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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0182

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

SCHUL-AUSSTELLUNGEN
□ Charlottenburg. Die Kunstgewerbe- und Handwerker-
schule hat wieder einmal vom Karfreitag bis zum Oster-
sonntag ihre Schülerarbeiten gezeigt. Es ist überaus seltsam,
daß sich für solche, doch immerhin wichtige Vorführung
der Jahresernte keine besser geeignete Zeit finden läßt.
Die Direktion hätte Ursache, über eine Änderung dieser
schlechten Sitte nachzudenken; sie könnte von jetzt an
auch ohne allzu große Gefahr es wagen, die Öffentlichkeit
nicht gerade hermetisch von den Ausstellungen fern zu
halten. — Es ist erheblich vorangegangen. Nicht, daß das
Niveau der Schule merklich gestiegen wäre; noch spürt
man leider allzu deutlich hier und da einen ungelenken und
wenig orientierten Geist noch stören die Rudimente ver-
gangener Tage. Sie erweisen sich als eine Belastung
und hindern, daß die Charlottenburger Kunstgewerbeschule
nun wirklich als eine mustergültige Lehranstalt empfohlen
werde. Zurzeit mußman immer noch fürchten, daß die
gute Saat der neu hinzugekommenen Lehrkräfte durch die
alte Gewöhnung überwuchert werde. Solche Furcht würde
indes zur Ungerechtheit, wollte man es unterlassen, die
Tüchtigen zu loben, auch mit der Absicht, ihnen Schüler
zuzuführen. Letzten Sinnes bleibt zu hoffen, daß der junge
Sauerteig mit der Zeit die Charlottenburger Anstalt ganz
durchdringen werde. Von denen, die dazu helfen können,
seien einige genannt. An erster Stelle gebührt lebhafte An-
erkennung der Flächenkunst von Harold T. Beugen. Er
hat das Wesen des Schmückens, als ein Organisieren der
im geschmückten Gegenstand ruhenden Linien und Farben
begriffen. Er läßt das Ornament an das Licht tauchen. Er
impft seine Schüler mit einer Dosis Schöpfer willen, lockert
ihnen die Phantasie,den Spürsinn, macht sie zu Liebhabern
der Natur, auch zu Jägern, die auf das Schöne pürschen, wo
auch immer es sich rege. Das Motorische, das ungehindert
Pulsende, das immer Begeisterte, ist das Entscheidende
an dem, was Bengen zu lehren weiß, vielmehr nicht zu
lehren, zu erwecken. Er ist, was alle Lehrer sein sollten:
ein Geburtshelfer. Zugleich ein Freudenbringer, einer,
der seinen Schülern einen Blick in die Seligkeiten des
freien Schaffens gern gewährt. Dazu kommt, daß Bengen
selber ein Künstler ist; selber erlebt er den Rhythmus, das
Kreisen der Farbe, den Wandel der Körperlichkeit zum
linearen Ausdruck und zum Spiel aus Grün und Rot, aus
Blau und Violett. Von durchaus anderer Art ist Meinhard
Jacoby; er ist weniger ein Erwecker als ein Organisator.
Er kommt über seine Schüler nicht wie ein Sturmwind,
mehr als ein wohlwollender Vater. Man darf sagen, daß
die Zöglinge bei Jacoby eher als bei Bengen die Eigenart
behalten werden. (Wobei freilich nicht vergessen werden
soll, daß es im Grunde zwar nicht auf die Formensprache
des Lehrers ankommt, aber auch nicht darauf, daß nun ängst-
lich die Formensprache der Schüler gewahrt bleibe, viel
mehr allein: auf die Energie der Massage.) Man darf
vielleicht auch sagen, daß sie sich später in der Praxis
schneller, wenn auch alltäglicher zurechtfinden werden.
Das ist gewiß beides eine zu beachtende Tugend der
Unterweisung. Außerordentlich sympathisch ist auch das
offenbare Interesse, mit dem Jacoby sein Lehramt als eine
verantwortungsvolle Fürsorge verrichtet. Selbst ein Expe-
rimentierender, ein mit Problemen sich Tragender, wird er
den Schülern mannigfache Möglichkeiten zu deuten wissen.
Von beachtenswerter Qualität ist die Klasse Graf; hier
wird eine äußerst sparsame, aber wohl durchdachte Auf-
teilung und Belebung der Fläche geübt. Dem gleichen
Geiste gehört Heinrich Wieynk, der mit sicherem Griff
das Schreiben als ein Fundament alles rhythmischen Ge-

