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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Buschmann, Johannes: Dilettantische Wirtschaftsreformer, [2]
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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0083

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

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im engeren lokalen Kreise führende Männer auf das Ge-
werbe im Sinne der qualitativen Veredelung der Produkte
einwirkten, z. B. in München die Brüder Seidl. Einzel-
heiten darüber zu sagen, würde zu weit führen. Ich werde
darüber demnächst an anderer Stelle eingehend berichten.
Von Männern des Worts fallen Pudor jetzt auch mit einem
Male drei, Ruskin, Morris und Semper ein. Er hätte auch
noch Carlyle nennen dürfen und vor allen Dingen den für
unsere deutschen Verhältnisse so bedeutsam gewordenen
Mahner Reuleaux nicht vergessen dürfen. Die »Briefe aus
Philadelphia« vom Jahre 1876 enthalten bereits das ganze
»Programm« Dr. Pudors in konzentrierter Form. Was
Herrn Dr. Pudor berechtigt, das Zitat einiger Äußerungen,
die Muthesius und Friedrich Naumann im Jahre 1908 auf
der Werkbundtagung zu München gemacht haben, mit der
Bemerkung zu begleiten: »Diese Auslassungen sind durch
die Abhandlung des Verfassers „Die Berliner Weltaus-
stellung“ angeregt worden« (Seite 2 der Broschüre), weiß
ich nicht. Es ist eher anzunehmen, daß, soweit nicht
eigenes Nachdenken die Äußerung veranlaßt hat, Carlyle,
Ruskin, Morris, Semper, Reuleaux die befruchtenden An-
regungen gegeben haben als Herr Dr. Pudor. Aber schließ-
lich hätten sich darüber Muthesius und Naumann selber
mit ihm auseinanderzusetzen. n
□ 2. Herr Dr. Pudor behauptet, er hätte die von mir
zitierte Äußerung: »In Prozeßfällen haben Sachverständige
zugegeben, daß Qualitätsunterschiede von 10—20°/0 bei
vielen Waren nicht sicher nachweisbar sind. Erst beim
Gebrauch stellt sich die Minderwertigkeit heraus«, nicht
getan. Dann kennt Herr Pudor seine eigene Broschüre
nicht. Vielleicht schlägt er Seite 58 mal nach, dort wird
er auf Zeile 9 von oben die zitierte Äußerung finden. □
n 3. Herr Dr. Pudor weiß nicht, daß »Absperren« und
»Furnieren« nicht miteinander identisch sind. Er holt
sich darüber vielleicht gelegentlich bei einem guten Tischler
Aufklärung. »Abgesperrte« Möbel werden zwar stets fur-
niert sein, nicht aber sind furnierte Möbel auch stets
»abgesperrt«. Die Technik des »Absperrens« ist tatsäch-

lich verhältnismäßig jungen Datums und bedeutet eine
wesentliche Steigerung der technischen Qualität. □
a 4. Herr Dr. Pudor ist entrüstet darüber, daß ich schrieb:
»Es ist der Zug nach dem Billigen, der dem großen Publi-
kum eingeboren ist und der — man darf das ruhig einmal
aussprechen — einem natürlichen Interesse des Verbrau-
chers entspricht.« Pudor unterschlägt aber den unmittelbar
anschließenden Satz, der lautet: »Es ist eben nur fraglich,
ob er dieses Interesse gerade auf diesem Wege (nämlich
Kauf von schlechten Surrogaten) richtig befriedigt«. Im
übrigen kann es doch wohl keinem Zweifel unterliegen,
daß der Verbraucher in der Tat ein »natürliches Interesse«
daran hat, mit einem möglichst geringen Aufwand an
Opfern eine möglichst große Gegenleistung einzuhandeln.
Und das bedeutet doch der »Zug nach dem Billigen«. □
□ 5. Bezüglich meiner Kritik der von Pudor angestrebten
staatlich regulierten Materialkontrolle und der gesetzlich
festgelegten Minimal- und Maximalpreise muß ich auf
meine obigen ausführlichen Darlegungen verweisen. Herr
Dr. Pudor hat nicht verstanden, daß ich mich nicht gegen
freie Kartellvereinbarungen wende, sondern gegen seine
staatssozialistischen Utopien, die übrigens von ihm noch
nicht einmal folgerichtig zu Ende gedacht sind. □
□ 6. Auch meine Ausführungen über das Verhältnis des
höheren Wertes künstlerisch veredelter Waren und des
Wertes der darauf verwandten Arbeit versteht Herr Pudor
nicht. Es ist m. E. eine völlige Umkehrung der Kausal-
zusammenhänge, wenn er von dem Produkt, das doch
erst durch die Häufung von Arbeit (Handarbeit, Künstler-
arbeit, Unternehmerarbeit, Kaufmannsarbeit) auf eine ge-
gebene Rohstoffmenge entsteht, rückwärts auf diese Arbeit
schließt. Der höhere Wert des Produkts, den er als das
Primäre annimmt, könnte doch nicht entstehen, wenn sich
nicht zur Schaffung höher bewerteter Qualitäten befähigte
und dämm höher entlohnte Arbeitskräfte an dem Produkt
betätigt hätten. Die Arbeitskräfte, welche Rohglas her-
stellen, können eben kein Gallesches Kunstglas anfertigen.
— Außerdem sind Normalpreise für die individualisierten
Erzeugnisse des Kunstgewerbes überhaupt ein Unding. □

