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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 21.1910

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4873#0085

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU







BUCHGEWERBE-LITERATUR

□ Alle Zweige des modernen Kunstgewerbes drängen
jetzt der reifen Abklärung zu. Man lobt die bestimmte
Sachlichkeit und die materialgerechte Gediegenheit. Der
ästhetisierenden Schwarmgeisterei folgt die Sehnsucht nach
überlegter Leistungsfähigkeit. Am eindringlichsten offen-
bart sich dieser Prozeß der inneren Konsolidierung in der
Entwicklung der Schulen. Die jungen Lehrkräfte, die zu-
nächst kraft ihrer Persönlichkeit zu wirken berufen waren,
gelangen allmählich zu einer brauchbaren Methodik. Das
ist die natürliche Reife, die den Sieg dieser pädagogi-
schen Bemühungen für die Zukunft verbürgt. □

□ Den Typographen hat der Hildesheimer Gewerbelehrer
F. Baumann ein »Lehr- und Übungsbuch für den Unter-
richt der Buchdrucker im Satzbau und Fachzeichnen' (Han-
nover, Carl Meyer) zusammengestellt. Das Kopieren von
Ornamenten und Umrahmungen, das Stilisieren, Platten-
schneiden und dergleichen »künstlerische« Scherze stellt er
fast ganz zurück. Baumann ist der Ansicht, daß ein Setzer
vor allem setzen, daß der Typograph sein typographisches
Material anwenden lernen soll. Ornamentale Wirkungen
hat er zu erzielen durch den Satz, nicht durch Zeichnungen,
Der Lehrgang ist mit klarer Systematik darauf angelegt,
den Schüler zur Selbständigkeit zu erziehen. Zur Selb-
ständigkeit innerhalb seines Faches. Nicht zu einem ent-
gleisten Künstler! Baumann stellt Aufgaben, 4—500 Auf-
gaben, wo eine sich aus der anderen folgerichtig entwickelt.
Seine Hinweise gibt er in knappen, treffenden Anmer-
kungen. Jede Betrachtung wird durch Beispiele begründet.
Und alle seine Beispiele sind ausgezeichnet. Das schlechte
Material — und wie viel gibt es — hat er von seinem
Werk fernzuhalten verstanden und so ein brauchbares, ge-
diegenes Lehrbuch geschaffen. o

□ Etwas anders ist die Physiognomie eines Buches von
dem Lehrer an der Berliner Buchbinder-Fachschule Paul
Karsten: Der exakte Bucheinband (Halle, Willi. Knapp).
Es war an der Zeit, daß das Bradesche Buchbinderbuch
ersetzt wurde. Kersten, ebenfalls ein Praktiker, schildert
bis ins einzelnste jeden Arbeitsvorgang. Kategorisch stellt
er seine Forderungen. Daß er zuverlässig ist, wird man
ihm auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit schon zu-
gestehen können. Zur Orientierung ist so ein umfassendes
Nachschlagewerk entstanden. Kersten doziert und pole-
misiert gern ein bißchen, und er hat so viel Wichtiges zu
sagen, daß man sich kaum getraut, eine eigene, viel we-
niger eine andere Meinung zu haben. Der Schüler und
Gehilfe, die sich bereits im Werkstattjargon auskennen,
werden seine Anweisungen leicht verstehen. Der Bücher-
freund wird gut tun, sich der Erläuterungen des Fach-
mannes zu bedienen. Ludwig Siitterlin, ein Kollege Ker-
stens, hat zu diesen technischen Ausführungen ein Schluß-
kapitel über den »Entwurf des Bucheinbandes geschrieben.
Siitterlin ist erklärter Gegner jedes Regelzwanges. Bei
aller Achtung vor den Fachkonventionen hütet er sich, ge-
flissentlich apodiktische Forderungen zu stellen. Er gibt
kluge Hinweise, warnt vor bösartigen Auswüchsen, ist
duldsam gegen jede Liebhaberei — nur nicht gegen die
Geschmacklosigkeit. Die Bildung des Geschmackes über-
haupt ist sein Rezept für den Buchbinder, das er klug und
überzeugend zu geben versteht. °
a Der Umgestaltung des Schreibunterichtes ist in Rad.
von Larisch ein temperamentvoller Verfechter erstanden.
Die ornamentale Schrift und ihre dekorativen Schönheits-
möglichkeiten sind der eigentliche Bereich seiner Leiden-
schaft. Sein Büchlein: Unterricht in ornamentaler Schrift

