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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

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Hellwag, Fritz: Die k. k. Kunstgewerbeschule in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0216

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DIE K. K. KUNSTGEWERBESCHULE IN WIEN

209

DIE K. K. KUNSTGEWERBESCHULE
IN WIEN
Von Fritz Hellwag
Österreich und Deutschland haben beide ihre große
Kunstgewerbe-Revolution hinter sich. Die Schlacht ist ge-
schlagen und es gilt, den Sieg auszunutzen und die Früchte
der großen Anstrengung einzuheimsen. Grundverschieden
wie die Temperamente der beiden Siegenden, hüben und
drüben, war auch ihre Kampfesweise und ist nun auch die
Art des errungenen Sieges. □
o In Österreich, das heißt immer: in Wien, war vor zehn
Jahren die Situation ganz genau dieselbe wie in Deutsch-
land, nämlich: unentwegte, kopflose Stilkopisterei, Muster-
zeichner-Herrschaft im Dienste der Industrie und absolute
Verständnis- und Teilnahmlosigkeit des Publikums. Der
Kampf gegen diese drei Faktoren hat sich nun aber in
Österreich von Anfang an in seltsamer Weise verschoben,
weil die Regierung in der Person ihres Spezialvertreters,
nämlich des weiland allmächtigen Direktors des Öster-
reichischen Gewerbemuseums für Kunst und Industrie, des
Herrn von Skala, sich energisch auf die Seite der Gegner
stellte. So galt es zunächst, alle verfügbaren Kräfte gegen
die gefährliche Reaktion der Regierung zu konzentrieren. In
diesem Kampf haben die Künstler am Ende gesiegt, doch
blieb das Schlachtfeld beinahe ausschließlich auf das im
Grunde praktisch unfruchtbare Gebiet der ästhetischen Aus-
einandersetzungen und Proteste verlegt. Die vorerwähnten
drei Faktoren bekamen wenig und selten Hiebe ab, und es
wurde ihnen, gedeckt durch das Schild des mächtigen
Herrn von Skala ermöglicht, abwartend und passiv beiseite
zu stehen, beobachtend, wer wohl in diesem Streite der
Sieger bleiben würde. Als nun Herr von Skala, das heißt
die Regierung, unterlag, da erst gingen Handwerker und
Industrielle freiwillig in das Lager der streitbaren jungen
Künstler und »ergaben sich«. Sie nahmen die Entwürfe
der Künstler für ihre Produktion entgegen, doch eben nur
soweit es nötig war, um dem inzwischen auf den Streit
und auf die sichtbare Niederlage Skalas aufmerksam ge-
wordenen, modesüchtigen Publikum entsprechen zu können.
Von einer wirklich gründlichen Änderung der Gesinnung,
von einer ethischen Beeinflussung und Besserung der Produ-
zenten scheint noch nicht viel die Rede zu sein, ebensowenig
von einem solchen Selbständigwerden der Konsumenten. □
□ Ganz anders in Deutschland. Dort stellte sich die Re-
gierung, voran Geheimrat Muthesius, vom ersten Augen-
blick selbst an die Spitze der Künstlerschaft. Mit größter
Wucht nahmen die so Verbündeten die Beeinflussung der
Produzenten und der Konsumenten in Angriff. So ist in
Deutschland von allem Anfang die Bewegung eine ethisch-
geschmackliche geworden, die dann auch bald in der Begründung des Deutschen Werkbundes, dieser Ver-
einigung der »Gesinnungskämpfer«, ihren markanten Ausdruck erhielt. Aber auch diese Kampfesart führte zur
Einseitigkeit, indem der ästhetisch-fonnbildende Teil der Künstlerwünsche nicht so deutlich, wie man es wohl
verlangen möchte, zum Ausdruck kam. Wohl versuchte man sich vom österreichischen und deutschen
Lager in den schwachen Punkten wechselseitig zu ergänzen. Deutschland holte sich aus Wien starke
Form-Anreger, wie Olbrich, Czeschka, Luksch und andere. Und Österreich entsandte den Direktor des
Gewerbeförderungsamtes, Herrn Hofrat Vetter zum Deutschen Werkbunde, um aus dessen y>Gedanken-
inventar« (!) »Hilfsmittel zur Lösung des österreichischen Problemkomplexes zu gewinnen«. □
n Und nun haben sich der deutsche ethische und der österreichische ästhetische Wechselstrom auf kurze
Zeit in Wien vereinigt, um sich gegenseitig zu sättigen und ergänzen, und dann neu gestärkt die eigenen
 
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