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

n Japanische Schablonen. Ein hübscher Aufsatz über
japanische Schablonen in dem Oktober-Bulletin des Bostoner
Museum of fine Arts verdient an dieser Stelle wiederholt
zu werden: Bis in die neueste Zeit hat das Schabionisieren
von Zeichnungen nur als ein mechanischer Prozeß gegolten,
unwürdig eines Künstlers und nur von Handwerkern an-
gewandt, die Originalität und Schönheit einer raschen Pro-
duktion zu opfern gewillt waren. Man ist aber auch jetzt
im Westen dahinter gekommen, daß ein sacrificio dell’
intelletto beim Schabionisieren gar nicht vorhanden ist,
wo doch seit 11/2 Jahrhunderten die Japaner ihre von uns so
sehr bewunderten Seiden- und Baumwollstoffe mit der
Schablone so schön gemustert haben. Die Museen haben
sich bis jetzt mehr für die Resultate als für die Prozesse
selbst interessiert; die Technik der Kunstwerke, welche die
Museen besitzen, wird zumeist vernachlässigt. Der außer-
ordentliche Reichtum und der Wert der japanischen Textil-
sammlung des Bostoner Museums hat die Direktion nun-
mehr veranlaßt, eine Ausstellung der in ihrem Besitz be-
findlichen Zeichnungen, Schablonen usw. und der Art ihrer
Anwendung zu machen, damit die Technik bekannt würde.
— Die ersten japanischen Schablonen sind wohl vor un-

gefähr 200 Jahren in Kyoto in Gebrauch gekommen, das
ja vom 10. Jahrhundert an bis vor ungefähr 40 Jahren die
Hauptstadt des Reiches und der Hauptsitz von Kunst und
Gewerbe war. Heutzutage werden Schablonen für alle
Sorten von Stoffen gebraucht, mag es sich um rohe Laden-
schilder oder Theatervorhänge handeln oder um die mit
eleganten Zeichnungen geschmückten seidenen Kimonos
der Geishas oder Hofdamen. Sie sind als Zeichnungen
nicht immer hervorragend; aber die gegenwärtige Nach-
frage nach orientalischer Produktion hat die Popularisierung
stark vergrößert. Im allgemeinen ist die Technik, nach
der Papierschablonen hergestellt und gebraucht werden,
ganz einfach; aber wie in jedem Kunsthandwerk müssen
mechanische Fertigkeit und Fähigkeit zu zeichnen Hand
in Hand gehen. Die Zeichnung wird durch eine Paste
auf einem bestimmten Platz beschränkt, indem sie auf die-
jenigen Teile des Stoffes, die unkoloriert bleiben sollen,
aufgeschmiert wird. Das Stück Stoff wird als ein Ganzes
gefärbt und gedämpft. Der Zeichner gibt seine Zeich-
nungen dem Papierschneider, der eine sorgfältige Pause
davon nimmt und diejenigen Teile des Untergrunds und
der Zeichnung ausschneidet, welche keine Farbe aufnehmen
 
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