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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

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Matthies, Karl: Lehmann-Steglitz
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Hellwag, Fritz: Kurt Erwin Kroner, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0076

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PLASTIK VON KURT ERWIN KRONER

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plakaten geben die Brüder Lehmann gute Anregungen,
aber ich glaube, aus dieser Welt des holden Scheins
sei für einen Dekorationsmaler noch mehr herauszu-
holen: Farbe, Rhythmus, Bewegung, kurz alles, was
vielleicht in dem Worte Rausch zusammengefaßt ist.
c Man kann den Brüdern Lehmann, deren ehrliches

Wollen und Können so erfreulich wirkt, nur wünschen,
daß sie ihr Bestes noch nicht gegeben haben. Da
sie auch als Dekorations- und Glasmaler tätig sind,
haben sie auf verschiedenen Gebieten Gelegenheit,
zu beweisen, wie wenig der Erfolg ihr Streben nach
Vervollkommnung aufhalten kann. □

KURT ERWIN KRONER, BERLIN
WOHIN mit der Kraft? So möchte man bei
der Betrachtung der hier abgebildeten plasti-
schen Studien von Kurt Erwin Krön er fragen.
Dieser junge Künstler scheint in einer beinahe be-
ängstigenden geistigen Spannung zu leben, und seine
Schöpfungen haben Formen, die vor seelischem Ge-
halt zu bersten drohen. Man könnte da lachen über
jene Propheten, die pessimistisch unsere Zeit zu
schelten pflegen und sie mit Schlagworten wie religions-
los und materialistisch gewohnheitsmäßig abtun. Weil
sie nicht sehen, daß die »Decadence« nicht in der
Jugend sondern im Alten liegt, daß die Erschöpfung
des Inhaltes längst eine vollendete und nur künstlich
verborgen gehaltene Tatsache war, als die »neue Zeit«
anbrach. Man hat es ja schon tausendfach ausge-
sprochen, daß ein periodisches Verkleiden in sämt-
liche Formen der Kunstgeschichte nur deshalb ge-
schah und erträglich erschienen war, weil das Fehlen
des lebendigen Inhaltes ganz gleichgültig gemacht
hatte, welche äußere Form man wählte. (Es ist der
Inhalt, der sich die Form schafft.) — Unsere Jugend
fand aber auch auf dem künstlerisch - optischen Ge-
biete dasselbe Debacle vor. Wie die Künste voneinander
den Inhalt borgten, wie die Malerei Literatur machte, so
hatten sich auch ihre optischen Grenzen ganz verwischt:
die Maler schufen »plastisch«, d. h. sie steigerten und
konstruierten das Dreidimensionale in ihre Bilder bis
zum Äußersten, und die Bildhauer pflegten den »male-
rischen Stil«; ihr bester Vertreter war noch Begas mit
seiner Schule. Es half nicht viel, daß Hildebrand, der den Fehler erkannte, einen Mittelweg suchte und nun den
»Reliefstil« philosophisch ausgezeichnet begründete. Er ahnt wohl, worauf unsere Zeit hinsteuert: auf eine
Wiedervereinigung der Plastik mit der Architektur; und das von ihm empfohlene Mittel, von einer festen
Raumvorstellung auszugehen und deshalb direkt aus einem gegebenen Steinkörper herauszumeißeln, könnte
unter Umständen zum Ziele führen und hat zweifellos kunsthandwerklich vielen Nutzen gestiftet. Aber
Hildebrand kommt dennoch nicht von der früheren malerischen Art los, denn er geht von einer »Bildvor-
stellung« aus, nimmt den kubischen Steinkörper nur von einer Seite in Angriff und vertieft so seine Bild-
vorstellung nur ins Relief; er schafft also keine allseitig vom Raum umschlossenen Figuren, d. h. keine
Schöpfungen, die als Außenplastik oder gar als Architekturplastik sich behaupten könnten. □
e Was aber Hildebrand und seine Schule am schärfsten von den jungen und meist norddeutschen Bildhauern
trennt, das ist sein Ausgehen von ganz bestimmten Formtypen, die ihm die Renaissance und die Antike
überliefern, für die unsere Zeit aber keinen Inhalt zu geben hat. Auch diese Pseudoantike ist für unsere
Jungen ein Debacle, dessen Erbe sie nicht antreten wollen. Für sie ist nicht die Form, sondern der Inhalt
das Primäre und so scheidet sie eine ganze Welt von der alten Schule. □
n Daß Kurt Erwin Kroner einen Inhalt, einen eigenen neuen Inhalt zu geben hat, ist ganz augenscheinlich,
und es wäre ein unnützes Beginnen, seine bis zum Dramatischen gesteigerten Affekte hier literarisch zu zer-
gliedern. Ihm könnte man aber raten, wie er diesen Inhalt bestens in plastisch beherrschte Form bringen könnte.
Eine Auswahl seiner plastischen Arbeiten wurde hauptsächlich deshalb hier in gewissermaßen provisorischem
Stadium wiedergegeben, um den einsam Schaffenden mit anderen Künstlern in Verbindung zu bringen, die
ähnlichen Zielen zustreben. Es scheint uns an der Zeit zu sein, daß die starke Vorstellungskraft des Künstlers
durch ein Arbeiten sowohl in Stein als auch für bestimmte räumliche Aufgaben zu festen Formen gebändigt
werde, und da würde ein Zusammenarbeiten mit Architekten wohl das günstigste sein. F. HELLWAG.
Kunstgewerbeblatt. N. F. XXIV. H. 4


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