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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 21.1910

DOI Artikel:
Simons, Anna: Der staatliche Schrift-Kursus in Neubabelsberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.4873#0113

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104



DER SCHRIFTKURS IN NEUBABELSBERG







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Schreibgrundes beim Werdegang der Form eine be-
stimmende Rolle. Unsere heutigen Schriftformen,
Fraktur und Antiqua, stammen in gerader Linie von
der römischen Kapitalschrift, und ihre Abwandlung
hat sich wesentlich unter dem Einfluß der Feder voll-
zogen. Deshalb ist auch das Zeichnen statt des
Schreibens eines Buchstaben in sich etwas Sinn-
widriges. Ebenso unmöglich ist es, Schriftformen
zu schaffen, die den modernen Geist verkörpern, ohne
sich mit der alten Tradition und ihren Methoden ver-
traut zu machen. Man muß sie beherrschen, um die
in ihnen liegenden Möglichkeiten schöpferisch gestalten
und ausbauen zu können. Wer mit der Tradition bricht,
und etwas ganz willkürlich Neues ersinnt, bricht auch
mit der Kunst, und das was entsteht, ist vom Kunst-
standpunkt nicht höher zu werten, als etwa Esperanto
verglichen mit Goethescher Prosa. q

□ Als ein vorzügliches Mittel,
Auge und Hand auszubilden und
den Geschmack zu entwickeln,
hatte man das Schreiben der alten
Buchschriften zuerst in England
erkannt und unter dem Einfluß
und der Anregung von Morris,
Cobden-Sanderson und Professor
Lethaby wurde der Schreibunter-
richt zuerst an dem Royal Col-
lege of Art und den Londoner
Grafschaftsschulen, später allge-
mein eingeführt. Hier war es
Edward Johnson, der gestützt auf
ein umfassendes Studium der an-
tiken und mittelalterlichen Schreib-
kunst die alten Techniken zu
neuem Leben rief und sie und
ihre Formen im besten Sinne
modernisierte. □
d Auch das preußische Ministe-
rium für Handel und Gewerbe
erklärte in seinen gelegentlich der
Dresdener Ausstellung 1906 her-
ausgegebenen »Nachrichten über
die Preußischen Kunstgewerbe-
schulen« durch Geheimrat Muthe-
sius: »Das größte Gewicht wird
auf die Bildung des Geschmackes
gelegt. . . zu diesem Zwecke wird
der künstlerischen Schrift, die nach
den Gesichtspunkten der Flächen-
verteilung und der Abhängigkeit
vom Schreibmaterial gepflegt wird
und stets wirklich geschriebene
Schrift ist, eine immer größere
Bedeutung im Lehrplane zuge-
wiesen«. D

□ Um dies zu ermöglichen, hielt
das Ministerium seit 1905 Schrift-
kurse für Kunstgewerbeschul-
lehrer unter Leitung von Professor
Peter Behrens (in Zusammen-
arbeit mit Maler F. H. Ehmke

und Frl. A. Simons) in Düsseldorf ab. Peter Behrens,
der Führer der Schriftbewegung in Deutschland, ver-
bindet mit eingehender, historischer Kenntnis das schöp-
ferische Genie, welches aus und über dieselben hinaus
Formen schafft, die bewußt den modernen Geist atmen,
ohne ihre historische Abstammung zu verleugnen.
Auch dieses Jahr fand ein solcher Kursus unter seiner
Leitung und unter Assistenz von Frl. A. Simons, in
Neubabelsberg statt und es dürfte von Interesse sein,
nachstehend den Lehrgang im Einzelnen anzugeben.
□ Er begann mit Quellsfiftübungen, wie sie der
Schriftkünstler R. v. Larisch in Wien zuerst einführte;
sie wecken und entwickeln sehr schnell den Sinn für
harmonische Flächenwirkung und glückliche Raum-
verteilung. Um die Buchstabenform beherrschen zu
lernen, folgten Schreibübungen mit der breiten Calam
(orientalisches Rohr) Feder in Tinte und leichtflüssiger
 
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