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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Kreis, Wilhelm: Meine Gedanken zum Bismarck-Nationaldenkmal
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0141

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DAS BISMARCK-NATIONALDENKMAL AM RHEIN

Landschaft, indem sie durch ihre Wucht den Reiz dieser
erhöhen, ohne ihr im geringsten zu schaden. Wie steht
das Grabmal der Ceciiia Metella in der Campagna und
wirkt selbst aus großer Nähe für die ganze Umgebung
wohliuend in ihrer ruhigen Wucht, der sich im Maßstab
alles unterordnet. Wie wirkt jenseits des Tiber das Grab-
mal des Hadrian in seiner enormen Rundung, und wie
erscheint die Uferlinie mit ihren Häusermassen zierlich
und um so feiner gegenüber der bezwingenden Macht
dieses Mittelpunktes. Wie erhebt sich über einer Stadt
wie Florenz majestätisch, klar und scharf die Kuppel des
Domes. Wie wirkt in Meißen auf dem kaum 50 m hohen
Berge — direkt über der Stadt — der über 60 m hohe
gewaltig mit seinem Dach und den stumpfen Türmen
stehende Dom. In dieser schweren Masse, von der Elbe
aus ebenso hoch als breit erscheinend, war der Dom
schöner, als er noch keinen ausgebauten Turm hatte; er
wirkte schwerer als jetzt, erdrückend auf die Stadt, aber
gerade darum imposant! Wie gewaltig wirken bei Gizeh
die drei Pyramiden, nicht etwa dem Charakter der Land-
schaft entsprechend in flacher, niedriger Breite, sondern
gerade richtig stark und selbständig durch ihre 'ebenso
große Höhe als Breite. Wie würde auf einer breiten Berg-
masse, aus der ein Vorsprung hervortritt, eine gewaltige
Rundung wirken, die sich sicher und klar erheben würde,
um nicht im Berg zu verschwinden, sondern auf ihm zu
thronen. □
o Und stets, wenn ich einen neuen Bismarckturm in einer
Landschaft aufgestellt hatte, machte ich steigernd die Er-
fahrung, daß vor allem Klarheit der Wirkung erforderlich
ist, und daß für die größte und klarste Wirkung eine
ebenso große Breite als Höhe — also eine kubische Masse
— notwendig ist. Während die schlankeren Türme auf
der Landschaft mehr einen spielenden Charakter haben
und sehr wohl sich auch mit steileren Berghängen ver-
tragen, so entbehren sie doch eines gewissen festeren
Zusammenhanges mit dem Berge und also auch einer
starken Verwachsung mit ihm. Sie stehen also losgelöst
in der Silhouette und entbehren deshalb im Verhältnis zu
ihrer Größe der entsprechenden Wucht. Ganz niedrige
Mauern aber werden immer den Eindruck einer Berg-
befestigung hervorrufen und werden immer mit solchen
verwechselt werden. Daß solche Bergbefestigungen mit
niedrigen Mauern außerordentlich malerisch und glücklich
auf Bergen wirken können, ist ja selbstverständlich, und
hierin wird gewiß jeder Kundige dem Preisgericht recht
geben, daß solche Befestigungen der Wirkung eines Berges
sehr zugute kommen können. Aber daraus ist natürlich
nicht zu folgern, daß andere Aufbauten einem Berge
schaden, und hierfür liefern alle jene starken Silhouetten,
welche die Kunst der Vergangenheit auf den Bergen und
Hügeln hervorbrachte, den besten Beweis, wie schon oben
erwähnt. □
o Und so wurde auch mir bei je längerer Betrachtung
der Sache immer klarer, daß nur eine starke, aber nicht
übermäßige Höhenentwicklung bei ebenso großer Breite
einerseits den Fehler vermeidet, für eine Befestigung ge-
halten zu werden, andererseits den ebenso großen Fehler
vermeidet, allzu losgelöst von der Landschaft — etwa wie
ein Aussichtsturm oder eine mittelalterliche Warte — in
der Luft zu stehen. □
o In jahrelangem Suchen ist mir diese Erkenntnis be-
wußt geworden und mir kann hierin das verhältnismäßig
sehr schnell aufgestellte Prinzip — auch des besten Preis-
gerichts — nicht den geringsten Eindruck zuungunsten
dieser Überzeugung machen. n
□ Betrachten wir nun näher daraufhin meinen Entwurf
»Faust«. □

