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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 21.1910

DOI Artikel:
Hillig, Hugo: Der Kunstgewerbliche Arbeiter, [4]: der Dekorationsmaler
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https://doi.org/10.11588/diglit.4873#0135

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DER KUNSTGEWERBLICHE ARBEITER V.







zeichen darstellt, ist nicht zu dem Zwecke einer Ver-
wechslung eingebrannt worden. Wollte man den Verkauf
der erwähnten Porzellane verbieten, so würde das schließ-
lich zu der ganz unannehmbaren Konsequenz führen, daß
ein altes Künstlerzeichen von irgend einem modernen
Fabrikanten benutzt und (nach dessen Eintragung als
Warenzeichen) dazu verwendet wird, seine minderwertigen
Erzeugnisse gegen die Werke alter Meister insofern er-

folgreich auszuspielen, als die alten, wertvollen Sachen
nicht mehr verkauft werden könnten.■ D

o Diese Entscheidung des Reichsgerichts, an sich sehr
vernünftig, schließt natürlich eine Bestrafung nicht aus,
wenn Porzellane der erwähnten Art ausdrücklich als Meißner
Erzeugnisse beim Verkauf bezeichnet werden. Eine Ge-
fahr für das »Königliche Porzellan« besteht also nicht im
geringsten. (Urt. d. R.-G. v. 14. 3. 10.)



DER KUNSTGEWERBLICHE ARBEITER







IV. DER DEKORATIONSMALER

ZU den Gewerben, die von der Sliirevolution in ihren
Strudel gezogen worden sind, gehört auch die De-
korationsmalerei, oder wie man heute sagt, das
Malergewerbe. Das zeigt sich in der wirtschaft-
lichen Verfassung des ganzen Gewerbes in seinen Folgen,
natürlich aber auch in der sozialen Lage der Arbeiter im Beruf,
o Freilich hat sich beim Malergewerbe dieser Absturz
nicht wie in anderen Berufen darin kund getan, daß das
Gewerbe dem Verschwinden nahekommt, oder daß sich
eine deutliche Flucht aus dem Berufe vollzieht. Die letzte
Berufs- und Gewerbezählung hat sogar eine gegen früher
nur wenig verminderte, relativ aber nicht unbedeutende
Zunahme der Berufsangehörigen konstatieren können. Von
1875—1882 nahm die Zahl der Betriebe um 15 Proz., von
1S82—1895 um 29 Proz. und von 1895—1907 um 27 Proz.
zu. Die Zahl der Berufsangehörigen selbst nahm in einem
anderen Verhältnis zu: von 1875 —1S82 um 42 Proz., von
1882—1895 um 90 Proz., von 1895—1907 um 48 Proz. □
o Diese wenigen Zahlen beleuchten die Dekorations-
malerei als Gewerbe wenigstens soweit, als daß man in
ihnen die letzten kunstgewerblichen Jahrzehnte wie aus
einem Spiegel wiedersieht und wenn das Spiegelbild auch
etwas verschoben, wie verspätet, erscheint, so ist doch in
diesem Aufwallen des Zustroms zum Beruf eine so cha-
rakteristische Kennzeichnung der kunstgewerblichen Zeit
zwischen 1882 und 1895 zu finden, daß wir wohl oder übel
auf die charakteristische Stellung des Malergewerbes im
Reigen der kunstgewerblichen Berufe etwas näher eingehen
müssen. Aus ihr ergibt sich nämlich heute mehr denn je
auch die soziale Lage der Erwerbstätigen im Maler-
gewerbe. Mit einiger Verspätung spiegelt sich die Zeit
in solchen statistischen Zahlen ja stets und so wird sicher
die nächste Berufs- und Gewerbezählung, wenn die Ver-
hältnisse vielleicht — und hoffentlich wieder ein anderes
Gesicht zeigen, auch geringere Zahlen bringen. °

o Jene Periode, in der die Zahl der Berufsangehörigen
fast um das Doppelle steigen konnte, war eben die goldene
Zeit der Dekorationsmalerei, und wer diese Zeit kennt,
der weiß, wie sehr nötig und unentbehrlich damals der
Dekorationsmaler gewesen ist. Und heute? Wie wenig
ist er heute in der Innenarchitektur nötig, wie ist er auf
die Seite geschoben worden von den Gegenfüßlern der
Maler, den Architekten, die mit der weißen Farbe ihre
künstlerischen Triumphe feiern. Nun stehen die Tausende

und Abertausende da und wollen leben; aus der flutenden
kunstgewerblichen Produktion aber sind sie so gut wie
ausgeschlossen. o

n Das wäre nicht zu ertragen gewesen, wenn nicht die
Umstände, die die Anschwellung des Malergewerbes be-
günstigten, eine Ablenkung der Not gewährt hätten; die
industrielle Entwicklung, die durch die Zusammenballuiig
der Bevölkerung auch die rationelle Massenwohnung in
der Mietskaserne schuf. Hier und in den industriellen Be-
trieben, in den anwachsenden öffentlichen Verkehrsanlagen
fand das Malergewerbe einen Unterstand, denn die tech-
nisch notwendigen Anstriche nährten wohl ihren Mann
und das Baumalergewerbe fand sich auch so und so zu-
recht. Die alte Tradition der Dekorationsmalerei ging hier
verloren — aus den Malermeistern wurden >Anstreicher-
geschäfte« mit kapitalistischem Betrieb; aber der Name
blieb und der »Maler« strich, um seines Lebens Notdurft
halber, eiserne Brücken und Signalmasten und Hausfassaden.
Von der Industrialisierung der Tischlerei her, von den
Möbelfabriken kam ein neuer Zweig, die Möbellackiererei,
während zu gleicher Zeit die Blechlackiererei von der
Emailleindustrie abgelöst wurde. Und als es so weit war,
da wurden die Tapeten so billig als Ware und Massen-
artikel in das Land geworfen, daß der Maler vor diesem
warenmäßig erzeugten, auf Vorrat gearbeiteten »maschi-
nellen Wandanstrich < die Segel streichen, ja, daß er sogar,
auch um das Leben zu fristen, diesen industriemäßig er-
zeugten Wandanstrich an die Wand kleben mußte, damit
er nicht ganz ausgeschaltet werde. Und was ihm ur-
sprünglich eigen gewesen war, die schablonierte Wand,
die sank zum Schmuck der ganz armen Leute herab, ward
die billigste Art, eine Wohnung zu schmücken. Und bei
dieser billigen Arbeit ging es immer tiefer, auch in wirt-
schaftlicher Beziehung mit dem Malergewerbe bergab. In
den Branchen, die mit Malern geschäftlich hantieren, heißt
es ziemlich allgemein: Maler sind Prahler, aber schlechte
Bezahler! □

d So muß es verständlich erscheinen, daß ein Gewerbe,
das auf diese Bahn gerät, auch intellektuell niedergleiten
muß. Der Nachwuchs ward kaum ausgewählt, denn nach
ihm stand rege Nachfrage in den goldenen Jahren der
Dekorationsmalerei. Aber in diesen goldenen Jahren ward
dieser wahllos zusammengewürfelte Nachwuchs auch noch
ungenügend ausgebildet, denn man »nahm Lehrlinge an«,
stellte« sie ein, »man hielt sich Lehrlinge« — nur weil
man eben Arbeitskräfte brauchte. a
 
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