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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0046

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU


oy

richtung vier geschmackvoller moderner kirchlicher Innen-
räume, zu welchem Zwecke die bekanntesten heimischen Ar-
chitekten und Kunsthandwerker herangezogen wurden. Um
aber auch einen Überblick über das bereits in der jüngsten
Zeit auf dem Gebiete der schwäbischen Kirchenkunst Ge-
leistete zu geben, war es dem einzelnen Künstler möglich,
in einem besonderen Raume in Zeichnungen, Entwürfen
oder Modellen seine Tätigkeit dem Besucher vorzuführen.
□ Alles in allem aber hat diese Ausstellung, welche in
Stuttgart im heurigen Jahre auf kunstgewerblichem Ge-
biete die bedeutendste gewesen, dem Fachmann manche
schätzenswerte Anregung gebracht und das Interesse zahl-
loser Menschen auf Gegenstände gelenkt, die der Allge-
meinheit sonst überhaupt unzugänglich sind, in künstle-
rischer Hinsicht zumeist aber Glanzstücke ersten Ranges
aufweisen. jos. Kubina.
□ München. Die »Bayerische Dult« recte »Bayerische Ge-
werbeschau 1912« ist ein Unternehmen, das sich geistig auf
der »Ausstellung München 1908« aufbaut, in gewissem
Sinne ihre Beschränkung und Sozialisierung bedeutet. Die
»Ausstellung München 1908« hatte es verstanden, die Pro-
duktion einer ganzen, ameisenhaft arbeitenden Stadt zu
organisieren und ausstellungsmäßig zu stilisieren. Aber,
abgesehen von der so treffend und typisch weder vorher
noch nachher geschaffenen, städtebaulichen Ausstellungs-
architektur, hat dort das bisher übliche Prinzip der kunst-
gewerblichen Ausstellungen seinen Todesstoß erhalten.
Es gibt viele Leute, die es für besser gehalten hätten, schon
mit der »Ausstellung Dresden 1906« aufzuhören. Was die
Darstellung des künstlerischen Prinzips betrifft, könnte man
ihnen recht geben, aber eins blieb doch noch dem Jahre
1908 Vorbehalten, nämlich die technisch einheitliche Durch-
bildung in der Vorführung von Ausstellungsmassen. Mit
anderen Worten, es wurde Zucht und Disziplin, Einord-
nungsfähigkeit in die Aussteller gebracht zum Nutzen des
Ausstellungsganzen und der Details. Das schloß aber nicht
aus, daß das Jahr 1908 nicht die Erfüllung der in Dresden
geweckten Hoffnungen brachte in Bezug auf das Heraus-
arbeiten des künstlerischen Formwillens unserer Zeit. Es ist
leider nicht möglich, z. B. aus 50 besichtigten Speisezimmern
jenen einheitlichen Formausdruck zu gewinnen, weil eben
jeder dieser 50 Aussteller es für notwendig gehalten hat,
schon um sich von den 49 Nachbarn zu unterscheiden,
nicht nur nicht den Typ zu suchen, sondern im Gegenteil,
sich möglich individuell zu gebärden und bis ins Detail
»subjektiv« zu bleiben. Also zu viel »Fertiges«! Dieser
Fehler dürfte nicht wiederholt werden, wollte man nicht
den Samen von Dresden 1906 ganz vergehen lassen. Die
Reife des Publikums ist damit nicht zu erzielen. Das
Publikum soll den Formausdruck erfassen lernen und soll
Gelegenheit haben, sich vom Gängelbande der individuellen
Künstler frei zu machen und sich seine Umgebung selbst
zu schaffen. Es ist durchaus zeitgemäß, eine Vorführung
der Einzelware, der Einzelstiicke zu unternehmen und mit ihr
das Marktartige, das Suchen nach der jeweils zusagenden
Ware zu stärken. Genug der Belehrung durch die Aus-
stellungsveranstalter, heraus mit dem Geschmack der Be-
schauer! Es ist selbstverständlich, daß jeder Ausstellungs-
gegenstand von einer strengen Jury zuerst darauf geprüft
werden wird, ob er in Material und Ausführung einwand-
frei sei, dann aber, ob er in der Formgebung eine Be-
deutung habe. Von der Ausstellungsleitung, die in den
bewährten Händen von Theodor Fischer liegt, darf man
erwarten, daß in der Aufstellung der Ware alles Magazin-
artige vermieden und im Gegenteil für die neue Form
eine neue reizvolle Lösung gefunden werde. So »aus-
stellungsmüde« wir auch sind, dieser »bayrischen Gewerbe-

