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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Sprechsaal für die Leser / Neue Bücher / Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0103

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ERNST NEUMANN UND SEINE SCHULE

SPRECHSAAL FÜR DIE LESER
□ In Ihrem Sprechsaal, Heft 4 des Jahrganges, wurde
die Frage gestellt: □
» Wer den handwerklichen Hammerschlag auf dem
Gewissen hat? Das Publikum, der Künstler, der
Fabrikant oder der Händler?« □
□ Ich bin ganz der Ansicht des Verfassers betreffen-
den Eingesandts, daß es unlauterer Wettbewerb der
Kunstindustrie ist, wenn sie Hammerschlag verwen-
det, um mit ihren Erzeugnissen eine handwerkliche
Herkunft vorzutäuschen, nur übersehe man dabei
nicht, daß dieser Hammerschlag auch ohne jeden
Nebengedanken, lediglich als Dekorationsmittel ver-
wendet werden kann. — Die Flächenwirkung mo-
derner Erzeugnisse ohne irgend eine Bearbeitung
mutete kalt und leblos an, weshalb Künstler und
Fabrikant den naheliegenden Gedanken aufgriffen.
□ Unsere Kunstgewerbemuseen zeigen genügend
Beispiele aus der Zeit der Renaissance und nach
früheren Kunstepochen, bei denen Hämmerung glatter
Metallgegenstände als einziger belebender Dekor
angewandt ist. □
□ Das Publikum interessierte sich für diese so be-
handelten Geräte und die Folge davon war, daß dieser Genre Mode und nunmehr auf Veranlassung des Händlers viel
gemacht wurde. — o
□ Wenn es ferner der Verfasser des oben angeführten Eingesandts für angezeigt hält, den Handwerker mit einem
Glorienschein zu umgeben, der den Industriearbeiter dunkel stellen soll, so muß ich doch die Erklärung abgeben, daß
hierzu keine Veranlassung vorliegt. °
o Um dies an der Hand einer beliebigen Gefäßform zu beleuchten, will ich vorausschicken, daß doch Zweckmäßigkeit,
gefällige Silhouette, sowie feine Abstimmung der Verhältnisse Vorbedingungen sind einer schön zu bezeichnenden
Gefäßform. Ob diese Form getrieben ist oder auf der Druckbank hergestellt, das kommt für das Auge zunächst nicht
in Frage. □
n Auf die Formung hat aber weder der Handwerker noch der
Industriearbeiter einen Einfluß; dies ist die ausschließliche Auf-
gabe des entwerfenden Künstlers. Der fertigt entwedei eine ge-
naue Zeichnung oder das Modell und es verdienen der Hand-
werker sowohl, wie der Industriearbeiter Anerkennung, wenn sie
die Aufgabe laut Vorschrift ausführen. □
□ So schwierig wie das Gefäß genau der Angabe entsprechend
zu treiben ist, so schwierig ist es auch, dasselbe Gefäß auf einer
Druckbank herzustellen, nur mit weniger Zeitaufwand (Der Metall-
drücker hat sich erst ein Futter auf der Bank zu drehen. Dann
wird eine Blechscheibe gegen diese Unterlage gedrückt und erst
durch große Übung, — die sich ein Drücker in der gleich langen
Lehrzeit aneignet wie ein Kupferschmied oder Kleinschmied, —
gelingt es, dem sonst so spröden Material die Gefügigkeit zu geben,
daß es unter dem kräftigen Drucke des Arbeiters und bei der
schnellen Rotation auf der Bank zum Ton auf des Töpfers Scheibe
wird). Hat die Treibtechnik den Vorteil, daß die Oberfläche, falls
sie nicht vollständig geglättet verlangt wird, von selbst Leben be-
kommt durch allerlei kleine Unebenheiten, so ist andererseits bei
dem gedrückten Gefäß die von selbst entstehende spiegelglatte
Fläche mit Leichtigkeit durch die bewußte Flämmerung oder vieler-
lei andere Behandlungen interessant zu beleben. □
o Wie eben alles unterschiedlich ist, so gebe ich gern zu, daß
über manches Industrieerzeugnis der biedere Handwerker lachen
wird, indessen ist es doch recht gewagt, so absprechende Kritik
an den kunstgewerblichen Metallarbeiten im allgemeinen zu üben.
MORITZ WEIDLICH, Wurzen.

□ Anmerkung der Schriftleitung: Ohne uns mit den Ein-
sendungen zu identifizieren, stellen wir unseren Lesern diesen
»Sprechsaal« zur freien Meinungsäußerung zur Verfügung.
Wir bitten um rege Beteiligung der Praktiker! □
 
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