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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Schur, Ernst: Lucian Bernhard
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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0124

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

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dem Farbengewimmel und Liniengewirr, das eine
Säule, eine Wand darstellt, absondern, sich durch
eine eigene entschiedene Haltung herausheben. □
□ Dies alles waren Faktoren, gegeben und fest-
stehend wie ein Rechenexempel. Der Künstler, der
diese Eigenschaften in sich vereinigte, wurde erwartet.
Mit einer merkwürdigen Sicherheit. Er kam. Bern-
hard kann man als diesen Künstler bezeichnen. Er
ist der Schöpfer eines Plakatstils, der als neues Aus-
drucksmittel neben den mehr malerischen Stil der
Münchener tritt. Er hat all das, was oben als Eigen-
schaften angemerkt wurde. Er hat aus der Nüchtern-
heit einen sachlichen Stil gewonnen. Er gibt den
Gegenstand, das Erzeugnis, gibt ihm aber zugleich
einen besonderen Charakter. Was sonst protzig wir-
ken könnte, erscheint wuchtig, einfach und selbst-
verständlich, da mit künstlerischen Mitteln, mit der

der Graphik, der Technik eigenen Ausdrucksart dieser
Charakter erreicht ist. n
□ Bernhard ist insofern ein Abschluß. Er ist die
Probe aufs Exempel. Er zieht aus dem Bisherigen
die Erfahrung und macht sie fruchtbar. Kein geniales,
grüblerisches, sondern ein tatkräftiges, künstlerisch-
praktisches Talent, das auch die Zähigkeit besitzt, immer
wieder den Kampf mit der Geschäftswelt aufzunehmen,
n Das Plakat entfaltete in den Ländern einer hoch-
entwickelten Industrie seine höchste Geltung. Die Groß-
stadt ist notwendige Voraussetzung. Paris, London,
New York, da blühte die Plakatkunst. Berlin reiht sich
diesen Städten an. o
111.
□ Es war vorauszusehen, daß Bernhard auch auf
den übrigen Gebieten der angewandten Graphik sich
betätigen würde. Einige Beispiele zeigen, daß er
sinngemäß diesen seinen eigenen Charakter den
Zwecken entsprechend umbildet. □
□ Er berücksichtigt die Struktur des Materials. Er
arbeitet wieder aus der Technik einen Stil heraus,
der in sachlicher Bestimmtheit seinen Vorzug sucht.
Immer bleibt er dem flächigen Charakter der Graphik
treu. Die Linie ist derb, die Farbe kräftig. Ein weites
Feld der Betätigung steht ihm hier noch offen. Die Ge-
schäftsanzeigen, die Inserate, die Prospekte und viele
andereDinge des alltäglichen, geschäftlichen Lebens sind
noch künstlerisch zu bearbeiten, um Form und Stil zu
bekommen, was gerade hier notwendig ist, da ein
Schema herrscht, das für lange Zeit bleibt. Es läßt sich
also hier, wo immer gleiche Bedingungen und Zwecke
vorliegen, etwas Allgemeingültiges schaffen, das im
Einzelnen, Kleinen jedoch Umänderung erfahren mag.
□ In der Buchkunst stellt Bernhard die intimere
Wirkung in den Vordergrund. Es ist eigentümlich,
wie er Sachlichkeit und Intimität reizvoll verschmilzt.
Er arbeitet auch hier aus den Bedingungen heraus.
Papier, Pappe, Schmuck — das alles geht harmonisch
zusammen! In der Kraft und Derbheit erinnern diese
Werke oft an die primitive Einfachheit und Schön-
heit alter Drucke, die in Linie und Farbe den Flächen-
charakter bewußt wahren, nie ein Bild mit Perspek-
tive und Vertiefung geben wollen, sondern die Fläche
dekorativ zu schmücken bestrebt sind. □
□ Und es läßt sich schon jetzt sagen, daß in diesem
Stil, der ebenso sachlich wie persönlich ist, Möglich-
keiten liegen, die auf anderen Gebieten fruchtbar
werden könnten, im Architektonischen wie im Kunst-
gewerblichen, die gerade bei der gegenwärtigen Lage
von Bedeutung sein könnten. ERNST SCHUR.

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

NEUE BÜCHER
Heinrich Wolff, »Erzählungen einer kleinen Scheere«.
16 Schattenschnitte. Königsberg i. P. 1910. Deutsch-
herren Verlag. Billige Ausgabe M. 5.50. □
□ Die Wiederbelebung der Silhouettenkunst hat sich Hein-
rich Wolff neben vielen anderen Betätigungen, er ist ein
Kunstgewerbeblatt. N. F. XXII. H. 6

ausgezeichneter Graphiker, zur Aufgabe gemacht. Eigent-
lich ist er zuerst auf ganz spielerische Weise dazu ge-
kommen, als er sich, 15 Jahre alt, abends von der griechi-
schen Gramatik erholen wollte. Erst 12 Jahre später hat
er seinem Kinde zuliebe diese Beschäftigung wieder auf-
genommen und darin eine bedeutende Fertigkeit erlangt.
Der »Kunstwart« hat davon ein Bilderbuch veröffentlicht
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