schau 1912« wollen wir mit Interesse entgegensehen, soll
sie uns doch durch Vergleichen erkennen lassen, ob wir
schon einen ausgeprägten Formwillen haben, und ob wir
ihn zu beherrschen verstehen. □
□ Stade. Eine Ausstellung niedersächsischen Kunsthand-
werks, die vom 3. August bis zum 25. August währte, sollte
zeigen, was altes und was neues Kunsthandwerk in Stade
bedeutet. Die Stadt, die in dem von den Elb- oder Weser-
mündungen eingeschlossenen Landzipfel als Regierungsstadt
eine Art Zentrum für eine weite Umgebung mit wohl-
habendem Bauerntum ist, wollte damit auch für kunsthand-
werkliche Erzeugnisse die Stelle wiedergewinnen wie früher,
als noch nicht leichte und bequeme Verkehrsgelegenheiten
zu Hamburg und Bremen die Konsumenten verlockten, das
einheimische und bodenständige Kunsthandwerk zu igno-
rieren. Es fragt sich nur, ob dieses einheimische Kunst-
handwerk den gestiegenen Ansprüchen genügen und tech-
nisch und künstlerisch qualifizierte Arbeit großstädtischer
Betriebe aufwiegen kann. Von den Gold- und Silber-
schmieden, die aus der alten heimischen Tradition des
Silberfiligrans schöpfen können, darf man sagen, daß es
gelungen war, nicht aber von den Tischlern und den
Malern; was namentlich die Maler an Raum- und Möbel-
bemalung und auch an Möbelanstrich geliefert hatten, ist
einfach beschämend. Dazu kommt noch, daß auch ein
Zimmermeister in der Herstellung von allerdings einfachem
Möbel dilettierte; hier kann auch der Anstrich die technische
Pfuscherei nicht verdecken. Nur die Scheeseier und die
Harsefelder Werkstätten können von dieser Kritik verschont
bleiben. Die Entwürfe der Möbel wählten sich zuweilen
den Charakter niedersächsischer Geräteformen, sonst waren
sie interlokal genug, um nicht aus kunsthandwerklicher
Kirchturmspolitik vergessen zu lassen, daß die Welt außer-
halb Stades und auch außerhalb Niedersachsens noch nicht
zu Ende ist. Auch gedankenlose Nachäffereien bleiben
nicht aus, so z. B. am Schrank eines Schlafzimmers, dessen
große Spiegelscheibe mit viel Mühe und Geld durch ein-
geschliffene Kerben in rechteckige Glasscheibchen zerrissen
war, so daß es scheinen sollte, die große Spiegelfläche
bestände aus kleinen, anno damals möglichen und gebräuch-
lichen Spiegelscheibchen, die an den Ecken durch Messing-
rosetten zusammengehalten werden; hier waren die Rosetten
durch die ganze Glasscheibe geführt. — Recht ansprechend
erschienen mir die an den mattfarbig gestrichenen Möbeln
angebrachten naturpolierten gedrehten Ahornknöpfe. — Die
historische Abteilung war in dem einstigen Gerichtssaal
des Rathauses und auf dessen Diele untergebracht und
zeigt viel altes Stader Kunsthandwerkserzeugnis, namentlich
in holländischer, Bremer und schwedischer Renaissance,
daneben ist auch viel zusammengebracht, was Bürgerkreise
nur aus schwer abzuwehrender Begeisterung für die Sache
zugesteuert haben. Die Städtische Handwerkerschule zu
Kiel war mit ausgezeichneten Treibarbeiten in Eisen ver-
treten und die Kgl. Baugewerkschule zu Buxtehude verriet
in ihrer Sonderausstellung, daß sie ihre Schüler dazu an-
hält, die Schönheit der heimischen Bauweise zu studieren
und in ihrem Wesen zu erkennen, um sie auch für moderne
Bauaufgaben anwenden zu können. Wollstickereien, Hand-
webereien zeigen den Typus niederdeutscher Bauernkunst.
Ganz besonders glücklich ist aber die kleine Gartenanlage,
die sich in einen Platz zwischen schiefgieblige alte Hinter-
häuser einschob und in dieser Umschlossenheit trotz der
Enge ein richtiger Zier- und Nutzgarten war. In einer
kleinen Ecke waren neben einigen alten Stader Grabmälern
einige moderne aus Natur- und Kunststein ausgestellt, und
so ließ diese kleine Ausstellung auch dieses Gebiet nicht
unberücksichtigt, das gerade in der Kleinstadt viel Ge-
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