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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Breuer, Robert: Der Städtebau als architektonisches Problem
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0208

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DER STÄDTEBAU ALS ARCHITEKTONISCHES PROBLEM
Von Robert Breuer


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SELBST Freunde der Kunst meinen zuweilen, daß
es sich nicht verlohne, für Architektur ein sonder-
liches Interesse zu haben; handele es sich doch
bei dieser Disziplin um etwas Totes, Konventionelles,
selbst Bureaukratisches. Höchstens könne einmal hier
und da ein einzelner Architekt die Aufmerksamkeit
beanspruchen; aber die Architektur als solche, die
Masse dessen, was gebaut wird, gar die Bebauungs-
pläne und das, was man Städtebau nennt, mit all der
Fülle von technischen und hygienischen Fragen, das

habe keine spezifisch kulturelle, auch keine künstle-
rische Bedeutung. Das seien Dinge, die dem Ver-
waltungsapparat und den Wirtschaftspolitikern zuge-
hören. Solche Ansicht ist sehr töricht und begreift
nichts vom Wesen der Architektur. Architektur, das
ist nämlich: jene konkrete Abstraktion, die durch
Jahrtausende der geschichtlichen Entwicklung in kon-
zentrierter Energie das tiefste Wesen versunkener Ge-
schlechter und die Daseinsart gestorbener Völker leben-
dig erhielt. All diese Bildungen aus Stein und Erz,
die Häuser, die Tempel, die Kirchen,
sind kostbare Gefäße, in denen die
Essenzen ausgelöschter Erscheinun-
gen des sozialen Organismus unver-
gänglich gespeichert wurden. Was
ist es denn, was uns vor den Pyra-
miden erschauern macht; sind das
nur die gewaltigen Abmessungen,
ist das nur diese äußerste, brutale
Ökonomie der Monumentalität? Ge-
wiß nicht; was uns die Pyramiden
zu einem Erlebnis werden läßt, ist
das seltsame Wunder der Wieder-
erweckung all jener ungeheuerlichen
Kräfte, jener grausamen Herrscher-
gelüste, jener Vergottungstendenzen,
durch die vor langen Zeiten diese
Bauwerke gewollt wurden. Was uns
heute besiegt, ist nichts anderes als
ein Reflex von dem Triumph, den
die Dynastien des Nillandes sich
selber schufen. Architektur ist fest-
gewordene Macht; Architektur ist die
Materialisation sozialer Herrschaft. □
□ Es ist nützlich und notwendig,
das architektonische Detail zu kennen
und zu wissen, wie die einzelnen
Bauglieder geartet sind. Doch hilft
solche Kenntnis wenig zum Erfassen
des Baues als Ganzheit. Die Ganz-
heit entscheidet sich letzter Instanz an
der Willenskonzentration, die einst
den Bau befahl, die ihn sich zum
Ausdruck errichtete. Nicht der Ar-
chitekt gewinnt ewigen Ruhm, seine
Nöte und Opfer sind nicht das
Bleibende; der Architekt wird ver-
gessen. Wer hat das Parthenon
gebaut, wer das Colosseum und
wer die Schlösser von Versailles?
Die Historiker wissen es. Die

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M. Hulot, Rekonstruktion der Akropolis in Selinonte auf Sizilien und eines Teils der Stadt,
nach seiner Erfoschung der erhaltenen Überreste. — Rechtwinklige Staßenführung, strenge
Symmetrie des Raumgefühls. Der Geist der kriegerischen Volksaristokratie.

Kunstgewerbeblatt. N. F. XXII. H. 11

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