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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Glüenstein, Adolf: Der Kunstgewerbe-Verein zu Hamburg: Geschichtliches Rückbild von 1886-1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0121

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DER KUNSTGEWERBE-VEREIN ZU HAMBURG
GESCHICHTLICHES RÜCKBILD VON 1886—1911
Von Adolf Glüenstein

DER am 23. Februar 1886 gegründete Kunstgewerbe-
Verein zu Hamburg ist unmittelbar hervorgegangen
aus der Sektion für Kunst und Gewerbe, die 1858
durch die Hamburgische Gesellschaft zur Beförde-
rung der Künste und nützlichen Gewerke (Patriotische
Gesellschaft) ins Leben gerufen wurde. Wir müssen daher
auch kurz die Geschichte dieser Sektion für Kunst und
Gewerbe streifen. Ihr erster Vorsitzender war der weit
über Hamburgs Mauern bekannte Maler Martin Gensler.
Er und die Sektion waren die Veranstalter des glänzend
verlaufenen Schillerzuges am 10. November 1859, sie traten
werbend und fördernd für die Errichtung des Schillerdenk-
mals in Hamburg ein. □
□ Mitglieder der Sektion erteilen gratis Unterricht an
Möbelzeichner, Hefte mit kompletten Zimmereinrichtungen
werden herausgegeben und finden Anklang. Als Folge
der Wiener Weltausstellung, die von vielen Gewerbetreiben-
den Hamburgs besucht und studiert wurde, haben wir die
Industrie- und Gewerbeausstellung in den Räumen des neu
erbauten Gewerbemuseums 1876 anzusehen. Sie hatte
einen ungeahnten Erfolg und schloß mit einem Überschuß
von 26436 Mark ab. n
□ Die Sektion weiß 1864 ihren Einfluß geltend zu
machen, um den sehr befähigten Otto Jessen an die Spitze
der neu zu begründenden Hamburger Gewerbeschule zu
stellen. Durch Dr. Justus Brinckmanns zielbewußtes Vor-
gehen gelangte die Sektion zu festerem Zusammenschluß.
Die Bestrebungen, die neben ihr bestehende technische
Sektion der Patriotischen Gesellschaft mit ihr zu vereinigen
und unter der Gesamtbezeichnung Gewerbeverein weiter
zu führen, scheitern zunächst. Am 2. März 1868 gibt je-
doch die Sektion für Kunst und Gewerke ihre Rechte der
Patriotischen Gesellschaft gegenüber auf und schließt sich
dem Gewerbeverein als selbständige Abteilung mit einigen
Vorrechten an. 1869 wird Direktor Dr. Brinkmann erster
Vorsitzender der Abteilung. Neben ihm haben namentlich
der Bildhauer E. G. Vivie und der Münzmedailleur Lorenz
lange Jahre mit Umsicht und Geschick die Abteilung ge-
leitet. Die Mitgliederzahl wuchs von 40 auf 120. □
□ Eine Ausstellung des Gewerbevereins, an dem die
Abteilung beteiligt ist, gibt befriedigende Resultate. 1882
fand eine Fachausstellung bürgerlicher Zimmereinrichtungen
in den Räumen des Gewerbemuseums statt, die den
schönen Erfolg hatte, daß 47 Zimmereinrichtungen ver-
kauft wurden. □
□ Das Interesse für das Kunstgewerbe wurde immer
größer, der Wunsch, sich von dem Gewerbeverein, der in
manchen Teilen doch andere Ziele verfolgte, zu trennen,
entstand, und da Verhandlungen wieder eine selbständige
Sektion der Patriotischen Gesellschaft zu werden, scheiter-
ten, beschloß die Abteilung sich unter dem Namen Kunst-
gewerbe-Verein zu Hamburg neu zu konstituieren. In der
Gründungsversammlung am 23. Februar 1886 wurde drei
verdienten Hamburgern die Ehrenmitgliedschaft des jungen
Vereins verliehen. Es waren dies die Herren Bürger-
meister Dr. jur. H. G. Kirchenpauer, Senator Dr. jur. H.
A. C. Weber und Bildhauer E. G. Vivie. o
□ In der ersten Versammlung war die Zahl der Mit-
glieder bereits auf 346 gewachsen. Den ersten Vortrag
hielt der Verlagsbuchhändler Julius Campe über »Die Ge-
staltung des Schwertes in kultureller und kunstgeschicht-
licher Hinsicht«. Eine vorzügliche Ausstellung ergänzte
die Ausführungen des Redners. □

