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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 21.1910

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Schmidkunz, Hans: Innenkunst und Graphik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4873#0141

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INNENKUNST UND GRAPHIK

Von Dr. Hans Schmidkunz, Berlin-Halensee

DIE verschiedenen bildenden Künste stehen mit-
einander in einer solchen Lebensgemeinschaft, daß
ihre speziellen Vertreter in der ausübenden täg-
lichen Praxis fortwährend in die Lage kommen
können, sich auf ihrem spezifischen Kunstgebiete mit an-
deren solchen Gebieten zu berühren. Insbesondere gehört
es zum Wesen des modernen Interesses für -Interieur-«
und Raumkunst , die Einzelkiinste aus ihrer isolierten Be-
handlung in der vorangehenden Zeit herauszuheben, sie
»aufeinander zu stimmen« und sie zu gemeinsamer Wirkung
zusammenzufassen. °

□ Wer daran beteiligt ist, bedarf also einer wenigstens
allgemein überschauenden Kenntnis der Nachbargebiete
und bedarf dieser Kenntnis auch dann, wenn er gleich uns
die vielen Übertreibungen bedauert, mit welchen jenes
richtige Inlerieurprinzip oft angewendet wird. Sowohl das
unterordnende Zusammenfassen, wie auch das die Eigen-
arten schonende Behüten vor Verderb durch Unselbständig-
keit verlangt schon vor allem weiteren einen Überblick
über die tatsächlich in Betracht kommenden Materialien.
d Sodann aber gibt es, auch abgesehen von solchen
Künsten der Zusammenfassung und selbst bei isoliertester
Behandlung der Einzelkünste, in keiner von diesen eine
zureichende Ausbildung ohne eine gewisse Vertrautheit
einerseits mit Künstlerischem überhaupt und andererseits
mit den Eigenarten aller oder wenigstens der nächst-
benachbarten Künste. Diese Eigenarten zu vernachlässigen,
ist eine der bedauernswertesten künstlerischen Minder-
wertigkeiten und erschöpft sich natürlich keineswegs in so
krassen Beispielen, wie, daß etwa jemand eine Tapete in
Miniaturmanier bedrucken oder ein Buch im Wandgemälde-
stil schmücken möchte. Andererseits aber bleibt auch weit
mehr Gemeinsames übrig, als man nach jenem Umstand
annehmen möchte; und gerade die Spezialisierung des Ge-
meinsamen in die einzelnen Kunstzweige hinein läßt seine
Fülle erst so recht verstehen. □

n Am deutlichsten wird dies wohl bei einer Beschäftigung,
die keinem auch noch so spezialistischen Mitarbeiter an
den Künsten erlassen werden kann: bei der Beschäftigung
mit Kunstgeschichte und zumal Stilgeschichte. Wie könnte
jemand in den Sinn eines gotischen oder eines Empire-
stiles eindringen, wenn er ihn etwa nur von der Behang-
kunst oder nur von der Buchkunst usw. aus kennen lernte!
Ob nun Tapezierer oder Bildhauer oder Schreiner oder
Graveur: einer allgemeinen Kunstbildung und Kunstfort-
bildung bedürfen sie ebenso in zunächst gleicher Weise,
wie sie alle zu ihrer Ausbildung vorerst des gleichen und
gemeinsamen Zeichnens, Naturkennens und dergleichen
mehr bedürfen. o

d Wir greifen heute einen besonderen Fall der unver-
meidlichen Beziehung zwischen zwei Künsten heraus und
fragen, wie weit dem Interieurmanne, dem intim Raum-
schaffenden, dem Innenkünstler dasjenige Feld von Wert
sein kann, das am einfachsten »Graphik« benannt wird
und je nach Nuancierung auch unter Namen erscheint,
wie: graphische, zeichnende, reproduzierende, verviel-
fältigende Künste, oder Bilddruck, Kunstdruck — während
allerdings jeder von diesen Ausdrücken etwas zu eng
oder zu weit oder zu einseitig ist für das, was man je-
weils meint. o
o »Graphik« oder »graphische Künste« kann auch die
Malerei und muß jedenfalls die Handzeichnung einschließen ;
dagegen reicht das Reproduzieren« oder »Vervielfältigen«
auch in das Gesamtgebiet dessen hinein, was als »Photo-
graphie« samt all ihren kaum übersehbaren Anwendungen
dem eigentlich Künstlerischen zur Seite geht und zu Hilfe
kommt, ohne selbst als Kunst auftreten zu können. (Eine

