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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Flechtner-Lobach, Alice: Türen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0108

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TÜREN
Von Alice Flechtner-Lobach
ES ist ein langer Weg, der von den ersten not-
dürftig aus rohen Bohlen zusammengeschlagenen,
mit Holzriegeln versehenen Toren zu der schlich-
ten Tür aus edlem Holz führt, die den Eingang des
modernen Eigenhauses sichert. Ein Weg über Höhen
und Tiefen, der oft zu künstlerischer Vollendung
aufsteigf, um dann in ödes Nutzland herabzusinken.
Die Geschichte der Tür spiegelte die kulturelle Ent-
wickelung des Hauses, das sie verschloß. □
□ In den ältesten Zeiten war es vor allem das
massige Hoftor, dessen klobige Bretter Schutz gegen
die Tiere des Waldes, wie gegen andringende Feinde
zu gewähren hatten. Die Türen der Häuser dienten
eigentlich nur des Nachts; tagüber waren sie offen,
weil die Türöffnung die einzige Quelle für Licht und
Luft, sowie die Stelle war, wo der Rauch abziehen
konnte, da Jahrhunderte lang die Häuser, ähnlich wie
noch heute in den Marschen, ohne Schornsteine gebaut
wurden. □
□ Trotzig und wuchtig wie diese grimmen Hof-
wächter mit reichlicher Nagelung und ungefügen
Eisenbändern blieben die Tore lange Zeit hindurch.
Sie beschützten die oft gefährdeten Eingänge der
Burgen; sie rückten mit der veränderten Bauweise
unter das riesige Strohdach, das jetzt Haus und Ställe
mit einem Dach überdeckte; vor allem aber ward
ihnen die Aufgabe, die dickköpfige, runde Stadtmauer
zu unterbrechen. □
□ Schwerfällig in fußlangen Angeln ruhend, drehten
sich die enormen Flügel dieser Stadttore mühsam am
Morgen auf, um sich abends »knarrend« wieder zu
schließen. Riesige Schlösser und Schlüssel, eiserne
Krampen, an denen die Schmiede ihre noch etwas
unbeholfene Kunst versucht, schützten Hab und Eigen-
tum der Stadt. n
□ Ihnen ähnlich wurden jetzt auch die Türen der
Häuser gebaut, wenngleich der Holzriegel noch vor-
wiegend im Gebrauch war, und die geschmiedeten
Bänder in der Regel kunstlos nur zum Schutz der
Bretter darüber geschlagen waren. □
□ Doch die Zeit schritt voran; Kunst und Handwerk
begannen zu blühen. Und es sind noch einzelne
Türen aus jener Zeit vorhanden, die fein geschmiedete,
im romanischen Ornament vielverzweigte Spiralen und
Voluten zeigen, die sich über die dicken Eichenbretter
hinziehen. D
□ Denn schwer und massig blieb die Form der Türen,
und als das gotische Maßwerk den Spitzbogen auch
in die Fenster und Türen der Häuser hineintrug, er-
weiterte man unten die Basis der Tore, so daß mächtige
Portale entstanden, wie man sie heute noch in alten
Patrizierhäusern ehemaliger Hansastädte, oder in den
reichen Bürgerhäusern süddeutscher Reichsstädte sehen
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Kunstgewerbeblatt. N. F. XXII. H. 6
 
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