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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Lange, Konrad: Die Stuttgarter Glasperlenausstellung
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Praktische Fragen - Sprechsaal für die Leser
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0075

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68

PRAKTISCHE FRAGEN □ SPRECHSAAL FÜR DIE LESER

besonders auf zarte gebrochene Farben und einheitliche
harmonische Gesamtwirkung Wert legen. Die Farbe
ist das Lebenselement der Perlenstickerei. Gerade weil
sie unverwüstlich ist, sollte ihre Auswahl besonders vor-
sichtig geschehen. Wir haben in dieser Beziehung und in
Beziehung auf stilvolle Muster sehr gute Beispiele in der
Ausstellung. Ich nenne nur, abgesehen von den schon
genannten, die Arbeiten von Fia Wille-Berlin, Margarethe
Schleifer-München, Lilli Rommel und Emma Mohr-Stutt-
gart, Antonie Nagel-Magdeburg, Rosa Maier-Ulm, Elise
Havemann-Grabow in Mecklenburg, Mimi Schmidt-Offen-
bach, Marie Skutsch-Charlottenburg, Hanna Völcker-Wies-
baden usw. Dagegen zeigen die Wiener Arbeiten, obwohl
sie sonst originell und temperamentvoll sind, in der Farbe
hie und da einen unfeinen Geschmack. Die großen Steine
in den Blumenkörben, die Blumen darstellen sollen, fallen
mit ihren grellen Farben aus dem Ensemble heraus. □
o Was die Form des Ornaments betrifft, so gelten für
die Perlenstickerei dieselben Gesetze wie für das Mosaik
oder die Glasmalerei. Ein Wetteifer mit der Malerei in
der Erzeugung des plastischen Scheins ist unter allen Um-
ständen zu vermeiden (s. oben S. 61). Man soll nichts
darstellen wollen, was man mit der angewandten Technik
nicht genügend zur Wirkung bringen kann. Es verdient
rühmend hervorgehoben zu werden, daß die moderne künst-
lerische Perlenstickerei sich im ganzen vor solchen Ver-
stößen zu hüten weiß. In dieser Beziehung sind die besse-
ren Arbeiten der Biedermeierzeit, wie z. B. die Geldtäsch-
chen aus dem Kunstgewerbemuseum von Schwäbisch-Gmiind
und aus Stuttgarter Privatbesitz (Abbildungen S. 62) vor-
bildlich. Wie vorsichtig man mit der Nachahmung natürlicher
Gegenstände sein muß, zeigt ein Halsschmuck von Pastor
und Sturm, auf dem Orangekübel in reihenweiser Wieder-
holung angebracht sind, natürlich mit den Kübeln nach
unten, obwohl es sich um ein hängendes, nicht um ein
aufsteigendes Ornament handelt. □
□ Auffallend ist es, daß in Lampenschirmen, die doch ein

sehr geeignetes Objekt bilden, so wenig geleistet wird,
und daß die ausgestellten ganzen Kleider durchweg so
schwach sind. o
□ Nach allem wird man wohl sagen dürfen, daß das ur-
eigenste Gebiet der Perle der bewegliche Schmuck ist.
Hier liegt, wie ich glaube, die Zukunft dieser Technik.
Der Perlenschmuck ist berufen, den billigen Messingschmuck
und die neuerdings überhandnehmenden Surrogatstoffe der
Edelmetalle zu verdrängen. Wer nicht in der pekuniären
Lage ist, sich echte Perlen, Edelsteine oder Goldschmuck
zu kaufen, der sollte immer zuerst zur Glasperle greifen,
und zwar zu der Perle, die sich ganz offen als solche gibt.
□ Soll dieser Erfolg eintreten, so müssen sich freilich die
Kosten des Glasperlenschmucks innerhalb gewisser Grenzen
hallen. Ein Preis von 100—200 Mark für ein Halsgehänge,
wie er unter den modernen Arbeiten mehrfach vorkommt,
ist ein Phantasiepreis. Wer so viel anlegen kann, nimmt
lieber Gold oder Silber. Dazu kommt, daß so teure Preise
meist eine übertriebene Verkleinerung der Perlen voraus-
setzen. Arbeiten von Perlen normaler Größe wie die von
Fia Wille kosten nicht mehr als 10—30 Mark. Die über-
triebene Kostspieligkeit wird immer mit einer gewissen Stil-
Iosigkeit verbunden sein. o
□ Sehr erfreulich ist es, daß die Frauenarbeitsschulen dieser
Technik neuerdings besondere Aufmerksamkeit widmen.
Die von Cannstatt, Halle, Heilbronn, Karlsruhe, Stuttgart
und Ulm haben neben weniger guten auch recht gute
Arbeiten ausgestellt. Zuweilen herrscht in der Farbe eine
gewisse Ängstlichkeit. Harmonie wird nicht nur durch
negative Eigenschaften, daß heißt durch die Vermeidung
kräftiger Farben erreicht. Es kommt darauf an, daß die
Töne sich gegenseitig heben und doch gut Zusammen-
gehen. □
□ Im ganzen hat man von der Ausstellung den Eindruck,
daß die Kunst der Perlenstickerei auf dem Wege zu einer
gesunden Entwickelung ist. Möchte sie auch im Publikum
immer mehr Freunde finden! a

