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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Breuer, Robert: Büste und Grabdenkmal: (ein Kapitel der Renaissance)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0095

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BÜSTE UND GRABDENKMAL
(EIN KAPITEL DER RENAISSANCE)
Von Robert Breuer

DEM Selbstbewußtsein der Renaissance genügte
es nicht, das menschliche Antlitz zu einem
der würdigsten Gegenstände der künstlerischen
Darstellung erhoben zu haben; in noch umfassenderem
Maße sollte die Kunst zur Verherrlichung des Men-
schen dienen. Der Plastik gesellt sich als großer
Rahmen die Architektur. — Man war sich seines
Wertes wohl bewußt und erhob Anspruch auf Un-
vergänglichkeit; von der Gegenwart wollte man ge-
fürchtet, von den Enkeln bewundert und verehrt
werden. Der Wille der Gewalthaber begehrte einen
Kultus der Persönlichkeit, auch über den Tod hinaus.
Der Büste gesellte sich das Grabdenkmal. — Die
Büste, wie man sie auf den Kamin, die Truhe, den
Fenstersturz, ein Gesims stellte, war ihrer Kunstform
nach eine Verschmelzung von Naturalismus und de-
korativem Empfinden; das Grabdenkmal verlangte nach
einem intimen Zusammenwirken von Plastik und
Architektur. Die jeweilig doppelte Tendenz des ein-
zelnen Werkes bedingte die Mäßigung der beiden
gestaltenden Faktoren, jene edle Selbstbeschränkung
im Interesse der gemeinsamen Aufgabe; ein Charak-
teristikum der Renaissance. — Bei den meisten Büsten
der frühen Renaissance läßt sich für die vom Hals
an abwärts gelegenen Partien ein zunehmendes Nach-
lassen des Naturalismus feststellen. Ein intensives
Streben nach großer Form behandelt den Oberkörper
nach einem, wenn auch nicht starren, so doch in
gewissem Sinne konstanten Schema; gegenüber der
Lebendigkeit des Kopfes bekommt der Rumpf etwas
von der Stabilität eine Sockels, gegenüber der feinen
Durcharbeitung der Gesichtszüge etwas vom Torso.
Die den Kopf tragenden Teile sind gleichgültiger, sie
müssen sich daher eine Unterordnung gefallen lassen:
eine Kutte wird in starr nebeneinander laufenden
Falten gegeben, ein Pelzrock als ungegliederte Fläche,
besonders die Frauengewänder glatt, anliegend, kein
Faltenrausch, kein Bewegungsmotiv. Diese Stabilität
gestattete die unbeschränkte Anwendung der Poly-
chromie (durch Farbe und Politur), sie ließ es zu,
daß die Kleidung auch reicher gegeben wurde, daß
durch diskrete Ziselierung die Säume und Borten,
die Blumen des Damastes (gleichfalls polychrom) aus-
geführt wurden. — Die lebenswahre Porträttreue, die
unmittelbare Frische dieser Büsten ist überaus reizvoll.
Da haben wir das fettgepolsterte Gesicht eines Mön-
ches, mit rundlichem, kahlem, »gesalbtem« Schädel.
Dort ein durchfurchtes Greisenantlitz. Hier Lorenzo
Magnifico, welch ungeheurer Kopf: die platte Nase,
die vorgewölbte Unterlippe, die brutalen Kiefer, die
harte, breite Stirn; in zwei straff gesträhnten Massen
fällt das Haar, wodurch — hierzu hilft auch der
herunterhängende Klunker der Mütze — die Wucht
dieses großformatigen Hauptes noch gesteigert wird.
Oder Piero de Cosimo von Mino da Fiesoie (Florenz):
ein energisches, scharf geschnittenes, unwirsches und
stolzes Gesicht, hervorspringende, gerade Nase, von

der Wurzel aufsteigend zwei Stirnfurchen, zusammen-
gepreßte Lippen, von Mund und Nase abwärts Falten,
ein schroffes Kinn, Ansatz zum Kehlsack, kräftiger
Nacken. Nicht minder gut und überzeugend ist des-
selben Meisters Büste des Niccolo Strozzi (Berlin),
ihr ebenbürtig die des Filippo Strozzi von Benedetto
da Majano (Berlin). Schließlich sei noch an die
Marmorbüste der Marietta Strozzi von Desiderio da
Settignano (Florenz) erinnert; eine Florentinerin von
feiner Demut. □
* *
*
□ Die Grabdenkmäler waren nach Form und Farbe
stets auf den Raum hin angelegt, der sie beherbergte;
sie waren immer mehr und mehr in diesen Raum
hineingewachsen, bis sie schließlich ein Teil dieses
Raumes selbst wurden. Anfangs waren die Grab-
platten und Sarkophage willkürlich im Gotteshaus
verteilt, der zufälligen Zweckmäßigkeit nach, nicht
nach den Bedingungen des Raumes. Das in die
Wand hineingesenkte Denkmal wies notwendig auf
seine Nebenfunktion als architektonische Gliederung.
Das Nischengrab bildete einen Raum im Raum; in
dem Maße, wie es an Tiefe und dekorativen Aus-
drucksformen zunahm, wuchs seine Bedeutung für
den Charakter der umgebenden Gesamtarchitektur.
Das letzte Stadium der Entwicklung bildet die Grab-
kapelle. — »Das italienische Grab ist die Versteine-
rung des Katafalkes; deshalb genügt nicht der Sarko-
phag, er trägt auf dem Deckel die sichtbar ruhende
Gestalt des hier Bestatteten« (Schubring). Das gleiche
psychologische Moment, das die Ägypter zur Präpa-
rierung der Mumien antrieb, die Griechen und Römer
die Stelen schaffen ließ, forderte die plastische Nach-
bildung des Verstorbenen: es galt, über das Ver-
schwinden des Toten hinwegzutäuschen, seine stete
Gegenwart zu illusionieren, ihm dauernden Ruhm,
womöglich eine Art Kultus zu schaffen. Dazu half
am entschiedensten die Nachbildung der Gesamtfigur,
doch genügte auch die Büste. — Ein sehr schönes
Beispiel dieser letzten Art ist des Minos Denkmal für
den Bischof Salutati, im Dome von Fiesoie. Von
diesem Grabmal geht ein stiller, heiliger Friede aus,
der ohne Hilfe irgendwelcher Symbolismen, nur durch
die ruhige architektonische Gleichung gewirkt wird.
Hier ist keine laute Linie, kein scharfer Kontrast, kein
Hervortönen einer Einzelheit — aber auch keine cha-
rakterlose Verwischung. Es ist alles wohl erwogen,
nichts zu viel, aber auch nichts zu wenig; die aske-
tische Selbstbeschränkung des Ganzen geschieht nicht
auf Konto eines einzelnen Teiles, alle Glieder parti-
zipieren an der edlen Simplizität. Es ist alles not-
wendig, alles hat eine funktioneile Bedeutung, einen
tektonischen oder aufteilenden Wert. Die Rechnung
ist deutlich, aber nicht aufdringlich, sie ist so wahr
und in sich selbst begründet, daß das Ganze wie ein
Organismus wirkt, lebendig. Man hat vor dieser
 
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