staltens zu vermitteln weiß. Die wenigen Proben, die
während seiner erst kurzen Lehrtätigkeit in der Charlotten-
burger Anstalt entstehen konnten, lassen erwarten, daß die
eigentliche Fachklasse für Typographie und Buchgewerbe
das Elementare zur schönen Reife steigern wird. Der Ar-
chitekt Ernst Schneckenberg bewahrt lehrend die stets an
das Ziel gelangende Sachlichkeit seines Bauverstandes
und die gute Temperatur seines Raumempfindens. Auch
er ist ein Erzieher, nicht im Sinne des Eindrillens, vielmehr
als einer, der den Novizen selber zum Pfadfinder macht.
Schließlich wollen auch noch die beiden_ Bildhauer Otto
genannt sein. Bei ihnen liegt es nahe, einen Vergleich
mit den Bildhauerklassen der Berliner Akademie zu ziehen.
Er fällt unbedingt zugunsten der Charlottenburger An-
stalt aus. Robert Breuer.
VEREINE UND VERSAMMLUNGEN
□ Magdeburg. F. H. Anfang April fanden sich unter
dem Vorsitz des Präsidenten des Vorortes Berlin, Herrn
Geh. Rat Dr. ing. Hermann Muthesius die Delegierten der
Deutschen Kunstgewerbe-Vereine zur 21. Tagung des Ver-
bandes in Magdeburg zusammen. Als offizielle Vertreter
waren erschienen: für den Herrn Handelsminister Herr
Regierungspräsident Miesitschek von Wischkau, für die
bayerische Regierung Herr Bildhauer Prof. Ernst Pfeiffer,
für die badische Regierung Herr Direktor Prof. Karl Hoff-
acker, für die sächsisch-weimarische Regierung Herr Di-
rektor Prof. Henry van de Velde, für die braunschwei-
gische Regierung Herr Prof. G. Zeidler, für Bremens Senat
Herr Direktor Prof. Emil Högg und für Lübecks Senat
Herr Direktor Jensen und zahlreiche Vertreter örtlicher
Behörden und Kartellvereine, sämtlich vom Vorsitzenden
herzlich begrüßt. □
□ Aus dem Geschäftsbericht ist hervorzuheben, daß der
Verband sich aus 47 Vereinen, von denen 39 Vereine De-
legierte mit zusammen 60 Stimmen entsendet hatten, mit
zusammen 19101 Mitgliedern besteht. □
□ Die Tagesordnung umfaßte zahlreiche Punkte, die auf
jedem der letzten Delegiertentage wiederkehrten, aber
von Jahr zu Jahr ihrer Vollendung weiter entgegenreifen.
So sollte in diesem Jahre die Eisenacher Gebührenordnung,
die man vor zwei Jahren provisorisch eingeführt hatte, auf
der diesjährigen Tagung »freigesprochen«, d. h. endgültig
angenommen werden. Doch hatten sich, ganz besonders
in der Holzbranche, schwerwiegende Bedenken erhoben
gegen die bisherige Art der Berechnung nach den Kosten
des Materials. Herr Prof. Adolf Beuhne in Hamburg halte
unter den Mitgliedern seines Vereins eine sorgfältige Um-
frage veranstaltet und interessantes statistisches Material bei-
gebracht, das die Versammlung veranlaßte, der Eisenacher
Ordnung noch ein weiteres Provisorium zu bewilligen und
inzwischen auf dem von Herrn Prof. Beuhne vorgezeich-
neten Wege neue Erhebungen anzustellen. — Die Flug-
schriften -Kommission, deren Sprecher Herr Prof. Karl
Groß in Dresden war, hatte eine Probenummer fertig ge-
stellt und verteilt und damit der Versammlung einen greif-
baren Stoff zur positiven Beratung des im vorigen Jahre
erst ganz theoretisch erwogenen Planes gegeben. Die
Flugschriften sollen den Titel führen: »Der Geschmack im
Deutschen Hause«, Ein praktischer Ratgeber. Sie werden
durchschnittlich je 16 Seiten Text (Oktav) und 8 Seiten
Abbildungen enthalten und sollen im Abonnement 15
bis 20 Pfennige kosten, aber auch einzeln käuflich sein.
Der Arbeitsplan der Fluchschriften - Kommission liegt in
großen Zügen vor: ca. 30 Hefte umfassen das Haus,
die Wohnung, das Gerät und die Kleidung, ca. 50 Hefte
 
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