PRAKTISCHE FRAGEN i SPRECHSAAL FÜR DIE LESER

u Das absichtliche Verhämmern von Metallgeräten,
als Charakteristikum von Handarbeit! Seit ein paar
Jahren kann man in Geschäften, welche kunstgewerbliche
Metallarbeiten führen, beobachten, daß Bowlen, Kaffee-
und Teeservice, Aschenbecher, Schalen, Leuchter usw., so-
weit sie aus Blech gefertigt, mit rohen Hammerschlägen
überzogen sind; wohl zur Vortäuschung handwerklicher
Herkunft! Ei der Teufel! lacht da nicht jeder Handwerker?
Wohl weiß er, daß er seine Geräte und Gefäße aus einem
Stück Blech hämmert und dehnt, bis sie ihre Form er-
halten, aber dann sucht er sie auch zum Schluß so glatt
und schön zu schlagen als möglich; aber absichtlich
Hammerschläge stehen zu lassen, dieser Unsinn wäre ihm
wohl nie eingefallen! Er war ausgerechnet unserer heu-
tigen Kunstindustrie Vorbehalten, welche ihre Formen erst
fein säuberlich mit der Maschine drückt oder preßt und
dann mit dem handwerklichen Hammerschlag zu »veredeln«
sucht! Ich wollte dem Grunde dieses Unsinns nachspüren
bei den Fabrikanten und meinte, daß der glatte Glanz des
Metalls, wie er aus der Maschine kommt, doch schöner
sei; aber es wurde mir bedeutet, daß »glatt« auf der
Leipziger Messe von den Händlern nicht gekauft würde,
sondern nur »Hammerschlag«, und das »Publikum« diesen
wünschte! Punktum! Darf ich mir vielleicht die Frage

erlauben, wer diesen »handwerklichen Hammerschlag«: auf
dem Gewissen hat? Das Publikum, der Künstler, der
Fabrikant oder der Händler? g. Groß, Dresden
□ □ □ □ □
n Die Einzelkopie zum persönlichen Gebrauch.
Darf sich der Käufer eines vom Künstler gekauften, hand-
werklich hergestellten Kelches von einer dritten Person
eine Kopie anfertigen und diese mit dem Namen des ersten
Urhebers versehen lassen? □
□ Antwort: Nach § 18 des Kunstschutzgesetzes ist die An-
fertigung einer Einzelkopie zum eigenen Gebrauch gestattet,
wenn sie unentgeltlich bewirkt wird. Man darf sich dabei
menschlicher Hilfsarbeit und mechanischer Hilfskräfte und
Vorrichtungen bedienen, sofern dafür keine Entschädigung
gezahlt wird. Das kann ohne Erlaubnis des Urhebers ge-
schehen. Die Einzelkopie darf aber nicht mit dem Namen
des Urhebers oder des Nachbildners versehen werden,
sondern die Inschrift dürfte höchstens lauten »Kopie von
. . . nach . . .« Die Kopie darf nicht verkauft, verbreitet
oder öffentlich zur Schau gestellt oder mit einem Lichtbild-
apparat gewerbsmäßig vorgeführt werden. Andernfalls
unterliegt die Kopie der Beschlagnahme und Vernichtung.
(§§ 15, 31 ff, 37.)
 
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