□ Als erste große Tat des jungen Vereins ist die Ham-
burgische Gewerbe- und Industrie-Ausstellung im Jahre
1889, die gemeinsam mit dem Gewerbeverein unternom-
men war, anzusehen. Der Präsident Freiherr Albertus von
Ohlendorff, der unermüdliche Organisator Direktor Dr.
Brinckmann und der Schriftführer Dr. jur. Rud. Hertz haben
ein Werk ins Leben gerufen, das von Alt und Jung von
Nah und Fern mit Bewunderung betrachtet wurde, und
dessen noch heute mit Begeisterung von den Ausstellern
gedacht wird. Der Erfolg der Ausstellung war über Er-
warten günstig, man war in der Lage, den Ausstellern das
ganze Platzgeld zurückzuzahlen. Unserem Verein wurden
aus den Überschüssen 10000 Mark überwiesen. Auf
Antrag des Herrn Bauinspektor Th. Necker wurde am
19. Januar 1892 beschlossen, dieses Kapital in einer Stiftung
anzulegen, deren Zweck es ist, Lehrlingen von Vereins-
mitgliedern zu ihrer Ausbildung bezw. als Anerkennung
ihres Fleißes eine Beihülfe zu gewähren. □
□ Für seine hervorragenden Verdienste um die 1889 er
Ausstellung wurde Herrn Direktor Dr. Brinckmann die
Ehrenmitgliedschaft des Vereins verliehen. n
n Im Jahre 1890 stieg die Zahl der Mitglieder auf 693
und wuchs im Jahre 1892 auf 885, dies war die höchste
Mitgliederzahl, die der Verein erreicht hat, von da an fiel
sie langsam und ist in den letzten Jahren auf zirka 700
beständig geblieben. 1892 erhielt der Verein ein Legat
seines treuen Mitgliedes des Architekten F. G. Schirlitz
in Höhe von 15000 Mark, dieses bildet den Stamm des
Vereinsvermögens. □
o In den Vereinsversammlungen werden jährlich 8 bis
9 Vorträge gehalten, besonderes Interesse boten diejenigen,
welche über die Weltausstellungen in Paris, Chicago und
St. Louis berichteten. Vielfache Ausflüge werden in sehens-
werte Städte wie Lübeck, Bremen, Lüneburg, Buxtehude
und Kopenhagen veranstaltet. Diese Vereinsfahrten, vor-
züglich vorbereitet, zu denen stets orientierende Mono-
graphien den Teilnehmern geliefert wurden, boten den
Mitgliedern eine Reihe von Belehrung und Anregung;
auch wurden die persönlichen Beziehungen unter den Mit-
gliedern dadurch wesentlich gefördert. Durch Weihnachts-
messen, meistens mit Verlosungen verbunden, erzielte der
Verein hübsche Erfolge für seine Mitglieder. Die im Jahre
1903 in größerem Stil in den Räumen des Hauses Alster-
damm 12/13 veranstaltete Weihnachtsmesse mit Verlosung
schloß unter der umsichtigen Leitung des Herrn Archi-
tekten John A. Möller, trotz hoher Miete und großer Kosten
für elektrisches Licht, befriedigend ab. □
n Noch eines wichtigen Mittels zur Erlangung neuer
Freunde des Vereins muß hier Erwähnung geschehen:
der Stiftungsfeste. Eine Schar begabter Künstler und
dichterisch veranlagter, humorvoller Mitglieder hatte jahre-
lang zum trefflichen Gelingen dieser Geburtstagsfeier des
Vereins sich zusammengetan, das japanische Fest und die
Wiedereröffnung der Hamburgischen Gewerbe- und Indu-
strie-Ausstellung dürften als die großen Clous zu bezeichnen
sein. Um den Erfolg dieser Feste hatte sich ganz beson-
ders der Architekt Carl Wolbrandt verdient gemacht, ihm
wurde bei seiner Berufung als Leiter der Handwerker-
und Kunstgewerbeschule in Krefeld die Ehrenmitglied-
schaft verliehen. o
n 1890 legte Herr Professor Dr. Brinckmann den Vorsitz
in die Hände des gleich ihm unermüdlich für die Interessen
des Vereins strebenden Herrn Bauinspektor Theodor Necker.
 
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