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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Buschmann, Johannes: Dilettantische Wirtschaftsreformer, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0082

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ARBEITEN VON ALFONS UNGERER
75


Alfons Urigerer, Silberne Kettenanhänger mit Edelsteinen, entworfen und ausgeführt im Hause V. Hillmer, Berlin

zieht sich nach anderen, wesentlich strengeren Regeln als
im Kleinverkehr, bei dem allerhand subjektive Momente
hineinspielen. Herr Pudor geht ahnungslos lächelnd an
all diesen Schwierigkeiten, mit denen die Wissenschaft
noch heute kämpft, vorüber. Wieder ein Paragraph —
damit zwingt er die wirtschaftlichen Kräfte in sein Schema1).
Daß es technisch so gut wie unmöglich wäre, die tatsäch-
liche Preisforderung in jedem Falle (Exportverkehr!) auf
ihre Übereinstimmung mit dem Normalsatz zu kontrollieren,
sei nur nebenbei bemerkt. Auch über die Konsequenzen
macht Pudor sich keinerlei Gedanken. Preisregulierung
bedeutet nämlich auch Produktionsregulierung. Sollen alle
Gewerbe zwangsweise kartelliert werden? Und wenn wir
einmal den gesetzlichen Normalpreis haben, dann muß
naturnotwendig der Normalarbeitslohn folgen, nicht nur
für den Handarbeiter, sondern auch für den Unternehmer.
Was fehlt dann eigentlich noch zum sozialistischen Zu-
kunftsstaat? o
□ Am naivsten ist freilich der Gedanke vom Normal-
exportpreis. Will man den Export überhaupt, so muß
man sich jedenfalls den Konkurrenzverhältnissen auf dem
betreffenden Auslandsmärkte anpassen. Die Berufung auf
heimische Wettbewerbsparagraphen wird verzweifelt wenig
nützen. Gehörte Pudor zu den grundsätzlichen Gegnern
des Ausfuhrhandels, so könnte man ihn vielleicht begreifen.
Aber er will im Gegenteil eine Exportförderung großen
Stils und er gibt da, wo er seine Ansichten über die
Mittel und Wege dazu auseinandersetzt, noch einmal einen
Beleg für seine groteske Urteilslosigkeit in wirtschaftlichen
Dingen. Nämlich er schlägt vor: hohe Zölle auf alle
Fabrikateinfuhr und Ausfuhrprämien für den Fabrikatexport.
Das finanzielle Ergebnis dieser Wirtschaftspolitik möchte

1) Wenn heute für bestimmte typische Normalleistungen
durch freiwilliges Übereinkommen der Beteiligten oder
auch nur durch den Brauch Normalpreise eingeführt wer-
den — also etwa für Rasieren, Haareschneiden — so kann
das doch nicht in Vergleich gestellt werden mit der Waren-
preisbildung im freien Verkehr. Und noch viel weniger
kann das bei der einseitigen Preisnormierung innerhalb
des Postmonopols geschehen.

ich sehen. Ganz davon zu schweigen, daß das Ausland
sich die famose Kombination natürlich nicht acht Tage
gefallen lassen, sondern mit schärfsten Repressalien darauf
antworten würde Und zwar mit Recht! □
□ Damit mag es genug sein. Es ist bedauerlich, daß
Pudor seine unsinnigen Reformideen dadurch zu einiger
Bedeutung bringen konnte, daß er eine Reihe angesehener
Namen mit ihnen in Verbindung bringen durfte. Der Fall
ist allerdings typisch und ein neues Beipiel jenes krassen
Dilettantentums, das an allen Ecken unseres Wirtschafts-
lebens herumzudoktern sucht und dabei noch nicht einmal
die Elemente der ökonomischen Praxis beherrscht. Diese
Dilettanten diskreditieren jede gesunde Entwicklung, deren
sie sich annehmen, und wäre die »deutsche Qualitätsarbeit«
nicht schon längst in guten Händen, wahrlich, man könnte
angesichts der Pudorschen Bemühungen besorgt um sie
werden. □
* *
□ Herr Dr. Pudor beschäftigt sich in Nr. 19 der »Volks-
wirtschaftlichen Blätter« mit der Besprechung, die ich seiner
Broschüre »Deutsche Qualitätsarbeit« bereits an anderer
Stelle habe zuteil werden lassen. Auf den sachlichen
Kern meiner kritischen Auseinandersetzungen mit ihm
geht er nicht ein, sondern löst einige Bemerkungen aus
dem Zusammenhang heraus, um mir an ihnen sachliche
»Irrtümer« nachzuweisen. Es sei mir deshalb gestattet,
seine »Erwiderung« meinerseits mit einigen Richtigstellungen
zu beantworten. □
□ 1. Herr Pudor nimmt für sich die Priorität des Ge-
dankens, daß es nützlicher sei, die wirtschaftliche Konkurrenz
nicht durch Herabsetzung des Preises, sondern durch quali-
tative Veredelung der Arbeit zu bestehen, in Anspruch und
verlangt von mir den Beweis des Gegenteils. Nun, Männer
der Tat auf diesem Gebiet waren, um nur zwei Beispiele
zu nennen, die auch Herr Dr. Pudor nicht übersehen
durfte, Werner Siemens (vgl. Ehrenberg, Die Unterneh-
mungen der Brüder Siemens) und Alfred Krupp (vgl.
Ehrenberg, Kruppstudien III im Archiv für exakte Wirt-
schaftsforschung, 3. Band, Heft 1). Herr Pudor übersieht
auch ganz, daß schon seit Jahrzehnten und lange vor ihm
 
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