diesem Gebiet ein Erfolg zu erzielen sein. Vielleicht
kommen noch Möbelausstattungen für Speisezimmer,
Herrenzimmer, Damenzimmer und die sogenannte »Hall«
(Vorzimmer mit Treppenhaus), besonders für Landhäuser,
in Betracht. Die größte Absatzmöglichkeit findet sich
für Einzelmöbel, Gebrauchs- und Ziergegenstände. Es
muß der Eigentümlichkeit des amerikanischen Publikums,
Gegenstände der Raumausstattung, die ihm gefallen,
ohne jede Rücksicht auf Einheitlichkeit zu kaufen, Rech-
nung getragen werden. Da die Wohnräume, sei es im
sogenannten »Apartment house oder im Eigenhaus, im
Durchschnitt klein und niedrig sind und kaum Gelegenheit
zu einer Wohnungseinrichtung in unserem Sinne geben,
wird das Publikum darauf angewiesen, gefällige Einzel-
gegenstände zu kaufen, wie z. B. die fast in jedem besseren
Haushalt anzutreffenden Schränke für feines Porzellan und
geschliffenes Glas, wie Damenschreibtische, Sessel und
Metallgebrauchs- und Ziergeräte. Gerade auf dem Ge-
biete der Metallbearbeitung könnte das Kunsthandvverk hier
Erfolge erzielen. Die Münchener Ausstellung war be-
sonders reich an solchen kupfergetriebenen Gegenständen,
z. T. mit Emaileinlagen, z. B. Schalen, Vasen, Behältern für
Blumentöpfe usw., die hier Käufer finden würden. □

d Solche Einzelgegenstände hier dem Publikum vor Augen
zu bringen, dazu gibt es nur einen Weg: Einrichtung eines
Verkaufsgeschäfts durch die deutschen Interessenten. Aus-
stellungen, seien sie für Kunstwerke der Malerei oder
Plastik, oder für kunstgewerbliche Gegenstände bestimmt,
verfehlen meist, wie die Erfahrung lehrt, sogar ihren eigent-
lichen Zweck, erzieherisch auf den Geschmack des Publi-
kums zu wirken, und sind, wenn nicht reine Verkaufs-
ausstellungen, nicht geeignet, die Anknüpfung von Handels-
beziehungen in beträchtlichem Umfang anzubahnen. Über
die Einrichtung eines solchen Verkaufsgeschäfts ist folgendes
zu berichten. Nach den bisherigen Erfahrungen wird es
nicht möglich sein, die größeren Warengeschäfte und De-
partement stores so weit zu interessieren, daß sie ihre
Verkaufsräume und Verkaufsorganisation zum Zwecke der

Propaganda für deutsche kunstgewerbliche Erzeugnisse
zur Verfügung stellen, auch wenn ihnen die Gegenstände
frei geliefert und zum kommissionsweisen Verkauf über-
geben würden. Ebenso aussichtslos dürfte der Versuch
sein, hier allein Kapital für Errichtung eines Verkaufsunter-
nehmens aufzubringen. n

a Der größte Teil des notwendigen Kapitals muß eben
schon deshalb von Deutschland aus zur Verfügung gestellt
werden, um die Leitung des Unternehmens vollständig in
der Hand zu behalten. Es hat wenig Zweck, Einzelheiten
zu planen, ehe es feststeht, ob überhaupt Aussichten vor-
handen sind, in Deutschland genügendes Kapital zusammen-
zubringen. Es kommt für Miete und Einrichtung der Ge-
schäftsräume, für Gehälter der Angestellten und für Reklame
im ersten Jahr wenigstens die Summe von 100000 Mark
in Betracht. Für Verzollung, Transport und Versicherung
der Waren würden weitere 50000 Mark in Berücksichtigung
zu ziehen sein. Die Mehrzahl der Waren muß zunächst
von den Herstellern dem hiesigen Unternehmen zum kom-
missionsweisen Verkauf überlassen werden. o
o Bis dieser Plan, den Absatz deutscher kunstgewerb-
licher Erzeugnisse hier in größerem Umfange zu er-
möglichen, zur Tat wird, sollten die kleineren Mittel,
die Aufmerksamkeit des amerikanischen Publikums auf
das deutsche Kunstgewerbe zu lenken, nicht außer acht
gelassen werden. In einem früheren Bericht habe ich
darauf hingewiesen, daß die beiden großen deutschen
Dampferlinien eine Propaganda für deutsches Kunstgewerbe
tatkräftig unterstützen können. Diese Unterstützung ist
durch Aufträge für Einrichtung der Gesellschafts- und
Speiseräume, sowie der Kabinen, einem Teil des deutschen
Kunstgewerbes in dankenswerter Weise zuteil geworden.
Es kann aber noch ein weiterer Schritt getan werden. Die
Gesellschaftsräume, die Schreib- und Lesezimmer der
Dampfer werden mehr und mehr zu Verkaufsstellen für
Reiseandenken. Meist bestehen diese »Souveniers« noch
in wenig geschmackvollen deutschen Erzeugnissen, wie
Schalen, Aschenbechern, Löffeln usw. mit deutschen und
amerikanischen Flaggen, Ansichten von Bremen, Hamburg,
New York, von dem betr. Schiff oder Bildern des Kaisers
und des Präsidenten der Vereinigten Staaten. In letzter
Zeit ist jedoch auch der Schmuckgegenstand ohne bezug
auf das Reiseandenken in Aufnahme gekommen. Eine
kleine Reklameschrift für norwegische Silberarbeiten, die
an Bord zum Verkauf ausgestellt waren, wurde an die
Passagiere verteilt usw. Sicherlich wäre es von Wichtig-
keit, wenn für deutsche Waren in gleicher Weise Reklame
gemacht würde. Gut ausgestattete Heftchen mit farbigen
Abbildungen würden die Aufmerksamkeit erregen und
die amerikanischen Reisenden nach den Ausstellungs- und
Verkaufsräumen der kunstgewerblichen Vereine usw. lenken.
Es ist nicht erforderlich, daß Gegenstände in größerer An-
zahl und Auswahl auf den Schiffen zum Verkauf ausgestellt
werden; geschmackvolle Reklameschriften allein würden
schon eine günstige Wirkung ausüben. a

Druckfehler-Berichtigung

d Im Bericht über die Ausstellung der Bruno Pantschen
Schule sind einige sinnstörende Druckfehler enthalten.
Es muß heißen: Seite 38, Spalte 2, Zeile 22 von unten:
das Aktzeichnen so nicht in die Kunstgewerbeschule ge-
hören; ferner Seite 40, Spalte 1, Zeile 12 von oben: ent-
gegengesetzt jener absichtlich ««persönlichen Lehr-, aber
darum so viel persönlicheren Lernmethode usw. □

Für die Redaktion des Kunstgewerbeblattes verantwortlich: Fritz Hellwao, Berlin-Zehlendorf
Verlag von E. A. Seemann in Leipzig — Druck von Ernst Hedrich Nachf., g. m. b. h. in Leipzig
 
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