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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Bachmann, Paul: Kulturträger
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0131

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KULTURTRÄGER
Von Paul Bachmann, Architekt b. d. a.

UNSERE Zeit ist so überaus reich
an Schlagworten, die dem Volke
imponieren. Von den vielen möchte
ich nur eines herausgreifen und es
von verschiedenen Stellungen aus in seiner
Beziehung zur Kunst beleuchten. Es ist das
Wort Kulturträger. □
□ Die Kunst eines Volkes ist ein Teil
seiner Kultur. Derjenige, der die Kunst
ausübt oder fördert, ist ebenso Kultur-
träger, wie der, welcher Wissenschaft und
Technik vorwärts drängt oder die großen
bedeutungsvollen Menschheitsfragen in
seinem Schaffen berührt, weil er mitarbeitet,
das Ansehen seiner Nation zu heben. So
ist es nicht mehr als recht, daß große
Künstler ebenso Ansehen und Ehrung ge-
nießen wie Staatsmänner und Gelehrte.
Es gibt aber Männer, auf hoher Warte
stehend — Kulturträger — die oft in dem


Handwerkerschule BielefeldPlakat. Maler-
abendklasse: Lehrer Muggly, Schüler Litho-
graphengehilfe R. Dreesbeimdicke

einen Punkte, wo sie die Kunst berühren, durchaus versagen, gleichsam
als ob man die Größe und das Ansehen einer Nation nicht auch an seiner
Kunst bemessen könnte. Zwei Faktoren sind es, unter denen unsere Kunst
und unsere Künstler immer und immer wieder zu leiden haben. Auf der
einen Seite ist es ein bewußtes Übersehen der Kunst, auf der anderen eine
falsche Förderung der Kunst. a
a Wenn auch die deutsche Kunst unserer Tage nicht ihren Höhepunkt er-
reicht hat, — und es ist gut, daß es so ist, sonst harrte der Verfall vor
ihren Toren, — so muß doch ein klarschauender Mensch zugeben, daß das
ernste Streben der besten unserer deutschgesinnten Künstler im letzten
Jahrzehnt Früchte zeitigte, deren wir uns dem Ausland gegenüber in der
Tat nicht zu schämen brauchen, auf die wir im Gegenteil mit berechtigtem
Stolz schauen dürfen. Man sollte darum meinen, daß diese Bestrebungen
und diese Kunst namentlich in Kreisen der dazu Berufenen eine lebens-
starke Förderung erfahren müsse. Schauen wir aber in die Praxis, so
begegnen wir oft dieser logischen Forderung widerstreitenden Beispielen.
Zur Illustration seien nur einige aus der Erfahrung angeführt, deren Zahl
man mit Leichtigkeit beliebig steigern könnte. — n
□ Zwei reiche angesehene Bürger einer westdeutschen Großstadt lassen
sich Paläste errichten. Die Stadt verfügt über eine Anzahl Architekten von
Ruf; und selbst, wenn den Bauherren keiner von diesen in seiner Art an-
spricht, — denn über Kunst läßt sich streiten, — so sollte man meinen, das
weite deutsche Reich wäre groß genug, um den geeigneten Mann zu finden.
Aber bei weitem nicht! Es muß ein Architekt sein mit einem französischen
Namen, der seinen Sitz in Paris hat, — denn nur von Paris kommt
wahre Kunst! — Die Paläste sind fertig, vom Laien natürlich als eminente
Bauwunder angestaunt, in Wahrheit aber ein Hohn auf französische Bau-
kunst, eine Kunst, vor der jeder Baukünstler, der tiefer in sie eindrang,
mit hoher Bewunderung still steht. Auch hier würde er das gleiche tun,
wenn das Werk ein Ausfluß guten französischen Geistes wäre, so aber sind
beide Paläste Häuser von den unglücklichsten Verhältnissen, eine Nach-
empfindung, mich dünkt, der schlechtesten französischen Beispiele, ohne
jede Spur von persönlicher Innerlichkeit. Was ist zu tun? Nichts. —
Es kann doch jeder sich ein Haus nach seinem Geschmacke bauen.
Gewiß. Aber wo bleibt Kultur! Spricht sich darin nicht ein bewußtes
Übersehen unserer in ruhelosem Streben geschaffenen Kunstwerte aus?
Wenn nicht die vom Glück so reich Begünstigten einstehen für unsere
deutsche Kunst, so ist es begreiflich, warum sie ein schweres Durch-
ringen erleben und jede Etappe auf ihrem Siegesflug mühsam erkämpfen muß.
□ Wie anders dagegen, wenn der Künstler oder Kunstfreund, — wie mir
viele Fälle bekannt sind, — für sein Wohnhaus eine engere oder erweiterte
Konkurrenz ausschreibt — das sind Kulturträger, hier wird die Kunst ge-
fördert, hier ist es möglich, neue künstlerische Werte zu schaffen. o
□ Es gehört auch hierher, das oflberührte Thema Fabrikant und Kunst
zu erwähnen. Wieviel ist darüber schon gesprochen und geschrieben, und
mit wie wenig Erfolg! Fabrikant und Kaufmann beherrschen die Welt,
leider auch nur allzu oft — die Kunst. Da dem Kaufmann ein inneres
Interesse an seinen Erzeugnissen, seinen Waren fehlt, kann es ihm natur-
gemäß nicht darum zu tun sein, Kunst und Kultur zu fördern und zu
bringen. Sein Leitmotiv ist mit verschwindend wenig Ausnahmen: »Gewinn«.
Ihm ist es einerlei, ob durch seine Ware das schwache flackernde Fünk-
chen Kunstgeschmack in den Reihen unseres Volkes vollständig erstickt
wird, einerlei sogar, ob der Händler im Auslande seine Erzeugnisse, deut-
scher Hände Arbeit als »Ouvrage fran§ais« verkauft. Seine Aufträge
mehren sich und stillächelnd überläßt er unverdienten Ruhm seinem
französischen Nachbar. Das sind Kulturträger. — Wo Egoismus solche
Kreise zieht, kann Wort und Schrift zur Besserung nicht nützen, hier
fehlt es einfach an nationaler Gesinnung. n
□ Es steht fest, daß der Fabrikant in vielen Fällen überzeugt ist von
der Häßlichkeit seiner kunstgewerblichen Erzeugnisse, aber er fabriziert
sie dennoch weiter und wirft alljährlich seine geschmacklosen Neuheiten
präzis auf den Markt, weil das Volk mit seinem irregeleiteten Geschmack
sie kauft. Wäre er wirklich Kulturträger, so würde er, in der Voraussetzung
eines innigeren Interesses an seiner Ware, mit Umsicht und Verständnis
darnach trachten, allmählich den künstlerischen Wert seiner Erzeugnisse
zu heben, um so veredelnd auf den Volksgeschmack zu wirken. □
 
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