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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Praktische Fragen - Sprechsaal für die Leser
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0055

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PRAKTISCHE FRAGEN □ SPRECHSAAL FÜR DIE LESER


SPRECHSAAL FÜR DIE LESER
n »Auf dem Wege zur bürgerlichen Kultur«. Ein Charlotten-
burger Künstler schreibt uns: »ln Ihrem Leitartikel in Heft 1 dieser
Zeitschrift haben Sie es als ein wichtiges Zeichen, daß wir uns auf
dem Wege zu einer bürgerlichen Kultur befänden, bezeichnet, daß
die ,Städte erwacht1 seien. Zu diesen erwachten oder erwachenden
Städten gehört jetzt auch unser Charlottenburg. Man hat gerade
unserer Stadt oft den Vorwurf gemacht, daß im Straßenbilde sich
jeder vor dem Nachbarn mit der kaum noch zu überbietenden und
dennoch immer wieder überbotenen Protzigkeit der Fassade seines
Hauses hervordränge. ,Lustige Abwechslung1 nannte man das vor
zwanzig Jahren noch, was uns jetzt als tollstes Durch- und Gegen-
einander so widerwärtig erscheint. Aus diesen Unsummen von Ge-
schmacklosigkeit einen ,Generalnenner zu finden, in dem jeder Ein-
zelne nicht nur körperlich, sondern auch ästhetisch und wirtschaftlich
restlos aufgehen könne1, das würde selbst dem größten Optimisten
unmöglich bleiben. Sie haben deshalb ganz Recht, daß man an den
neutralen Plätzen beginnen solle, den Willen der Allgemeinheit zur
Geltung zu bringen. Man könnte auch, wie wir es z. B. in Char-
lottenburg versuchen wollen, von den wichtigsten und bedeutendsten
öffentlichen Bauten ausgehen, und alle in deren Umgebung ent-
stehende Neubauten und Änderungen einer strengen baupolizeilichen
Kontrolle unterstellen. Nach unserem neuen Charlottenburger Orts-
statut gegen Verunstaltung kann die baupolizeiliche Genehmigung
von Neubauten und Änderungen in der Nähe von, zunächst acht,

offiziellen Gebäuden versagt werden, wenn deren
Eigenart und der Eindruck, den sie hervorrufen,
durch die Bauausführung beeinträchtigt werden
würde. Ferner wollen wir auf Grund des neuen
Ortsstatuts unsere Hauptplätze gegen Verunstal-
tung schützen, indem wir verlangen, daß die neue
bauliche Herstellung, unbeschadet ihrer künstleri-
schen Selbständigkeit, sich dem Gesamtbilde der
Straße oder des Platzes einordne. Schließlich sind
in dem neuen Statut eine Anzahl von Straßen-
zügen benannt, in denen verunstaltende Neu-
bauten zunächst verboten sein sollen. o
□ Sie haben diesen lobenswerten neuen ,Sprech-
saal1 allerdings mehr für praktische Fragen be-
stimmt, so daß ich um Entschuldigung bitten
muß, daß ich hier ästhetische Fragen anschneide;
als ich jedoch Ihren Leitartikel in Heft 1 las, dachte
ich, daß hier vielleicht durch Aussprache unter
Ihren Lesern interessante Aufschlüsse darüber ge-
geben werden könnten, wie in den verschiedenen
Orten der Angriff der städtebaulichen Verunstal-
tung gefaßt wird. □

O □ □
□ Die Zwangsvollstreckung in unvollen-
dete Werke: Einem jungen Künstler in M.
war ein in Arbeit befindlicher goldener Pokal
durch den Gerichtsvollzieher im Aufträge eines
persönlichen Gläubigers gepfändet worden. Er
wandte sich in seiner Not an uns mit der Frage,
ob denn diese Pfändung zu Recht bestehe; er
habe geglaubt, daß künstlerische Vorarbeiten
nicht gepfändet werden dürften. Diese Ansicht
war wohl richtig, doch sind solchen Vorarbeiten
nach § 14 des neuen Kunstschutzgesetzes nur
Skizzen, Entwürfe zuzurechnen, deren der Künst-
ler zur persönlichen Fortsetzung seiner Erwerbs-
tätigkeit unbedingt bedarf. Hat der Künstler das
Werk aber schon angefangen und sind darin Ver-
mögenswerte, in diesem Falle das Gold als Ma-
terial, invasiert, so ist das Werk, selbst wenn
es unfertig ist, pfändbar. Die Gesetzgeber waren
wohl zu dieser harten Maßregel verpflichtet, weil
sehr schwer festzustellen wäre, wann ein Werk
als fertig zu gelten habe. — Selbstverständlich
ist bei dem vorher erwähnten Pokal nur der
Materialwert,
nicht aberdasUr-
heberrecht mit
gepfändet wor-
den. Der Gläu-
bigerwar in die-
sem Falle übri-
gens vernünftig
genug, sich mit
dem Künstler
über die Voll-
endung des Wer-
kes durch diesen
zu verständigen.
Anderenfalls hät-
te er den Pokal
nur einschmel-
zen, niemals aber
ihn von einem
anderen Künstler
ausführen lassen
dürfen. □ Friedrich Feiger-Stuttgart, Vorsatz
 
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