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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Hellwag, Fritz: Die grossherzogliche Kunstgewerbeschule in Weimar: Direktion: Henry van de Velde [zugehörige Abbildungen siehe auch auf den folgenden Seiten]
DOI Artikel:
Pabst, Arthur: Die Anwendung der Energielehre auf Kulturfragen, eine Forderung des Tages
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0236

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OROSSHERZOOL. KUNSTGEWERBESCHULE IN WEIMAR

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es niemals in der individuell konzipierten Form ver-
schwinden oder ihr untergeordnet werden, soll nicht
ein ästhetisches Unbehagen des Beschauers entstehen.
Mit anderen Worten: Die dynamische Mechanik des
Bauwerkes ist nicht allein mit den formbildenden
Gesetzen des individuellen Ornamentes zu lösen,
sondern sie unterliegt anderen und zwar mathemati-
schen Gesetzen. □
n Auf die Van de Velde’sche Lehre angewendet hat der
schaffende Architekt die Kraft seiner formbildenden
Linien und Flächen nicht allein seinem eigenen inneren
Temperamente, sondern auch dem, was ich als Bau-
mechanik bezeichnen möchte, zu entnehmen. Erst, wenn
er beide gegeneinander abzuwägen, miteinander zu
verschmelzen verstanden hat, wird es ihm gelingen,
sie in Form und Ornament befriedigend und rhythmisch
ausklingen zu lassen. Auf der höchsten Stufe der
Van de Veldeschen Lehre, die nun also in der be-
absichtigten Architekturklasse gebildet werden soll,
hat der Schüler das, was ihm in Bauaufgaben an
Erfordernissen des Materials, der Örtlichkeit usw. vor-
geschrieben wird, auf seine Verwertbarkeit als künstle-
rische Kraftquelle zu studieren und mit den aus seiner
eigenen Persönlichkeit entströmenden Ideen in Einklang zu bringen. Dann wird es ihm gelingen, vermöge
seiner eingangs geschilderten besonderen Schulung, die jetzt geeinigte Kraftquelle in den steigenden, fließenden
und fallenden Kaskaden der äußeren und inneren Bauform zu veranschaulichen und bis in die letzte Konsequenz:
das Ornament sich auswirken zu lassen. Es ist selbstverständlich, daß dieser Schritt vom Kunstgewerbe zur
Architektur nur wenigen Auserwählten gelingen kann. Die anderen werden beim Kunstgewerbe bleiben,
dessen weite Gebiete ihnen durch die systematische Lehre Van de Veldes erschlossen wurden. □
□ Es fehlt hier der Raum, noch näher auf die einzelnen Abteilungen der so zielbewußt geleiteten Anstalt
einzugehen; nur die unter Dorfner stehende Buchbinderklasse sei besonders erwähnt, weil sie ausnehmend
gute Resultate gezeitigt hat. □
□ Alles in Allem: man kann der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule in Weimar und der Kraft der
Van de Veldeschen Lehre eine sichere Zukunft prophezeien. FRITZ HELL WAG.

DIE ANWENDUNG DER ENERGIE-
LEHRE AUF KULTURFRAGEN,
EINE FORDERUNG DES TAGES
Von Direktor Dr. Pabst, Leipzig
IN Goethes »Maximen und Reflexionen« finden
sich die Worte: »Wie kann man sich selbst kennen
lernen? Durch Betrachten niemals, wohl aber
durch Handeln. Versuche deine Pflicht zu tun und
du weißt sogleich, was an dir ist.« □
□ »Was aber ist deine Pflicht? Die Forderung des
Tages!« □
□ Diese Worte hat Wilhelm Ostwald, bekannt als
einer unserer großen Naturforscher, auf das Titelblatt
eines Werkes gesetzt, in dem er Probleme der Wissen-
schaft und der allgemeinen Kultur behandelt1). Er
geht dabei davon aus, wie die vorangestellten Worte
für ihn in seinen jungen Tagen von folgenschwerer
Bedeutung wurden, indem sie seine unklar drängen-
den Wünsche und Bestrebungen in ein ruhiges Bett
leiteten, wo sie sich in bestimmter Richtung betätigen
1) W. Ostwald, Die Forderung des Tages. Leipzig,
Akademische Verlagsgesellschaft 1910. Preis brosch. 9,30 M.
Kunstgewerbeblatt. N. F. XXII. H. 12


Agnes Peters

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