gute Übersicht über diese Dinge, mit Beschränkung auf
die neueste Zeit, gab Bruno Meyer: »Die bildenden und
reproduzierenden Künste im 19. Jahrhundert.« I. Berlin
1901, S. Cronbach). a

u Selbstverständlich ist hier keine Theorie, nicht einmal
eine Übersicht über das fragliche Gebiet zu entrollen. Ge-
meint sind alle »Kunstblätter«, also zumal Abdrücke auf
Papier von irgend welchen Platten, auf die der Künstler
mittels irgend eines Verfahrens seine graphische Leistung
gebracht hat. □

d Entweder wird diese vertieft eingezeichnet und dann
die geschwärzte Platte mit dem Papiere zum Abdrucke
zwischen zwei Walzen durchgezogen: dies ergibt durch
Tiefschnitt den Tief druck mittels Kupferdruckpresse, also
für Kupferstich, Radierung usw. Oder es wird die Zeich-
nung flach aufgetragen und dann die Platte usw. unter
einem festen Reiber durchgezogen: Flachdruck mit Stein-
druckpresse, für Lithographie. Oder endlich, es wird die
Zeichnung erhaben geschnitten in Relief und dann die
Platte usw. in fester Lagerung von der Buchdruckpresse
behandelt: Hochschnitt und Hochdruck, also für Holz-
schnitt u. dgl. m. a
o Wie auf Papier, so kann der Abdruck auch auf andere
Stoffe, zumal auf textile, gemacht werden. Dann aber
handelt es sich gewöhnlich nicht um Einzelblätter, sondern
vielmehr um eine mehrfache Wiederholung eines Musters
auf größerer Fläche. Damit kommen wir zum Zeugdruck
und kehren durch den Tapetendruck auch wieder zum
Papiere zurück. Natürlich muß hier die künstlerische
Leistung, d. h. die Modellzeichnung, ebenso ins Gröbere
gehen, wie dort ins Feinere, da ja hier mit stärkerer
Abnützung und zugleich mit größerer Fernwirkung zu
rechnen ist. o
d Technik und Geschichte dieser für die Welt der Tapete
grundlegenden Sache gehören nicht mehr hierher. Doch
sei kurz aufmerksam gemacht, daß die abzudruckende
Zeichnung in Hochschnitt oder auch in Tiefschnitt ange-
bracht sein kann, und zwar auf einem Holzblock oder auf
einer Platte oder auf einer Walze und je nach Bedarf auf
mehreren Walzen. Dabei geht die Entwicklung vom ein-
fachsten Holzblock zur kompliziertesten modernen Walzen-
druckmaschine (deren erste Erfindung Ende des 17. Jahr-
hunderts geschah) und beginnt begreiflicherweise mit
Hochschnitt, während jetzt wohl Tiefschnitt überwiegt. □
n Wie sich das historisch entfaltet hat, mit orientalischem
Ursprung und mit Übergang nach Europa im Mittelalter;
wie es dann der Papiertapete zugute kommt, die seit dem
18. Jahrhundert beliebt, doch schon seit dem 15. Jahr-
hundert bekannt ist: das verbleibt einem Spezialinteresse.
Reichliche Materialien bietet dar das Buch eines Straß-
burger Sammlers: Dr. R. Forrer, Die Kunst des Zeugdrucks
vom Mittelalter bis zur Empirezeit (Straßburg 1898). Die
Verwertbarkeit dieser Veröffentlichung auch für die Praxis
des modernen Kunstgewerbes, einschließlich der Tapeten-
industrie, ist wohl leicht zu erkennen. n
□ Kehren wir zum eigentlichen Bilddruck und Kunstblatt
zurück, so läßt sich bald sehen, daß er für unser Thema
auf mannigfaltige Weise in Betracht kommt. Vor allem
gibt es kaum eine Gattung der Kunst, die so bequem und
fruchtbar einerseits in sie selbst und andererseits in die
Kunstwelt überhaupt eindringen läßt, wie eben diese. Sind
Werke der übrigen Künste stets nur mit viel Aufwand von
Geld, Zeit, Raum usw. und selbst dann auch nur in sehr
beschränkter Anzahl zusammenzubringen, so erlauben hier
weit geringere Mittel einen viel ausgedehnteren Überblick
über unvergleichlich zahlreichere Kunstwerke, zumal wenn
auf der einen Seite die künstlerische Handzeichnung und
 
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