□ Er ist völlig architektonisch. Er ist ein Bauwerk, kein
Denkmal im Sinne überlieferter Art. Er stellt eine neue
Art von Denkmal dar, indem er als Gedächtnishalle ge-
plant ist, die in ihrem Innern das Denkmal enthält. □
□ Diese Wahl geschah unter gründlicher Überlegung der
näheren Umstände. Einmal wegen des Nationaldenkmals
auf dem Niederwald. Dort steht ein Denkmal, das sich
ohne weiteres als solches darstellt, wenn es auch heut-
zutage nicht als eine glückliche Denkmalsanlage angesehen
werden kann. Irgendeine andere ebenfalls sich ohne
weiteres als Denkmal in ähnlichem Sinne darstellende
Sache gegenüber diesem Denkmal müßte eine Konkurrenz
in peinlicher Weise eröffnen. Dagegen ein reines Bauwerk,
welches durch seine schlichte, starke Art sich sofort aus
dem Alltäglichen völlig erhebt zu einer hehren, bedeuten-
den Art der Sprache seiner Gliederungen, seiner Ge-
schlossenheit und Festigkeit, wird keine Konkurrenz sein,
da die völlig andere Wesensart eines solchen Kunstwerkes
keinen Vergleich zuläßt. □
n Dies ist einer der Gründe, welcher mich veranlaßte, ein
Innendenkmal zu wählen. n
n Ein weiterer Grund aber und ein nicht geringerer ist
die Überzeugung, daß ein solches weit stärkere Wirkungen
auszuüben vermag, als ein Denkmal in der Natur. Durch
keine Witterung, durch keine Aussicht, durch keine Berg-
linien und die ganze Weite der Umgebung hervor-
gerufene Ablenkung beirrt, vermag der Beschauer vor
der gewaltigen Bismarckstatue hier im Innern eines weihe-
vollen Tempels sich zu tieferer Betrachtung zu sammeln.
Hier vermag von einer gewaltigen und in ihrer künstle-,
rischen Art bedeutenden Bismarckstatue, welche das Monu-
mentalwerk neuerer Bildhauerkunst werden müßte, eine
Wirkung auf den Beschauer auszugehen, die ihn in seinem
Tiefsten aufrüttelt und einen unauslöschlichen Eindruck in
ihm hinterläßt, wie ihn kein Denkmal, das äußerlich da-
steht, hervorzubringen vermöchte. Allerdings würde es
keine kleine und leichte Aufgabe für die Bildhauer Deutsch-
lands sein, hier die rechte Statue für den Gewaltigen zu
schaffen. Indessen, so gut es einem Lederer in Hamburg
gelungen ist, ein stehendes Bildnis von urgewaltiger Kraft
zu schaffen, so wird es irgendeinem Bildhauer, der in
engerer oder weiterer Wahl wohl zu finden wäre, gelingen,
eine in gewaltiger Ruhe dasitzende Gestalt des größten
Staatsmannes neuester Zeit zu schaffen. So könnte durch
die Vereinigung einer Bismarckgedächtnishalle, die weithin
durch die erhabene Art ihrer Gestaltung imponierend und
befreiend auf den Ankommenden wirkt und die die Land-
schaft nicht totschlägt, aber sich in ihr voll in ihrer Würde
und Größe behauptet, die ihr die Krone aufsetzt, weil sie
in ihrer Schönheit wohl der Mittelpunkt der weiteren Land-
schaft und des ganzen Rheinlandes werden darf, vereinigt
mit einem Denkmal von überwältigender Kraft und Feier-
lichkeit, ein wirkliches Bismarcknationaldenkmal in dem
Sinne werden, wie es das deutsche Volk sehnsüchtig von
unserer Zeit erwartet. □
□ Und so ist es meine feste Überzeugung, daß dies die
Lösung der großen Aufgabe ist, und darin bestärkt mich
die Tatsache, daß — ohne voneinander zu wissen — auch
Lederer und Bruno Schmitz zu derselben Idee gekommen
sind, die sie nur in anderer Form ausgesprochen haben. □
□ Was bedeutet dem gegenüber die in viertägiger, wenn
auch angestrengter Arbeit, unter fast 400 Entwürfen ge-
troffene Wahl? Was bedeutet die Aufstellung eines Prin-
zips der kleinen Wirkung und des zaghafien Anschmiegens
an den Berg nach einer einzigen Besichtigung der Elisen-
höhe gegenüber jahrelanger Arbeit von erfahrenen Künstlern ?
o Aus dem Wettbewerb geht hervor, daß Bewerbungen
von so vielen Entwürfen an sich ein Unfug sind. Hierfür
 
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