(Wien, K. K. Hof- und Staatsdruckerei) ist jetzt etwas ge-
ändert, etwas weniger radikal in zweiter Auflage erschienen.
Larisch lehrt, eine Schrift soll geschrieben werden. Alles
Buchstabenkonstruieren, alles Nachpinseln von Vorlagen,
alle äußerliche Korrektheit lehnt er ab. Jeder soll seinen
Duktus in seinem Schreibwerkzeug finden; vor der Indi-
vidualität des Schreibers hat er eine fast heilig zu nennende
Ehrfurcht. Daher ist seine Unterrichtsmethode in erster
Linie auf die künstlerische Persönlichkeit zugeschnitten.
Larisch ist ein Anreger großen Stiles, eine Agitatorennatur,
die es verstanden hat, die Aufmerksamkeit auf das Schrift-
problem zu lenken, und wo die Augen noch stumpf sind
gegen die dekorative Schönheit der Schriftzeichen, werden
diese Ausführungen als Weckruf gute Dienste tun. o

n Neben diesen Unterrichtsbüchern sei noch auf eine
Monographienserie verwiesen, die der Deutsche Buchgewerbe-
verein in Leipzig jetzt herausgibt. In dem ersten Bändchen
behandelt Aug. Kirschmann die alte Streitfrage »Antiqua
oder Fraktur". Er plädiert auf Grund eingehender Ver-
suche für die so formenschöne und bequem lesbare Fraktur.
»Farbenphotographie und Farbendruck« beschreibt E. Gold-
berg im zweiten Bändchen. Bestrebt, den Fachkreisen eine
leicht faßliche Analyse und eine einfache Begründung
der wissenschaftlichen und technischen Prozesse zu geben,
hält er sich frei von allen Spekulationen, zu denen die
Farbenphotographie ja auch noch nicht berechtigt. □

Paul Weslheim.

Königliche Kunstgewerbeschule mit Museum zu
Dresden. Erbaut 1903—1907 nach Plänen der Königl.
Bauleitung und der Architekten Lossow und Viehweger.
12 Tafeln mit Text und 11 Abbildungen, bearbeitet von
L. F. Karl Schmidt, Königl. Oberbaurat im Finanzmini-
sterium. Dresden 1909, Verlag von Gerhard Kühlmann.
Preis in Mappe 20 Mark. D

n Ein gewaltiger Bau ist da in Dresden erstanden, dessen
Leichtigkeit der Erscheinung, die sich trotz des enormen
Umfanges zu erkennen gibt, kaum ahnen läßt, welche
Summe künstlerischer und wirtschaftlicher Kräfte dabe auf-
gewendet und von starker Hand zusammengefaßt werden
mußten. Es ist noch erinnerlich, wie man im Landbauamt
die Grundrißpläne fertiggestellt und dann erst Architekten
zur Fassadengestaltung im Wege des öffentlichen Wett-
bewerbes gesucht hat. Die zeitliche und personelle
Trennung dieser beiden Arbeiten schien etwas gewagt
zu sein und dem Wesen einer künstlerischen, architek-
tonischen Schöpfung zu widersprechen. Es war deshalb
sehr erfreulich, daß aus dem Wettbewerb Architekten von
starker Individualität, Lossow und Viehweger, hervorgingen,
denen es gelang, rückwirkend auf die Grundrißgestaltung
Einfluß zu gewinnen und Grundriß und Schauseite zu
einem wirklich organischen Ganzen zu verschmelzen. Die
Lageplanung war wegen der bedingten, möglichst vorteil-
haften Ausnutzung aller Lichtquellen für die vielen Ateliers
und wegen der Berücksichtigung von so vielerlei Bedürf-
nissen ebenso schwierig, wie die Gestaltung der Außen-
erscheinung, die an die Formen des Dresdener Barocks,
wie sie im Brühischen Palais zum Ausdruck kommt, an-
zuknüpfen und dabei sowohl die Eigenart der Architekten
als besonders die Zweckbestimmung des Gebäudes zu be-
rücksichtigen hatte. Alles ist doch gut gelungen und
rechtfertigt durchaus die Herausgabe des vorliegenden
Sonderwerkes, das sowohl anderen Kunstgewerbeschulen
und Museen als auch den Stadtbauämtern und Architekten
ein gutes Beispiel bietet für die kraftvolle Bewältigung
einer so umfangreichen und vielseitigen Aufgabe. □
 
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