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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Breuer, Robert: Der Städtebau als architektonisches Problem
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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0217

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

01 n
Z1U


was heute allen Einsichtigen erstrebenswert scheint.
In diesen Planungen sehen wir die Materialisation einer
Organisation von Massen, wir sehen festgewordene
Demokratie, in Stein projiziertes Kapital und räumlich
gewordenes Wohlergehen des Volkes. Zum zweiten:
ein geschichtlicher Rückblick zeigt, daß eine Planung
wie die von Chicago gewisse Vorläufer hat in den
Anlagen antiker Städte und in denen der französischen
Klassik, es zeigen sich seltsame Verwandtschaften

zwischen dem, was Vitruv und fünf-
zehnhundert Jahre später Vasari oder
Alberti forderten. Es zeigen sich
seltsame Verwandtschaften zwischen
Planungen, die als ideales Schema
etwa um 1750 entstanden, oder
Gartenbildungen der gleichen Zeit
und Planungen, wie deren eine etwa
Goecke für das Tempelhofer Feld
vorschlug, oder Parkanlagen, wie
sie von Olmsted in Boston oder
Leberecht Migge in Hamburg ge-
baut werden. □
□ Noch scheint es verfrüht, aus
solchen Zusammenhängen Schlüsse
ziehen zu wollen. Soviel aber läßt
sich gefahrlos feststellen: all diese,
so offenbar auf ein modernes Ideal
verweisenden Planungen des Alter-
tums, der Renaissance oder des Roya-
lismus gehören Zeiten an, die gänz-
lich unsentimental, durchaus praktisch
und auf positive Politik eingestellt
waren. Sollte es ein Irrtum sein,
wenn die metaphysische Ästhetik an
eine Verwirklichung dessen, was den
modernen Städtebau zum architektonischen Problem
erhebt, erst dann wird glauben können, wenn diese
Voraussetzungen, die in den Begriff einer Organisation
der Massen zusammengefaßt werden können, sich auch
für unsere Zeit einstellen? Wenn das geschah, dann
haben die Geometer, die Straßenbauer, die Röhren-
verleger und die Verkehrsregulatoren, die Statistiker,
die Hygieniker und die Techniker definitiv gegen
Camillo Sitte recht behalten. □

Leberecht Migge, Plan zu einem öffentlichen Garten in Hamburg-Fuhlsbüttel. Klare
räumliche Bildung. Große Spielwiese, Wandelgänge, zwei kleine Haine, kleiner Zierplatz.

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

VERSAMMLUNGEN UND KONGRESSE
n Eisenach. Die 22. Wanderversammlung des Deutschen
Gewerbeschul-Verbandes zu Eisenach vom 7. —10. Juni. Die
alte Wartburgstadt Eisenach hatte auch für diese Zusam-
menkunft der Schulmänner des deutschen gewerblichen
Schulwesens ihre so oft für Kongresse erprobte Anziehungs-
kraft bewährt; es waren sogar zahlreiche »Schulfrauen«,
bedeutend mehr als sonst, zu gemeinsamer Tagung mit
ihren männlichen Kollegen hierher geeilt. Sonst zeigte
die Veranstaltung, auch der Teilnehmerzahl, den Vertretern
der staatlichen Behörden pp. nach, das bekannte Gesicht.
Das Programm war gut vorbereitet und wurde auch gut
abgewickelt, ohne große Schiebungen und begünstigt von
bestem Wetter, was natürlich für einen so von herrlichster
Natur begnadeten Kongreßort von allergrößter Tragweite
ist. Es verlief in der Tat alles harmonisch; die offiziellen
Ansprachen mit Unterstreichung des staatlichen Wohl-
wollens und des Verständnisses für das Erreichte und das
noch zu Erstrebende im weiteren Ausbau des gewerblichen
Schulwesens, die Vorträge, das Festessen und das Ver-
gnügtsein bei solchen Anlässen hinterließen gute Eindrücke.
Und doch schien mir die Gesamtstimmung etwas flauer,

weniger fröhlich und kampflustig, ja auch weniger trinkfest
und rededurstig als bei dem selben Geschehen vor Jahres-
frist im bier- und rettigseligen Regensburg, wo auch Ge-
heimräte in die Aussprache über die Vorträge eingriffen
für den Fall, daß sie nicht schon, bevor noch der Redner
sich ausgeängstigt hatte, aus dessen und der Hörer Ge-
sichtskreis verschwunden waren. Es geschieht das oft
auch durch mancherlei Mißverständnisse; den Hörern wird
nämlich bedeutet, daß sie bei Erledigung geschäftlicher
Fragen nicht mitstimmen dürfen. Hierauf verlassen dann
oft Hörer den Saal, von denen man gerade besonders
gern ein erlösendes Wort über den Wert oder Unwert
eines Vortrages oder der vielleicht noch ergiebigeren Aus-
sprache gehört hätte. Daß man hiernach unter Umständen
lange Gesichter sieht, ist dann nicht weiter zu verwundern.
Aber trotzdem sind derartige Tagungen dazu angetan, sie
lebhaft in Erinnerung zu behalten. Man sieht sich wieder,
spricht sich aus, kneipt zusammen, schimpft über alles was
andere tun und verspricht ein Wiedersehen fürs nächste
Jahr. Die Stimmung steigt und fällt, je nach dem die
Kongreßstadt sich mit einem warmen Frühstück oder
kaltem Abendbrot als in engster Fühlung mit den ver-
tretenen Interessen handelnd erweist. Dann geht’s wieder
 
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